Werwolfgeschichten
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die australische Künstlerin Jazmina Cininas mit Legenden über weibliche Werwölfe, von denen man nirgendwo mehr finden kann als in Estland.
Hinter diesem furchteinflößenden Thema verbirgt sich jedoch eine sehr sympathische Australierin, die ich bei ihrem „Artist Dinner“ näher kennenlernen durfte. Teil des „Artist in Residence“ Programms des Museums ist es zu einem landestypischen Abendessen einzuladen und eine Präsentation über sein Werk zu halten. Der Vortrag, der von mittelalterlichen Verurteilungen von Frauen über Rotkäppchen bis zu modernen Superheldinnen mit Wolfsavatare reicht, endet in einer Diskussion über die mangelhafte Werwolf Figur in Twilight. Wenn ich jetzt im Atelier sitze und selber einen Linolschnitt mache, erfahre ich von Jazmina noch mehr über ihre Kunstwerke, die nämlich auch technisch sehr raffiniert sind. Mittlerweile ist sie bei dem neunten Stadium ihres Linolschnitts angekommen und schnitzt 0.6 mm feine Details in die Linolplatte. Ich kann es sehr genießen in dieser sehr konzentrierten Atmosphäre und mit der Ausstattung eines Museums für Drucktechnik zu arbeiten. Für mein erstes Motiv ist meine Wahl auf einen Blauwal gefallen, den ich mit Aceton im Handumdrehen, von dem Ausdruck auf meine Linolplatte übertragen konnte. Die Möglichkeiten neue Techniken zu lernen und verschiedenen Produkte herzustellen scheinen unendlich zu sein. Allerdings ist es auch schön, In die Rolle der Lehrerin zu wechseln und Mona, die vor einer Woche angekommen ist, alles zu zeigen, was ich bereits gelernt habe.
Der wichtigste Teil meines EVS Projektes besteht jedoch darin eine Brücke zwischen der Kunstschule und dem Museum herzustellen. Während eines Ausfluges zu einem estnischen Schloss und dem Peeipussee, einer von russischsprachigen und stark gläubigen Bevölkerung geprägten Gegend habe ich die Schüler kennengelernt. Die Kunstschüler lernen Grafikdesign, Stylist oder 3D Animation und haben großes Interesse daran mehr über Werwölfe zu erfahren. Unser konkretes Projekt ist es nämlich zunächst die „Artist in Residence“ in die Kunstschule zu bringen und mit den Schülern über ihr Werk und Technik zu reden. Die Kunstschule selber ist ein sehr helles Gebäude mit großen Ateliers, die förmlich dazu einladen, sich in ihnen auszuprobieren und die vielen Materialien zu nutzen. Außerdem gestalten die Schüler ihre Aufenthaltsräume selber und es entsteht eine sehr kreative und lockere Atmosphäre.
Neben den vielen Ereignissen auf meiner Arbeit haben jedoch in der vergangenen Woche auch die Studententage stattgefunden, in der Studentenstadt Tartu ziemlich spektakulär waren. In dem Buchladen Fahrenheit 451 wurden Studenten dazu eingeladen ihre Texte oder Lieder vorzutragen. Die Wände voller Bücher und der Boden voller Kissen haben eine sehr schöne Stimmung erzeugt und ich habe zum ersten Mal estnische Lieder gehört. Gleichzeitig fand die Ausstellungeröffnung von Kiwa statt, die ich mit Salme aufgebaut habe und jedes Werk mit dem Lineal in die richtige Höhe gebracht habe. Anstatt die Werke richtig zu würdigen, nahm ich also vor allem die Position der Rahmen wahr. Wieder einmal haben wir Bananenkartons voller Bücher zerstört und ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass wir jemals damit fertig werden. Allerding entstehen beim Bücher zerreißen die interessantesten Gespräche und ich habe die Geschichte hinter dem Buchladen Fahrenheit 451 erfahren. An einem anderen Tag fand ein „Kissen-Kino“ statt, dass den Eindruck von einer Pyjama Party für alle Studenten Tartus machte. Den Film haben wir beim besten Willen nicht verstanden aber mit Zimtschnecken, Popcorn und unseren Kissen hatten wir trotzdem einen sehr gemütlichen Abend. Im Museum fand eine „Notebook factory“ statt, bei dem Studenten sich ihr ganz persönliches Notebook zusammenstellen konnten und dem Anschein nach viel Spaß hatten. Ein paar der Studenten kannte ich schon und andere habe ich kennengelernt. Es war sehr schön mit den Besuchern in Kontakt zu kommen und bei so einem Event eine Aufgabe übernehmen zu können anstatt nur daneben zu stehen. Zuletzt haben wir, bei strahlenden Sonnenschein, den Flohmarkt der Kunststudenten besucht und deren selbst gemachtes Sushi gegessen. Heute Abend wird noch die Uferpromenade zum fulminanten Abschluss der Studententage in eine Partymeile verwandelt. Zwischen so viel Programm saßen wir aber auch drei Stunden im Waschsalon von Romaras Studentenwohnheim und haben uns mit den rein- und rausgehenden Erasmus Studenten unterhalten während wir auf die Wäsche gewartet haben.
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