Winteranfang und meine Arbeit Teil II
Der erste Schnee in Moskau und Ergänzungen zum ersten Eintrag.
Der Winter hat angefangen..vorgestern fiel in Moskau der erste Schnee. Große, nasse Schneeflocken, die Moskaus Straßen (voller Unebenheiten, Stufen, Löcher...) in einen rutschigen Untergrund verwandelten - ein Vorgeschmack auf die kommenden Monate. Diese Stadt ist im Winter nicht eben gemütlicher als im Sommer, und für jeden, der schlecht zu Fuß ist, ein Albtraum. Natürlich alles Nebensächlichkeiten, angesichts der unvermeidlichen Freude über den ersten Schnee.
Über die Arbeit im HPZ habe ich ja letztes Mal geschrieben, diesmal kurz zu meinen bei den anderen Tätigkeiten, die in meinem wöchentlichen Stundenplan vertreten sind. Zweimal in der Woche bin ich in einer Flüchtlingsschule tätig und gebe dort Nachhilfeunterricht in Englisch und Deutsch. In die Flüchtlingsschule kommen Menschen von etwa 8 bis 30 Jahren und nehmen dort das Angebot wahr, in Russisch, Englisch, Deutsch, Mathematik,... zusätzlichen kostenlosen Unterricht zu bekommen. Ich unterrichte einen Jungen und ein Mädchen (sie sind Bruder und Schwester) aus Tadschikistan, die mit ihrer Familie schon ein paar Jahre in Moskau leben und hier zur Schule gehen. Der Unterricht macht mir wirklich Spaß, obwohl es eine ziemliche Herausforderung für mich ist, auf Russisch Englisch und Deutsch zu erklären. Dass das Unmögliche irgendwie doch klappt, erkläre ich mir damit, dass ich mich mit den beiden wirklich gut verstehe. Das erleichtert die Verständigung ganz gewaltig. Es ist auch eine ganz lustige Konstellation, in der die Lehrer- und Schülerrolle nicht unbedingt festgelegt ist. Den beiden haben ihren Spaß daran, in die Lehrerrolle zu schlüpfen und mir Russisch beizubringen. Und ich profitiere natürlich auch davon.
Meiner dritten Arbeit gehe ich am Freitag nach: sie heißt Soja und ist eine alte Dame, der ich im Haushalt und beim Einkaufen helfe. Soja ist wie gesagt schon ziemlich alt und wie viele alte Menschen hat sie so ihre Eigenheiten. Das hat schon einige Male zu kleineren Konflikten geführt. Leider hat sie nämlich eine unangenehme Art, mir wegen meiner Sprachdefizite Vorwürfe zu machen und im gleichen Atemzug die Überlegenheit meiner Vorgängerin zu schildern, was Fleiß beim Sprachenlernen/Geschicklichkeit und Schnelligkeit beim Putzen ihres Fußbodens angeht. Da ich genau weiß, dass meine Vorgängerin am Anfang ihres Freiwilligendienstes, an dem ich mich ja noch befinde, noch weniger Russisch konnte als ich, haben mich diese Vorwürfe weniger gekränkt als geärgert, weil sie völlig aus dem Nichts kamen und auf Scheintatsachen basieren, über die Soja überhaupt nichts weiß. Inzwischen habe ich mich schon daran gewöhnt, dass diese irrationalen Vorwürfe jedes Mal, wenn ich sie besuche, irgendwann zum Vorschein kommen, und ich betrachte sie nur noch als Kuriosität und schreibe sie, wie gesagt, den Eigenheiten der alten Dame zu. Es ist auch wirklich sehr sonderbar: wir unterhalten uns eigentlich die ganze Zeit auf Russisch (inzwischen kann ich mich über Alltagsdinge schon einigermaßen verständigen, und auch verstehen), irgendwann verstehe ich etwas nicht - beispielsweise, wenn sie mir erklärt, wie irgendeine russische Spezialität früher irgendwo auf dem Dorf zubereitet wurde - und auf mein Nachfragen kommt irgendetwas in der Art "Das kann ich dir nicht erklären, du verstehst ja kein Russisch", ach ja, und was war in den fünf Minuten vorher???
Abgesehen davon ist Soja aber wirklich kein unangenehmer Mensch. Sie bekocht mich, nachdem ich ihr im Haushalt geholfen habe, und jedes Mal gibt sie mir russische конфети (Süßigkeiten) und Obst mit nach Hause. Das macht den Rest dann auch wieder wett.
Zum Schluss noch etwas zu meiner Fahrt nach Valdaj: vor kurzem bin ich für ein paar Tage aus der lärmigen Metropole Moskau rausgekommen und habe Landluft geschnuppert - zwar war ich nicht unbedingt erholungsbedürftig, aber es tat schon gut, mal aus der Stadt rauszukommen. Mit einigen Leuten vom HPZ war ich für ein paar Tage in Valdaj, wo das HPZ jeden Sommer ein Lager veranstaltet, zu dem Kinder, Eltern, Pädagogen und andere Mitarbeiter des zentrums sich zu einer bunt gemischten, großen Truppe zusammenfinden und auf einem landschaftlich sehr schönen Gelände Urlaub machen. Das Gelände gehört dem HPZ und liegt quasi mitten im Wald. Es gibt einige Holzhütten (sehr gemütlich), in denen im Sommer aber nur das Essen gekocht wird, außerdem gibt es dort notwendige dinge wie dusche und WC. Während des Sommerlagers wohnen alle Leute in Zelten. Bei diesem herbstlichen Besuch natürlich nicht.
Wir waren eine Gruppe von etwa 25 Leuten - Erwachsene, Kinder verschiedenen Alters. Für die Kinder war ein abwechslungsreiches Programm geboten - Malen, Basteln, Fahrradausflüge, Lagerfeuer. und ich durfte daran teilnehmen. Sonst bestanden meine Pflichten höchstens darin, gelegentlich in der Küche zu helfen, also war es wirklich mehr Urlaub als ein Arbeitsauflug. Es war auch eine schöne Gelegenheit, Menschen aus dem HPZ, die ich bisher nur vom Sehen kannte, näher kennenzulernen. Schon jetzt fühle ich mich viel integrierter in diese große Familie, die das HPZ darstellt: jeden Tag freue ich mich, die Leute zu treffen, die ich bereits kenne, aber ich mache auch noch häufig neue Bekanntschaften. Es herrscht eine sehr angenehme Atmosphäre in dieser Organisation. Da es eine sehr besondere Einrichtung ist, sind es auch besondere Menschen, die dort arbeiten. Ich freue mich wirklich, dass ich dort tätig sein kann :)
Einen winterlichen Gruß an Euch alle
Юлия