Wie ich plötzlich ke rui na hieß
Abschied, lange Flugzeiten, Ausländerbonus, Sprachunterricht. So war meine Ankunft auf dem Campus.
Mein letzter Tag in Köln war durchzogen von Abschieden: Nachbarn, Familie, langjährige Bekannte und Freunde. Abends durfte ich nochmal einen Blick auf die Skyline Kölns werfen-mit Sonnenuntergang inklusive. Wenn man weiß, dass man bald geht, nimmt man viele Worte deutlich bewusster wahr. Eigentlich traurig.
Am nächsten Morgen ging es dann frühzeitig zum Flughafen. Wirklich verstanden, dass ich mich gleich von meinen Eltern und meiner besten Freundin verabschieden muss, habe ich nicht. Erst in den Minuten vor der Sicherheitsabsperrung kam der allseits bekannte Abschiedsschmerz und dann ging es alleine weiter. Mich erwarteten 15 Stunden Flug, 11 davon bis zum Stopp in Shanghai. 11 Stunden ohne Schlaf und mit einer Vielzahl an Filmen (davon sogar einer auf Deutsch) und mit einer sehr freundlichen Sitznachbarin, die nach einem Jahr Freiburg wieder zurück in ihr Heimatland flog. Sie erklärte mir: „Auch wenn die Deutschen es nicht wahrhaben wollen: Deutsches Essen ist langweilig und es gibt viel zu häufig Kartoffeln und Wurst“. Sie erzählte mir von einem Restaurantbesuch, bei dem sie etwas ohne Kartoffeln (also auch kein Reibekuchen, keine Pommes etc.) wollte und es schlicht und einfach nichts gab. Nach ein paar interessanten Kultureinblicken ging es in den zweiten Flieger, wo man allerspätestens bewusst wurde: Blondes Haar ist in China wohl eher selten zu sehen...und die Sicherheitsfilme in chinesischen Flugzeugen sind wohl auch etwas anders. Beispiel? Ein kleines Spielzeugauto düst durch den Fußbereich des Flugzeuges. Nein, das geht so nicht! Das Spielzeugauto gehört unter den Vordersitz.
Während des Fluges lernte ich außerdem das allseits beliebte lautstarke Rotzen (entschuldigt, aber man kann es wirklich nicht anders beschreiben) kennen.
Jetzt aber mal zu meinen ersten paar Tagen vor Ort: Der Campus der Nordostuniversität Shenyang ist unfassbar groß, sauber und grün. Toiletten im modernsten Gebäude des Campus: Löcher im Böden, daneben ein Mülleimer. Ungewöhnlichster Anblick: Das militärische Training der chinesischen Neulinge an der Uni, mit inbegriffen sind dabei Marschieren, Einheitsuniform, gemeinsames Singen einer Hymne, Salutieren und Liegestütze als Strafe bei Fehlern.Von einer Soldatin wurde ich natürlich auch direkt heimlich fotografiert; vielleicht war mein Anblick so neu für sie wie das militärische Training für mich.
Zu den wahrscheinlich häufigsten Fragen:
-Wie ist der Sprachkurs? Ist Chinesisch schwer?
Im Sprachkurs sind circa 15 Studenten mit unterschiedlicher Nationalität. Ich habe drei Fächer: Hören, Sprechen, Verstehen. Während des ersten Monats sprechen die Lehrerinnen noch Englisch, danach nur noch Chinesisch. Jeden Tag, vormittags oder nachmittags, sind zwei Fächer dran. Chinesisch zu lernen ist anspruchsvoll, weil das Sprechen einen ganz anderen Anspruch an Selbstkontrolle bedarf als Deutsch. Ich werde also sehr viel privat üben müssen, zusätzlich zu den kleinen Hausaufgaben. Zuerst lernen wir die Aussprache und Grammatik. Pinyin (chinesische Lautsprache mit uns bekannten Buchstaben) unterscheidet sich in der Aussprache nur wenig vom Deutschen. Hinzu kommen die vier unterschiedlichen Betonungsmöglichkeiten, die für die Bedeutung des Wortes/der Silbe mitverantwortlich sind. Nach ein paar Wochen werden wir dann auch mit der chinesischen Schrift bekannt gemacht.
-Wie ist meine Unterkunft?
Ich wohne im Wohnheim für internationale Studenten, (vorerst) alleine in einem Doppelzimmer. Schreibtisch, Bett, Kleiderschrank, toller Ausblick auf beeindruckende Hochhäuser, Kühlschrank, eine Kochplatte, kleine Ablagefläche, gefliestes Bad mit Waschbecken, westlicher Toilette, verkalktem Duschkopf, Loch im Boden als Abfluss, kein Duschvorhang. Ich denke damit lässt es sich gut aushalten. Wenn ich morgen noch einen Wasserkocher und einen Topf besorge, um mir westliches Essen und verdrecktes Wasser (ab)zu kochen, bin ich zufrieden.
-Wie sind meine Kollegen, Mitschüler?
Alle sind sehr freundlich, offen und sehr hilfsbereit. Mein Blondinen-Ausländerin-Frauen-Hellhäutigkeits-und-Jungheits-Bonus nervt allerdings jetzt schon etwas. Klar ist es hilfreich, wenn man die Menschenschlange aus zwanzig Personen vor der Bank umgehen kann und schneller drankommt. Für den Moment hilft mir mein Bonus sehr, ohne die Hilfe würde ich hier nicht weitkommen, aber "mein emanzipierendes Herz blutet".
-Was sind meine Pläne für die nächste Woche und das Wochenende?
Meine Kücheneinrichtung vervollständigen, das Klavier auf dem Campus entdecken, noch mehr großartiges Essen probieren, Reinigungsmittel für das Bad kaufen, mich endlich auf dem Campus zurecht finden, Übungshefte zum Zeichnen chinesischer Schriftzeichen kaufen, mal mutig alleine den Campus verlassen und mit meiner Arbeit beginnen. Zusammengefasst: Ich will ankommen und produktiv sein.
Mein chinesischer Name, der mir bei der Einschreibung gegeben wurde, lautet übrigens ke rui na. Die Betonungsstriche kann ich am Computer leider nicht ergänzen. Meinen Name auf Chinesisch zu schreiben übe ich zur Zeit noch. Tja, so schnell kommen neue Herausforderungen auf mich zu.
Bilder folgen.
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