Young Workaholics
Wir sind eine Generation, für die Arbeiten fast schon ein Lifestyle ist: Wir versuchen, so produktiv wie möglich zu sein, bilden uns bei jeder Gelegenheit weiter und basteln fleißig an unseren LinkedIn-Profilen: Warum arbeiten wir so gerne?
Die meisten Café in der Innenstadt sind mittlerweile voller junger Menschen mit ihren Laptops, die eifrig in ihre Kalender schreiben oder Fachbücher lesen. Mein Lebenslauf wird auch immer länger, dabei liste ich viele Weiterbildungen, Praktika und soziale Engagements gar nicht mehr auf. Diese Situation ist verständlich, wenn man den modernen Arbeitsmarkt bedenkt: Noch nie war dieser so flexibel und so unvorhersehbar. Mit voranschreitender Digitalisierung werden viele Jobs zukünftig überflüssig sein, und viele Jobs, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können, werden entstehen. Kürzlich war ich auf einer Konferenz über digitale Herausforderungen, auf der der „Tech Ambassador“ Dänemarks sprach - Ein Job, den es vor 15 Jahren auch noch nicht gegeben hätte.
Viele junge Menschen scheinen daher ihr Möglichstes zu tun, um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten - Auch wenn das bedeutet, oftmals viel schlecht bezahlte Arbeit zu machen, ein Praktikum nach dem anderen zu absolvieren und sich nebenbei noch online weiterbilden. Die New York Times bezeichnet dies als „ Hustle Culture“: Besessen von Produktivität, endlos positiv und immer voller neuer Ideen, das ist die Kultur, die in unserer Generation herrscht. Sie ist auch in den Sozialen Medien dominant: Man könnte meinen, dass jeder erfolgreich ist, jeder kann ein Entrepreneur sein wenn man nur ein bisschen Selbstdisziplin zeigt und jeder geht natürlich auch regelmäßig zum Sport.
Diese Einstellung hat natürlich viele Vorteile: Sie motiviert und bereit uns auf das moderne Arbeitsleben vor. Allerdings kann diese „Hustle Culture“ auch zu vielen negativen Effekten führen- Sie führt nämlich zum Beispiel dazu, dass sich viele junge Menschen immer größeren Druck ausgesetzt fühlen. Und dass viele versuchen, sich um jeden Preis auf dem Job-Markt attraktiver zu machen, sich weiter zu qualifizieren, und ihre „Employability“ zu steigern. Auch die neue Welle von Selbständigkeit, von unabhängigen Kreativ-Jobs und Zeitverträgen bietet zwar auf den ersten Blick große Chancen für Viele, aber wenn diese nicht gesetzlich geregelt werden bilden diese Leute fast schon eine Art modernes Prekariat: Schließlich handelt es sich um ungeregelte Arbeitsverhältnisse, die Kreativ-Arbeit häufig kaum vergütet und keine gewerkschaftliche Organisation besitzt.
Problematisch ist auch, dass die „Hustle Culture“ insbesondere in hoch kompetitiven Arbeitsfeldern dazu führt, dass Menschen dort weitaus mehr als die offiziellen Office Hours arbeiten, denn wir sind schließlich immer verbunden und können von überall aus arbeiten. Außerdem sollte man sich auch fragen, wer von dieser Arbeitshaltung am meisten profitiert - Nämlich die Manager und die Firmenleitung. Für sie ist es natürlich von Vorteil, wenn ihre Mitarbeiter so viel wie möglich arbeiten und auch am Wochenende noch erreichbar sind. Ein weiterer Aspekt ist, dass durch digitale Arbeitsweisen und dauerhafter Verfügbarkeit alle Lebensbereiche durchkommerzialisiert werden, und man quasi immer produktiv sein kann. Manche errechnen bereits den Wert ihrer Zeit und wiegen so selbst ihre Freizeitaktivitäten ab.
Gerade der europäische Arbeitsmarkt reizt durch seine Heterogenität diese Hustle Culture an - Viele junge Menschen aus den südöstlichen Mitgliedsstaaten versuchen so zum Beispiel regionale und strukturelle Nachteile auszugleichen. Auch die Wirtschaftskrise, die insbesondere junge Menschen in Spanien, Griechenland, Portugal und Italien betroffen hat, hat unsere Generation geprägt. Natürlich können wir Prozesse wie die Digitalisierung und eine Umstrukturierung des Arbeitsmarktes nicht aufhalten, aber unsere Generation muss versuchen, dass diese Transition geregelt und gerecht verläuft - Chancen müssen allen offen stehen.
https://www.forbes.com/sites/jacobmorgan/2016/02/26/is-the-hustle-culture-and-mentality-out-of-control/#7d7803d63f29
https://www.nytimes.com/2019/01/26/business/against-hustle-culture-rise-and-grind-tgim.html?fbclid=IwAR1HFHWBltzC3uW82wbD_zs6SOl74dIVaD6Yit9GdxIWOwcwUPPVES4J4e8
https://www.business2community.com/strategy/big-problem-hustle-culture-01961824
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