Zerrissen zwischen Ost und West
„Diese elf Tage haben mein Leben verändert“, sagt Katya, eine Moldawierin, die beim fünfnationalen Projekt „West meets East in times of change“ in Moldawien teilgenommen hatte. „Ich komme einfach nicht von den Eindrücken los, dem so bereichernden Miteinander von so vielen interessanten Menschen aus mehreren Nationen.“ Mitorganisiert haben Roxana und Tine, die beim Jugendaustausch der Barnimer Alternative im brandenburgischen Strausberg ihr Europäisches Freiwilliges Jahr verbringen.
„Diese elf Tage haben mein Leben verändert“, sagt Katya, eine Moldawierin, die beim fünfnationalen Projekt „West meets East in times of change“ in Moldawien teilgenommen hatte. „Ich komme einfach nicht von den Eindrücken los, dem so bereichernden Miteinander von so vielen interessanten Menschen aus mehreren Nationen.“ Mitorganisiert haben Roxana und Tine, die beim Jugendaustausch der Barnimer Alternative im brandenburgischen Strausberg ihr Europäisches Freiwilliges Jahr verbringen.
Es gibt wohl kaum einen der anderen, der die Aussage Katyas nicht unterschreiben würde. Was die Einschätzung der eineinhalb wöchigen Begegnung angeht, waren sich alle einige: Ein großer Erfolg, eine wichtige Erfahrung für jeden einzelnen.
Für die Jugendlichen kam es in erste Linie auf das Austauschen von Erfahrungen, Ansichten und Eindrücken an, das Herausfinden von und Diskutieren über Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede als junge Europäer in Zeiten, da der Kontinent und die ganze Welt enger zusammenrücken.
So ist die Europäische Union für die Rumänen längst in greifbare Nähe gerückt, derweil Moldawien sich von außen wie innen als zerrissen in der Orientierung zwischen Ost (Russland) und West (Rumänien/EU) darstellt. Und während die Briten ihre ganz eigene Sicht auf den Kontinent haben, können die Ostdeutschen aus dem Strausberger Raum sich gewissermaßen als Scharnier zwischen den beiden Teilen Europas begreifen.
Schon der Weg war für die deutsche Gruppe ein abenteuerliches Erlebnis. Zwei Tage dauerte die Fahrt von der Nähe Berlins über Tschechien, die Slowakei und Ungarn, wo es zumeist gut ausgebaute Autobahnen als Wegstrecke gibt, zunächst bis nach Rumänien. Dort änderte sich das Bild, gibt es selbst auf den großen Überland-Chausseen immer wieder gemächlich dahinzuckelnde Pferdefuhrwerke und große Schlaglöcher.
Vom ersten Moment des Zusammentreffens an nutzten alle die Möglichkeit, intereuropäisch Erfahrungen und Meinungen auszutauschen, mit möglichst vielen Leuten aus anderen Ländern intensive Gespräche zu führen und all jene Fragen loszuwerden, die man schon immer gern über die Heimat des anderen und dortige Lebensverhältnisse beantwortet haben wollte.
Elf Tage können eine lange, aber auch eine kurze Zeit sein. Angefüllt mit der Workshoparbeit in zwei Theater- und einer Dokumentationsgruppe, mit Exkursionen und dem lockeren Miteinander am Abend, wo die Gespräche fortgesetzt wurden, ging die Zeit schnell vorbei. Dass man daheim nun nicht mehr unter dem Versiegen von Dusch- und Waschwasser leiden musste und nicht mehr das etwas gewöhnungsbedürftige moldawische Essen vorgesetzt bekommt, war auch für die deutschen Teilnehmer nur ein schwacher Trost dafür, da sie gern noch ein paar Tage länger geblieben wären.
Was in der kurzen Periode geschaffen wurde, konnte sich allemal sehen lassen. Sie wurde nur unterbrochen von den durch die Gastgeber organisierten speziellen Programmpunkte wie Besuchen in der Hauptstadt, einem alten russisch-orthodoxen Kloster oder einer Vorstellung im Nationaltheater von Chisinau. So stellten am vorletzten Tag die beiden Theatergruppen in einem der beiden Stadtparks in einer gemeinsamen Performance ihre Workshopergebnisse vor.
Für die meisten unfreiwilligen Zuschauer war es eine spezielle Erfahrung, die in Bettbezügen gehüllten Gestalten die Treppenstufen sich auf- oder abwärts bewegen zu sehen, derweil Satzfetzen, einzelne Worte oder Teile von Kinderliedern in den unterschiedlichen Sprachen zwischen ihnen ausgetauscht wurden. Manch einer eilte noch schneller weiter, als er gekommen war. Doch andere Passanten hielten für einige Augenblicke innen, verfolgten das Treiben und versuchten, dessen tieferen Sinn zu entschlüsseln.
Auf alle Fälle waren die „Betttuch-Gespenster von Chisinau“ eine Attraktion. Wo steht Moldawien aktuell zwischen dem riesigen Zweitnachbarn im Osten, Russland, auf der einen und dem kulturell so eng verwandten Rumänien samt EU auf der anderen Seite? Wo treffen sich Ost und West im Alltag der Menschen mit ihren Sorgen, Wünschen und Probleme? Diesen Fragen ging besonders intensiv die Dokumentationsgruppe nach, interviewte mehr als zwei Dutzende Personen aller sozialen Schichten und Altersgruppen und stieß dabei auf teils überraschende Erkenntnisse und Antworten.
Vor allem am 9. Mai, der in den Ländern der einstigen Sowjetunion noch immer als „Tag des Sieges“ gefeiert wird, wurde deutlich, wie kontrastreich und teilweise Konflikt geladen sich Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges verbinden. Dass die neue Freiheit längst nicht so ist, wie sie sich gerade die jüngere Generation wünscht, wurde in weiteren Gesprächen offensichtlich. Zum Beispiel mit Mariana, einer der moldawischen Projektteilnehmerinnen, die neben ihrem Studium zweimal wöchentlich ein Jugendmagazin im nationalen Radio moderiert. „Die Beiträge machen wir alle selbst. Aber jeder einzelne muss dem Programmdirektor vor der Sendung zur Genehmigung vorgelegt werden. Und Politik ist sowieso ein Tabu“, erzählte die 20-Jährige.
Dass Moldawien sich gerade bei Jugendprojekten der EU annähern will, machten gleich am zweiten Tag auch Vertreterinnen des zuständigen Ministeriums bei einem Empfang deutlich. Und vielleicht gibt es schon bald auch einen moldawischen Freiwilligen beim EFD Strausberg – Vorgespräche wurden jedenfalls in dieser Zeit mehrfach geführt.