Wo ist die Zeit geblieben?
Einen Monat bin ich schon in Norwegen! Ein Bericht über zu viel und zu wenig Freizeit, eine wunderschöne Woche in Selbu/Trondheim, Reisepläne und eine Arbeit, die schon Alltag geworden ist.
Einen Monat bin ich schon hier in Dale i Sunnfjord. Ein Monat, der seine Höhen und Tiefen hatte und sich gar nicht wie ein Monat, sondern eher wie vier, fünf, sechs Monate anfühlt.
Mittlerweile sind wir auch komplett. =) Davit aus Armenien, der vierte Freiwillige hier, hat rechtzeitig zum On-arrival-Training sein Visum bekommen. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit bis wir wieder nur drei Freiwillige sind… aber dazu später mehr.
Seit meinem letzten Bericht ist irgendwie so viel Zeit vergangen, dass ich mich gar nicht mehr richtig erinnern kann, was wir so alles gemacht haben… Aber ich gebe mir Mühe! =)
In den anderthalb Wochen vor unserem On-arrival-Training haben wir unsere Freizeit meist damit verbracht, die verschiedenen Aktivitäten hier in Dale auszuprobieren. Wir waren beim gammeldans in Flekke, beim Aerobic, am Fjord spazieren, bei einem Konzert und einem Quiz in Transplant und bei einem „Theater“ (das eigentlich eher eine Wanderung war... hätten wir das nur vorher gewusst!). Vor allem der gammeldans war echt toll, dort wurden alte norwegische Volkstänze zu Livemusik getanzt. Und man hat einfach mitgemacht, auch wenn man die Schritte nicht wirklich konnte. War aber vor allem deshalb sehr lustig, weil nicht nur alte Leute da waren, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern auch relativ viele Schüler vom United World College. So hat man Leute aus allen Teilen der Welt beim norwegischen Volkstanz getroffen… Argentinien, Tschechien, Togo, Haiti…
Wobei „Freizeit“... naja, also irgendwie komme ich sonst einfach zu nichts, obwohl es oft Momente gibt, in denen wir hier nicht so recht wissen, was wir machen sollen... Aber trotzdem habe ich es noch nicht geschafft allen zu schreiben, mit allen zu skypen und mein Zimmer wartet auch noch auf mich... Und dafür möchte ich mich hier entschuldigen, ich habe euch nicht vergessen! ;)
Am zweiten Wochenende waren wir drei Freiwilligen dann bei meiner Chefin Berit auf ein „Mittagessen“ (bestand aus gaaanz vielen verschiedenen Sorten Knäckebrot -auch selbstgemachtem!- und Käse – wirklich lecker!) eingeladen. Dann sind wir noch zum 2 km entfernten United World College gelaufen und haben den dortigen Freiwilligen einen Besuch abgestattet. Momentan sind dort ein Schotte und ein Italiener.. und eine aus Wales, sie ist aber eine ehemalige Freiwillige und arbeitet dieses Jahr im College.
So, die zweite Woche verging auch ziemlich schnell. Meine Arbeit besteht momentan aus in der Kantine und bei der Open skule helfen und im Deutschunterricht sowohl an „meiner“ als auch an der Ungdomsskule zu assistieren (bald kommt auch noch Englisch dazu). Außerdem kann ich hier am Spanischunterricht teilnehmen, um mein Spanisch etwas aufzufrischen... =) Das ist echt ganz gut, ich habe zwar kaum richtig Zeit, dafür zu lernen, und es ist auch nur eine Doppelstunde die Woche, aber so habe ich wenigstens das Gefühl, dass ich nicht ganz alles von meinen drei Jahren Spanisch in der Schule wieder sofort vergesse.
Dann, am Freitag stand dann das nächste „Highlight“ an: die Ankunft unseres vierten Mitbewohners. War schon komisch, wir drei hatten uns schon irgendwie arrangiert im Haus und nun sollte jemand neues dazu kommen! Ich muss auch gestehen, dass wir alle drei am Anfang, als er ankam, schon dachten „Ohjemine“... aber es war gut, dass kurz darauf das On-arrival-Training anfing, so konnten wir uns in einer „neutralen“ Umgebung etwas besser kennenlernen. Ist irgendwie besser so, als wenn jemand in einen schon „funktionierenden“ Haushalt kommt... und es hat sich herausgestellt, dass er natürlich echt nett ist. =) Auch wenn seine Angewohnheit, ständig anzufangen, die Refrains von verschiedenen Liebesliedern (!) zu singen, mit der Zeit ein bisschen nerven kann :D
Passend zu seiner Ankunft wurde das Wetter zum ersten Mal auch gut! Haben Katarina, Davit und ich am Samstag dann für eine Wanderung zum Telemegaphon genutzt. Wow, das ist eine klasse Aussicht von da oben! Man kann echt bis zum Meer gucken! =) Und dann war auch schon Sonntag, es ging ans Packen fürs On-arrival-Seminar in der Peder-Morset-Folkehøgskole in Selbu, in der Nähe von Trondheim. Nach einer durchs Warten in Bergen sehr langen Reise kamen wir schließlich um halb 2 an und wurden auch schon sehnlichst von der Gruppe Freiwilliger erwartet. So sind wir dann mit etwa 10 anderen Freiwilligen zur Schule gefahren, haben die restlichen der 25 Freiwilligen kennengelernt und unser Lager in - nein, nicht in Zimmern – einem alten Raum („bomba“), der auch als Disko genutzt wird, aufgeschlagen. Alle Mädchen in einem Raum und wir waren viele Mädchen! War aber wider Erwarten gar nicht so schlimm =) Sogar ich konnte gut schlafen, wo ich doch sonst bei dem leisesten Geräusch nicht einschlafen kann. Lag wahrscheinlich daran, dass die Tage der Woche doch auch echt anstrengend waren. Aber nun erstmal von Anfang an. Kurz nach unser Ankunft gab es um 15 Uhr "Dinner" zusammen mit den Schülern der Schule. Folkehøgskolen in Norwegen sind etwas anderes, als man sich vielleicht vorstellt, weil der Name doch sehr nach «Volkshochschule» klingt. Die Folkehøgskolen sind eigentlich für eine Art „Extrajahr“ nach dem eigentlichen Abschluss, keine richtige Schule, also ohne Notendruck, sondern eher eine Möglichkeit, Dinge, die einen interessieren zu vertiefen, z.B. Arbeit mit Medien, Sport etc. „Unsere“ Schule war dahingehen nochmal besonders, weil die Mehrzahl der Schüler geistig behindert waren. War eine tolle Erfahrung, da die meisten echt offen waren, was mich wirklich überrascht hat. Gleich am Anfang, als wir noch etwas unschlüssig vor dem Essensraum standen, kamen mehrere an, haben sich vorgestellt und gefragt wie wir heißen! =) Auf dem Programm des Seminars standen aber leider viele Punkte, die ich schon auf meinem Ausreiseseminar hatte. Und auch der Norwegischunterricht war recht langweilig, weil alle zusammen von ganz vorne angefangen haben, die elementaren Sachen halt. Toll war aber, dass wir drei verschiedene Lieder gelernt haben. „Hurra for deg som fyller ditt år» (ein Geburtstaglied, ok das kannte ich auch schon ;) ), «Snøfnugg» (ein Kinderlied) und «So-ro lille man» (ein Schlaflied)... und die ganze Woche gab es immer irgendwen, der eins von diesen Lieder entweder gesungen, gepfiffen oder ganz einfach einen schrecklichen Ohrwurm davon hatte! =)
Besondere Highlights der Woche waren Donnerstag und Freitag. Donnerstag stand – nach zwei Tagen nur im Haus- ganz im Zeichen der Bewegung! Erst eine Kanutour, dann eine Fjellwanderung, dann ein Konzert des Orchesters und des Chors Pirum der Universität von Trondheim mit anschließender Disco und schließlich noch ein Wasserballmatch im schuleigenen Pool, zu dem wir freien Zugang hatten! War wirklich toll! Vor allem das Konzert war super, der Chor war wirklich anders als alles, was ich bis jetzt gesehen habe... Lässt sich nicht so gut beschreiben, muss man einfach mal sehen! =)
Freitag stand dann ein Ausflug nach Trondheim an. Darauf hatte ich mich schon die ganze Zeit gefreut, weil ich Trondheim unbedingt mal sehen wollte! Hatten dann, nach der Besichtigung des Doms (der für seine gotische Architektur wirklich seltsam dunkel ist), drei Stunden Zeit, Trondheim zu sehen. Leider wussten Camilla, Dejan und ich nicht so ganz, was man sich angucken konnte... und sind dementsprechend etwas planlos herumgelaufen. Auch ein Mann in einem Antiquitäten-Buchladen konnte uns nicht weiterhelfen. Schließlich haben wir bei der alten Brücke ein wirklich niedliches kleines Café gefunden, in dem Camilla und ich fast alle Kuchen durchprobiert haben... :D War aber dann doch noch sehr schön! "Veldig koselig" =) Zurück beim Bus ging es zu einem Restaurant ganz oben in dem Fernsehturm. Man, das war eine Aussicht! Über ganz Trondheim! Und da sich das Restaurant auch noch dreht, konnte man bequem alles sehen, wirklich toll! =) Kann ich wirklich nur empfehlen, wenn man in Trondheim ist! Samstag stand dann noch der Besuch im Museum von Selbu an. Selbu ist nämlich berühmt für seine Strickhandschuhe mit dem typischen Muster... Samstagabend präsentierten wir dann den Schülern der Schule eine Art „Programm“. Wir hatten uns in Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe war ein Land, aus dem Leute beim Seminar dabei waren. Es gab Deutschland, Italien, Polen, Großbritannien und, als Gag für die Schüler, Norwegen. Wir haben uns dann ganz stereotypisch verkleidet und jede Gruppe hat einen kleinen landestypischen Sketch vorgeführt. Später haben die meisten von uns noch zusammen einen Nachtspaziergang bis zu einer Hütte am See gemacht, bei der wir uns hingesetzt und spontan angefangen haben, zusammen in der Dunkelheit zu singen. =) Leider ging die Woche aber viel zu schnell rum! Alle Leute waren einfach echt super nett, ich werde sie vermissen :( Vor allem war es sehr komisch, nach einer Woche umgeben von einer Menge Leuten, zurück in die Stille und Abgeschiedenheit unseres Dörfchens zu kommen. Und als ich am Montag danach wieder zur Arbeit gegangen bin, habe ich gemerkt, dass sie echt schon zum Alltag geworden ist!
Aber lange wird es wahrscheinlich nicht dauern, bis ich ein paar von den Freiwilligen wieder sehe. Übernächste Woche sind hier Herbstferien und ich will sie nutzen, die Freiwilligen in Steinkjer zu besuchen und mit ihnen zur UKA nach Trondheim zu gehen. Das ist ein Studentenfestival über mehrere Wochen... einer vom Chor Pirum, mit dem ich mich an dem einen Abend unterhalten habe, hat mir davon erzählt, und ich glaube, das wäre echt interessant =) Ich hoffe echt, dass das alles so klappt! Leider habe ich nur festgestellt, dass es sehr kompliziert und somit auch sehr teuer ist, von Dale aus auf Reisen zu gehen... Aber irgendwie muss es einfach gehen! =)
So, also noch eine Woche bis zu den Herbstferien. Gestern Abend waren Davit und ich (eigentlich auch Katarina, aber sie ist leider krank geworden) zum Aufpassen bei einer Disco für 14- bis 18-Jährige. Leider ist einfach niemand gekommen! Wie saßen da fast zweieinhalb Stunden in der Hoffnung, es würde doch jemand kommen... Und heute ist die „Bli-kjent-party“ von meiner Schule, da sind wir auch als „Nattugler“. Das heißt, wir müssen draußen aufpassen... Mal sehen, wie das wird.
Heute ist der 1. Oktober, ich bin jetzt wirklich genau einen Monat hier! Und es wird Herbst, das merkt man überall. Besonders schön ist es, wenn mal die Sonne scheint, dann erstrahlt hier alles in herbstlichen Farben! =) Aber eins muss ich sagen, das Klischee vom etwas verschlossenen Norweger stimmt schon... Zumindestens empfinde ich das hier so. Es ist irgendwie echt schwer, Kontakt zu den Leuten hier aufzubauen. Ich meine, klar, man kann schon mit den Leuten reden, aber für mehr als nur ein einmaliges Gespräch reicht es dann doch nicht...
Und irgendwie ist das auch gerade ein bisschen blöd hier im Haus, Camilla, die Freiwillige aus Italien, bricht wohl ihr Projekt ab, es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sie wieder nach Italien geht. Die erste Woche hier war für sie echt hart, sie hat viel geweint, weil das Leben hier wirklich vollkommen anders als ihr Leben in Italien ist. Kulturschock eben... Nun geht es ihr zwar schon besser, aber sie ist sich jetzt sicher, dass sie hier im kleinen Dale nicht für ein Jahr leben kann. Und zusammen mit einer Arbeit, die ihr nicht unbedingt Spaß macht, hat sie sich entschieden, spätestens in etwa drei Wochen ihren EVS abzubrechen... Kann ich auch verstehen, wenn sie sich wirklich sicher ist, dass sie hier nicht bleiben kann... allerdings ist es schon etwas komisch für mich, weil sie diejenige ist, mit der ich mich hier einfach richtig klasse verstehe. Die anderen hier sind zwar auch sehr nett, aber sie ist diejenige, mit der ich echt viel zusammen machen kann... hmm.
Naja, aber mir geht es sonst ganz gut hier! =)
Und ich glaube, es reicht jetzt, dieser Bericht ist irgendwie ein halber Roman geworden... :D
Bis dann, ha det bra!
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