Wochenende - natürlich
Zwei Tage voller Naturabenteuer und Begegnungen mit Fischern, einer Bäuerin und einem Bauer sowie Maxi-Taxi- und Mini-/Mikro-Busfahrern haben mart einige besondere Erinnerungen beschert. Nach einer Angelnacht mit ein paar Jungs ging es am nächsten Tag mit seiner Freundin Cristina auf eine wechselhafte Fahrt zu einer Pilgerstätte.
Ein langes, glückliches, nun ja, auch mörderisches Wochenende liegt hinter mir. Nach einer höhepunktarmen Woche der kleinen und größeren erledigten Aufgaben holte mich Radu am Freitag vom Büro ab. Auf dem Markt, der nun wirklich alles bietet, kauften wir die passenden Utensilien. Dann hatten wir bei ihm Abendbrot und den ersten Schluck guten moldawischen Weins.
Auf zum fröhlichen Fischfang
Anschließend ging es, samt Zelt und Schlafsack und Radus Arbeitskollegen Gheorghe sowie meines früheren Wohnungsgenossen Iulic “Packard” - den wir in Iulic “Pahar” (Becher) umgetauft haben – aus der Stadt aufs Land, zum Angeln. Das ist eigentlich bei Strafe verboten (1000 Lei=70 Euro). Aber da Radus Umweltagentur diese Strafen verhängt, erkauften wir die Lizenz für eine Flasche Cognac (hier “Devin” genannt) beim Anwohner.
Es war bereits später Abend, und pünktlich zu unserer Ankunft begann ein Gewitter erster Güte. Wir sammelten schnell Holz und schützten es unter Georges altem Escort vor dem Wasser. Sodann schlugen wir das Zelt auf und folgten moldawischen Traditionen: ehre jede gute Tat mit einem Schluck guten Getränks. Mein Magen war allerdings glücklich, dass die Flasche “Sprit”, hochprozentiger Alkohol, nicht fest verschlossen und deshalb im Kofferraum verblieben war – was Johns Laune stark verdunkelte.
Nach über der Glut gegrillten Würstchen gab es einige netten Geschichten Radus, die ich alle schon kannte. Wie die, wo er und Packard bei einem Raubüberfall in ihrer Ökologie-NGO (Non govermental organisation) vorn ein paar Jahren beschossen worden waren. Packard trägt nun die Patrone, die durch sein Bein ging, um den Hals.
Halb eins, der wunderschöne Sonnenuntergang war schon längst vorüber, und die Mücken und Ameisen von mir langsam gesättigt, gingen wir dann doch schlafen. Aber nur, um gegen halb fünf den neuen Morgen zu begrüßen.
Wir begannen endlich zu angeln und die Karpfen waren dankbar für die Würmer, so füllte sich die Tüte rasch. Über den Enten auf dem See schwirrten die Möwen, die Sonnenstrahlen spiegelten sich im Wasser und das Fischerboot tuckerte hin und her.
Kurz nach zehn Uhr dann bekamen wir Besuch von zwei verärgerten Fischern, die uns die 1000 Lei nahe legten – während Radu sauer wurde. Ein handfester moldawischer Streit folgte. Und wir verließen den Ort gegen halb elf - ohne einen Fisch gekostet zu haben…
10:45 Uhr, wir hatten die Landarbeiterinnen auf den Feldern zurück gelassen und wollen nach Chisinau zurück, als die Federung im Fond den Geist aufgibt. Wir saßen auf der Strasse, umgeben vom Nichts. img 10 right]Packard und ich blieben auch dort, während die beiden Frontpassagiere versuchten, nach Ialoveni, Radus und Gheorghes Heimat, zurückzurollen, von wo Radu uns dann mit seinem Auto abholen wollte. Nach einer Stunde in der Sonne stoppten wir einen Minibus, der uns nach Chisinau mitnahm. Im Minibus erhielten wir dann Radus Anruf: er laufe gerade nach Hause…
Soweit das fröhliche Fischefangen.
Den Nachmittag verbrachte ich mit Cristina, mit einem Konzertbesuch vor dem Regierungsgebäude. Dort schossen wir ein paar Bildchen für meine Eltern, die ja schon lange mal wissen wollten, mit wem ich nun so meine Zeit verbringe.
Auf nach Orheiul Vechi
Am nächsten Morgen dann suchen Cristina und ich gemeinsam auf dem Busbahnhof nach einem Minibus nach Orheiul Vechi. Orheiul Vechi – "das alte Orhei" – ist eine Pilgerstätte. In einem Tal gelegen, das umgeben ist von üppig bewachsenen Felswänden, durch das ein Fluss mäandriert.
Auf dem hektischen Markt "Piata Centrala" suchen wir also nach einem passenden Minibus, dem Fortbewegungsmittel Moldaus. Da ein solcher offensichtlich nicht existiert, nehmen wir die "Rutiera" (Rumänisch für Minibus) nach Orhei. Am Abzweig nach Orheiul Vechi entläßt uns der Fahrer aus dem "Maxi-Taxi", das wir unter anderem mit einem Mann mit Autotür geteilt hatten. Sein Hinweis für die übrigen 9 Kilometer: "Ein Auto wartet hinter der Kurve."
Ein Auto?
Nach 100 Metern erblicken wir eine Bar, ein Auto parkt davor. Nach zähen Verhandlungen über den Preis der restlichen nun schon 17 Kilometer sitzen sechs Mann bequem in einem alten VW Passat. Ein deutsches Auto, wie ich erfahre.
Der Taxifahrer versucht, sich mit meiner Freundin zu unterhalten. Er spricht kein Rumänisch, sie kein Russisch. Warum nicht? Er weiß es nicht, vielleicht, weil er dumm sei, sagt er. Sie ist stolze Rumänin, sieht die Russen als Eindringlinge, die den Rumänen in der Geschichte viel Leid zugefügt haben. Die Heimat beider ist dieses Land.
Wir kommen im Tal an, wo Schulklassen die Gegend erkunden. In Urzeiten ein Stück Meeresboden, liegen jetzt noch am Boden verstreut Steine mit versteinerten Muscheln. Wir ersteigen die Hänge, in der prallenden Sonne, schwitzend, glücklich über die ruhige Natur, die nur von den Touristen (ja, auch uns) und einer Sportgruppe, die hier zeltet und Wettkämpfe im Mountainbiking, Kanufahren und Bergsteigen austrägt, getrübt wird. Am Horizont, hinter einem weißen Zaun, zieht ein Pferd einen Pflug unter dem blauen Himmel.
Die Kühe, die Agafia Moraru ins Tal treibt, lassen sich davon nicht stören. Sie nehmen einen guten Schluck vom dreckigen Wasser des Raut, während ihre Hüterin für ein Foto posiert. Schickt es an Moraru (=Müller) Agafia, sagt sie. Wir müssen mehrmals nach einer Adresse fragen, bis wir eine touristische Bar genannt bekommen, in der ihre Nichte arbeitet.
An drei Seiten vom Fluss umgeben, auf einem Berg, thront eine Kirche über dem Tal. Touristisch genutzt - und dennoch geschlossen. Zwei amerikanisch-moldawische Pärchen lassen sich von eigenen Führern die Natur erklären.
Um zwei sind Cristina und ich knallrot, die Schulkinder längst wieder abgefahren. Wir steigen ins Tal ins Dorf Butuceni hinab, wo uns ein Moldawier in seinen Garten einlädt. Slawik ist sehr ausländerfreundlich, bietet – wie jeder Moldawier – Wein an (jedoch nicht zu aufdringlich), und erzählt uns, wie er ein Hotel und eine Seilbahn von der Kirche zum Berg ins Tal bringen will.
Wir sind umgeben von seinen Erdbeeren. Hinter dem Zaun ist der Fluss, an dem eine Kuh das Wasser säuft, auf dem zwei Fischer im Boot die Netze einholen. "Habt Ihr was?" ruft Slawik... Es ist das Idyll! Vor seinem grün gestrichenen Haus, unter dem Gebell der Hunde, nehmen wir noch ein Bild auf, und geben ihm obligatorisch unsere Adresse.
Für fünf Liter Benzin hätte uns auch sein Sohn zum "Abzweig" gebracht. Wir aber treffen – nach einem erfrischenden Schluck aus einem der Dorfbrunnen – zwei reichlich betrunkene Jungs mit großen Taschen - auch auf dem Weg zum Bus, zum Abzweig. Gut dreißig Leute warten schließlich dort mit uns an der Straße auf der Anhöhe. Unvorhersehbar, dass ein Zeltcamp mit uns im Bus fahren will.
Mikrobusse aus Ialoveni, Trolleybusse in Chisinau - dieser Bus schlägt alles. Gequetscht von vier Seiten hat der Bus die großartige Idee, die hintere Tür, an der ich lehne, zu öffnen, damit auch hier alle Plätze gefüllt werden. Und tatsächlich sind in den Lungen noch Reserven, zwei Leute mehr passen hinein. Im Schritttempo erklimmt der Bus einen weiteren Berg auf dem Weg zur heiligen Abbiegung. Vor dieser wartet noch eine Haltestelle. Die 35 Grad Steigung führen dazu, dass die Gäste besser in Lücken flutschen.
Noch vor der Kurve hält der Bus für eine Frau und ihre Tochter, die irgendwie über uns hinweg aussteigen - und etwas von "Marschrutka" nach Chisinau sagen. Cristina und ich nutzen die Chance, flüchten über die später zugestiegenen Gäste hinaus, und sitzen bequem im Mercedes Sprinter.
Nach einer kalten Dusche – sie tut so gut! – geht's noch an den See im Telecentru. Nebenan ist das "Nu coruptiei"-(Keine Korruption)-Festival, bei dem die Studenten den Sommer und die bald geschaffte Uni und Schule im Freilufttheater feiern.
Am nächsten Morgen um 4.00 Uhr werden die niederländischen Ecotopia-Organisatoren am Busbahnhof ankommen. Aber das kommt ja alles später. Und ein Bericht über Ecotopia selbst wird sicher interessanter als über die Vorbereitungen...
Deshalb blenden wir den Artikel hier für Euch aus...
Bis bald, Euer Martin :)