Wohnst du noch oder EVS't du schon?
Ich bin schon wieder wütend, was langsam nicht mehr nur am Kulturschock liegen kann.
Hey, Freunde der Sonne. Dieser Spitzname wird langsam passend, denn in Cluj waren die Temperaturen von einen Tag auf den anderen angenehm. Seit Tagen laufe ich ohne Jacke durch die Gegend, es ist wundervoll!
Ich bin vom Midterm meeting zurück. Für mich war es grauenvoll, aber ich werde nicht weiter drauf eingehen. Und die Zeit danach war umso schöner - ich fuhr mit Olivia und ein paar anderen vom Training zum Schloss Bran. Das Fake-Dracula-Schloss… von innen hat es mich nicht sehr beeindruckt, sehr sehr touristenorientiert, aber von draußen war es umso schöner. Und in Bran gab es einen Markt (auf dem ich mir 50% Rabatt auf eine Mütze erhandelte, yeah!) und Lángos, was will man mehr?
Schäßburg!
Danach ging es mit Olivia weiter nach Sighisoara (oder Segesvár, wie ich mit meinen unfassbaren Ungarisch-Kenntnissen sagen müsste). Zum perfekten Zeitpunkt, denn beinahe alle meine Freunde von dort waren auf Reisen, als ich kam. :D Prima gemacht… aber Yadigar war da, um uns zu hosten. Das war ein Drama. Ich hatte ihn gefragt, ob wir bei ihm schlafen können, und er sagte zu… Olivia fragte gleichzeitig ihre Freunde dort, die ihr sagten, bei ihnen wäre alles voll, weil sie fünf Gäste erwarteten. Erst kurz bevor wir in den Zug stiegen, stellten wir fest, dass Olivias Freunde Yadis Mitbewohner sind und wir selbst zwei der fünf angekündigten Gäste waren. :D
Bei ihnen war es aber prima, sie sind echt witzig. Und Sighisoara ist atemberaubend schön! Juliana hat gesagt, dass sie nie wieder dorthin möchte… das verstehe ich nicht! Ich werde definitiv im Frühlings- oder Sommerlicht zurückkehren! Abends entschlossen wir uns, als Dankeschön fürs Aufnehmen für die drei zu kochen, und gingen dann noch in eine Bar - die um Mitternacht schloss. In Cluj öffnen die Bars teilweise um Mitternacht…
Und wieder zur Normalität
Und nun bin ich zurück dort, zurück im Alltag und zurück in der Kita. Es war schön, die Kinder wiederzusehen. Das Wetter war gut, also habe ich meine Musikstunden draußen gegeben. Das Wochenthema war “a család” (die Familie), also haben wir zu “I love you” von Barney gesungen und die hugs und kisses nachgespielt. War das herzerwärmend... und Notiz gemacht: Musikstunden ab jetzt immer mit Bewegung verbinden!
Am ersten März wird in Rumänien der Frühlingsanfang gefeiert, und alle Männer geben den Frauen ein Mărțișor, ein Anhänger an einem rot-weißen Band. Ich habe sechs oder sieben Stück von all den Eltern bekommen. :D Es war sehr süß.
Diese Woche hatten wir kaum Kinder in der Gruppe - trotz des guten Wetters waren es stets zwischen zwei und vier, der Rest litt an Grippe oder sonstwas. Gabi habe ich nun schon einen Monat nicht gesehen, und was soll ich denn machen ohne Floris und Petru und Tudor, und woher bekomme ich meine wöchentliche Ration Stress ohne Bogdan? Na, dafür haben wir noch ein neues Kind, nun sind es dreizehn. Der Junge, Márk, ist sehr süß und fragt ständig nach einem “kicsibuz” (Minibus), aber ich will gar nicht daran denken, wie das aussehen soll, wenn alle Kinder gleichzeitig da sind.
Viszlát, grottenschlechter Sprachkurs
Aber es war sowieso eine stressige Woche. Gut, vom Arbeitspensum mit drei Kindern natürlich nicht, aber alles andere zerrt mittlerweile an meinen Kräften. Erst einmal sind unsere Ungarischstunden nun endgültig vorbei. Seit Anfang Januar hatten wir keinen Unterricht, weil unsere Lehrerin die Stunden jede Woche kurzfristig absagte, und nun setzte sie die letzte Stunde auf nächste Woche an. Jojo und ich haben keine Zeit - ja, ich bin davon ausgegangen, dass zehn Doppelstunden nach über sechs Monaten fertig sind, und habe demnach Pläne im März gemacht - und baten um einen anderen Termin, worauf sie nur antwortete, da könne sie jetzt auch nichts machen und dass wir die letzte Stunde nicht bekommen.
Ich bin nicht groß traurig - die Stunden waren unfassbar schlecht -, aber wütend schon. Da der Unterricht nun vorbei ist und sie sowieso nie auch nur versucht hat, unser Mentor zu sein, hab ich sie mal von meiner Freundesliste gelöscht. Unserem Chef war unsere Frustration relativ egal, als wir mit ihm sprachen, fragte er uns nur wieder und wieder, ob er nun an die Nationale Agentur schreiben kann, dass unser Sprachkurs erfolgreich beendet wurde.
Es reicht
Weiter geht’s. Eine Woche waren wir fürs Seminar weg, und schon ist in der Kita Land unter. Emoke war so fertig davon, sich mit einer anderen Person um neun Kinder zu kümmern (etwas, das wir alle seit September täglich machen… aber gut), dass sie die ersten zwei Tage lang ausschließlich schreiend mit mir kommunizierte, teilweise auch vor den schlafenden Kindern.
Samstagmorgen verschwand der Schlüssel von Alkies und Julianas Badezimmer. Abends stellte Juliana Emoke zur Rede, die Antwort war ein ganz selbstverständliches “Yeah, I took it”. Sie wird sich einen Zweitschlüssel machen damit sie jederzeit dort rein kann, und sie dürfen das Bad nicht mehr abschließen, sonst wachst Emoke das Schloss von außen zu.
Danach habe ich eins beschlossen: Ich werde an die Nationale Agentur schreiben. Bald. Ich habe viele Probleme mit meinen Projekt hier, mit den meisten kann ich irgendwie leben, aber die Wohnsituation wird unerträglich für mich, und die zahlreichen Diskussionen mit Lehel und Emoke haben nichts verändert. Kinder und Eltern spazieren rein und raus in unsere Wohnung wie sie möchten, benutzen unser Bad und haben freien Zugriff auf unseren gesamten Wohnraum, unsere Koordinatoren kommen ständig am Wochenende zu uns und wollen irgendwas, und nun dürfen wir unser eigenes Bad nichtmal mehr abschließen, damit andere Leute es jederzeit benutzen können.
Ich könnte die ganze Projektsituation ertragen, vielleicht sogar genießen, wenn ich nach der Arbeit nach Hause gehen und für den Tag fertig sein könnte, aber wir sind nie fertig, wir sind zu jeder Tageszeit verfügbar und werden unserer Privatsphäre beraubt. Unser Wohnraum wird zu jeder Zeit als öffentlich zugänglich betrachtet. Und das ist die eine Sache, mit der ich nicht leben kann.
Ugh. Whatever.
Ausgleich
Das einzige, was mich rettet, ist die Zeit die ich weder zu Hause noch auf der Arbeit (ist ja dasselbe) verbringe. Sonntagabend war ich mit Dora beim AIVI Filmabend. Ahhh, ich freue mich immer, sie zu sehen, auch wenn der Film wirklich schlecht war. Montagabend habe ich Marleen etwas zu essen vorbeigebracht, um sie noch einmal zu sehen, bevor sie für ein paar Wochen nach Holland zurückkehrt. Das war so traurig… hoffentlich wird sie schnell gesund. Sie ist mir urplötzlich ans Herz gewachsen.
Oh, aber ratet mal, wer bei ihr war? Alex, Katja und Lorena! Mit vollen Koffern, denn sie haben ihr Projekt beendet und reisen jetzt noch rum. Ich traf mich noch mit ihnen auf ein Getränk und holte ihnen dann die besten Kekse der Stadt (AUF UNGARISCH! Ich war stolz!). Beim Abschied hab ich die drei gefühlte tausendmal umarmt mit den Worten “I’m very sad. I really like you a lot.” Mh. Ich mag die drei wirklich gern. So viele Abschiede an einem Tag.
Zeit für... Erbsensuppe?
Donnerstag habe ich angefangen, mich ehrenamtlich für eine Organisation namens O masă caldă zu engagieren, eine Suppenküche für Bedürftige und Teilzeitobdachlose im Centru Social De Urgenta Primăria. Abgesehen von mir waren nur zwei Leute dort, aber es war prima. Das Essen, ein Riesentopf Erbseneintopf, war schon so gut wie fertig und musste nur noch köcheln, aber ich wurde herumgeführt und habe dann Portionen ausgeteilt. Dort werde ich ab jetzt alle zwei Wochen hingehen. Am Ende hat mich die Leiterin sogar im Auto mit zurück ins Zentrum genommen!
Am Abend ging ich dann endlich wieder zum ungarischen Convoclub. Oh mann, hab ich das vermisst. Es ist genial! Auch wenn es nach dem Tag anstrengender denn je war in einer Bar so ungefähr am Ende der Welt stattfand, so dass ich eine Stunde lief… worth it! Ich musste auf einer kleinen Karte Wege erklären, um so was wie links, rechts, laufen etc. zu lernen. Es war wie Französischunterricht in der siebten Klasse - nur mit etwa einer Millionen Pre- und Suffixe und so viel schwieriger -, hach, wie nostalgisch.
Sonntag schließlich traf ich schließlich Gagyi. Der Plan war, in den Park zu gehen, aber bei den ersten paar sonnigen Tagen waren wir nicht die einzigen mit der Idee, und es war randvoll. :D Also stiegen wir stattdessen auf den Cetățuia Hügel, ich natürlich mal wieder ohne Kamera. Es ist so, so wunderschön, dort oben den Sonnenuntergang mitzuerleben. Danach nahm sie mich noch mit ins Acasă, wo wohl so eine Semi-Party stattfand, auf der auch Banner für den Frauenmarsch am 8. März gebastelt wurden. Ich traf auf Lara und Theo und verbrachte den Rest des Abends mit ihnen auf einem Sofa.
Tja. Mal schauen, wie sich unsere Wohnungssituation entwickelt. Nächste Woche passiert was furchtbar Aufregendes… ich sage euch nicht, was. Wir hören uns!