Wochenenden
Mein viel zu später, vorletzter Artikel.
Sonntags, so Mittagszeit war ich also wieder in Banská Bystrica. Mein Plan für den Tag empfand ich seit dem vorangegangenen Donnerstag als eine selbstauferlegte Bestrafung. Deutschland war gegen Italien im Halbfinale rausgeflogen und ich war, mit der festen Überzeugung einer deutschen Finalteilnahme, so doof gewesen für alle Slowakeifreiwilligen ein Public-Viewing plus Grillen im Hostel zu veranstalten. Genervt schlappte ich also zum Einkaufscenter und holte Bratwurst und Bier für meine Gäste. Nach einen kurzem Mittagessen gönnte ich mir noch eine Stunde Schlaf auf der Couch, denn es gab nicht allzu viel vorzubereiten. Danach sah ich die Sache schon etwas entspannter und stellte Grill und Technik im Garten auf. Die Gäste trudelten nach und nach ein und waren plötzlich mehr als erwartet, was noch eine kleine Shoppingtour nötig machte. Dann wurde gegrillt, Bier getrunken, das Spiel geschaut und natürlich viel über die Italiener gelacht. Die nahmen das erstaunlich gelassen und gingen mit allen hinterher noch in die Stadt, die leider, da Sonntagabend, total ausgestorben war.
Am nächsten Morgen spendierte ich noch ein Frühstück und der Zirkus löste sich den Tag über langsam auf und verschwand wieder in alle Ecken der Slowakei.
Zwei Wochen später zog es mich dann zu EVS-Kollegen und das gleich doppelt. Günstig bei den Einladungen war, dass sie mich beide Richtung Norden führten und sich so meine Reisestrecke in Grenzen hielt. Am Freitagnachmittag brach ich mit Backpack per Zug nach Žilina auf. Im Kulturtreff "Stanica" arbeiteten zwei slowenische EVSler, die einen Slowakisch-Slowenischen Abend veranstalteten und dazu eine Band aus dem jeweiligen Land spielen ließen. Für die Slowakei spielte sogar ein mir bekannte Band namens "Chiki Liki Tu-a", deren Musik das ein oder andere mal schon bei uns durch das Büro schallte. Auch mein erstes slowakisches Lied, das ich auf der Gitarre klimpern kann stamt von ihnen.
Die slowenischen Vertreter waren mir nicht bekannt, was dem slowakischen Publikum allerdings genauso erging. Trotzdem genossen sie die Fremden, auch weil ihre Musik fast ohne Text auskam und so der Schwerpunkt auf den endlos Gitarrensolos lag, die den Gitarristen mehr ins Schwitzen brachten als den Drummer. Nach ihrem Gig konnten die vier Jungs von "Srečna Mladina" behaupten sich auch in der fremde gut verkauft zu haben. Musik machen sie schon seit ca. einen Jahrzenht, wie mir meine slowenische Kollegin verriet. Sie war als Teenagerin schon Fan von ihnen gewesen und freute sich dementsprechend riesig darüber, dass sie die Musiker in die Slowakei locken konnte.
Nach kurzer Pause traten dann die drei Platzhirsche von Chiki Liki Tu-a auf die Bühne und das kleine Publikum unter dem Dachstuhl des alten Bahnhofgebäudes flippte aus. Mit ihrem schrillen und leicht genervten Auftreten brachten sie das Publikum besonders während der Ankündigungen zwischen den Songs zum lachen, aber auch ihre Texte sind eher humoristisch, was mich zusammen mit dem funky Sound an Stücke von den Ärzten erinnerte. Es floß viel Bier, die Leute tanzten und das für solche Zwecke perfekt hergerichtete Bahnhofsgebäude tat den Rest für eine nette Konzertatmosphere. Nach den Konzerten wurde ich von einem Paar an der Bar angesprochen, das mein schlechtes Slowakisch bemerkte. Wir unterhielten uns eine Weile auf English, was sie nach fünf Jahren in England perfekt beherrschten. Als sie gegangen waren nahmen die Slowenen noch mit in einer nahe Bar, wo ich mit den Bandmitgliedern Srečna Mladinas über Musik reden konnte, was super interessant war.
Am nächsten Morgen erwachte ich gut verkartert auf der Bühne, was durch meinen harten Schlafplatz wohl noch etwas schlimmer gemacht wurde. Ich ging nach unten und bekam einen Tee von meiner slowenischen Kollegin, die mich auch auf das Frühstück im Garten aufmerksam machte. Ich wankte noch gut verpennt dorthin und setze mich in die Sonne. Der Garten grenzt an eine Autobrücke bzw. befand sich teilweise darunter und dort tummelten sich allerhand Leute in weiten Klamotten, während fette Beats aus einem Ghettoblaster schalten. Dazu wurden Graffitis auf die Brückensockel gesprüht und ein paar Jugendliche tanzten auf Papkartoons. Ein typischer Samstagmorgen wurde mir erklärt. Während ich frühstückte und das Treiben beobachtete, gesellten sich die Mitglieder der beiden Bands dazu, die genauso verpennt blinzelten. Ich unterhielt mich ein wenig mit dem Sologitarristen von Srečna Mladina, der sehr gut Deutsch sprach und checkte meine nächsten Zugverbindungen Richtung Osten. In der Mittagszeit verabschiedete ich mich dann und machte mich auf zum Bahnhof, um den Zug nach Štrba zu nehmen.
Mein zweites Treffen mit anderen EVSlern sollte eine Wandertour in der Hohen Tatra werden, die am Sonntag stattfinden sollte. Um rechtzeitig dort zu sein, musste ich irgendwo in der Nähe übernachten, wobei mir meine Cheffin mit dem Haus ihrer Eltern zur Seite sprang. Ich fuhr also mit dem Zug nach Štrba, wo ich als erstes feststellte, dass ich in Tatranská Štrba war, das falsche Štrba. Das Richtige erreichte nach 3km Fußmarsch und wurde dort von den Eltern meiner Cheffin freundlich empfangen. Ihre Mutter tischte mir eine herrliche Suppe auf und quartierte mich auf einer Schlafcouch ein. Am nächsten Morgen wollte sie mich dann mit dem Auto zurück nach Tatranská Štrba bringen, was allerdings daran scheiterte, dass das Auto nicht da war. Das brachte mich etwas in Breduollie, da ich die Tatrabahn erwischen musste, die mich in den dritten Teil Štrbas nach Štrbské Pleso bringen sollte. Ich ging also recht schnell die 3km zurück und kam glücklicherweise 10min vor Abfahrt an.
In Štrbské Pleso traf ich dann auf meine vier Mitstreiter und nachdem ich mein Backpack im Bahnhof abgegebn hatte, machten wir uns bei leicht bewölkten Wetter auf, die gut 1100 Höhenmeter zu erklimmen. Zunächst musste eine Menge Strecke im Wald bei nur leichter Steigung bewältigt werden. Den Berg den wir uns ausgesucht hatten, war der Kriváň, einer der bekannsten Gipfel in der Slowakei. Er galt einige Zeit als der höchste Berg und ist seinem markanten Profil heute auf den Centmünzen als Nationalsymbol verewigt. Der Wald schrumpfte am Ende zunehmend zu kleinen Büschen und es wurde steiler bis wir irgendwann gar keine Gewächse mehr um uns ausmachen konnten. Die letzte Etappe bestand dann nur aus großen Geröllbrocken auf denen man alle Gliedmaßen brauchte um weiterzukommen.
Der Gipfel kam etwas überraschend für uns, da die wir es deutlich schneller schafften, als es auf den Schildern vorhergesagt war. Vom Gipfel hatten wir bei unserem Mittagessen einen guten Ausblick, wenn nicht gerade eine Wolke vorbeizog und uns komplett einnebelte. Nach einer halben Stunde machten wir uns dann an den Abstieg, wobei unser Spanier, der beim Aufstieg das gute Tempo vorgelegt hatte, erstaunlich langsam war. Wie eine Katze auf einem Baum, die nicht mehr weiß, wie sie runterkommen kommen soll, scherzten wir, was er mit seinem Gejammer und spanischen Flüchen noch komplementierte. Als wir den flachen Abschnitt durch den Wald erreichten, begann der Regen, den wir schon befürchtet hatten. Gut durchnässt kamen wir wieder in Štrbské Pleso an, trennten uns von einem Mitstreiter, der nach Bratislava musste und fuhren müde aber zufrieden mit dem Auto Richtung Süden.