Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön!
2012 in Olomouc - Erfahrt, was ich bisher erlebt habe :-)!
Ahoj meine Lieben!
Es ist schon sehr lange her, dass Ihr von mir gehört habt. Das soll jetzt aber sofort nachgeholt werden!
Vieles gibt es zu erzählen…
Fangen wir mit der vielleicht unwichtigsten Sache an: dem Wetter…
Ja, es ist endlich Sommer in Olomouc! Die ganze Woche scheint die Sonne schon aus allen Knopflöchern. Und ich kann nur sagen: Ich liebe Olomouc bei diesem Wetter! Überall im Zentrum der Stadt stehen nun Bänke, bevölkert von Menschen die Eis schlecken oder einfach nur die Sonne genießen. Die Parks laden zum flanieren, Picknicken, faulenzen und Sonnenbaden ein. Die Stadt kommt mir wirklich belebt vor, es scheint auch die Städter nach und nach aus ihren Wohnungen ins Freie zu ziehen.
Im Moment kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich hier im Februar bei Temperaturen bis zu -20 Grad gefroren habe. Und dass der einzige Ort, wo man hin wollte, „drinnen“ war. Nein, „drinnen“ bin ich jetzt gar nicht mehr gern. Mein Zimmer ist eigentlich schon mehr zur reinen Schlafstätte geworden, es zieht mich einfach nach draußen. Naja, der nächste Regenschauer kommt bestimmt… irgendwann… hoffentlich nicht so bald :-)!
Heute war der erste Mai. Auch in Tschechien ein Feiertag, aber ich habe mich trotzdem entschieden zu arbeiten. Mit meiner „Dienstagsklientin“ gehe ich immer ein schönes Stück spazieren, dann in ein Café und schließlich wieder zurück. Es wäre wirklich zu schade gewesen, das bei diesem wunderschönen Wetter ausfallen zu lassen.
Normalerweise nimmt sie immer zwei Krücken, das Laufen geht halt nicht mehr so gut. Doch heute gab es eine Überraschung: „Wissen sie was, Verena, ich nehme heute nur meinen Stock, das muss genügen, die Krücken sind doch immer nur im Weg!“ Ich war zugegebenermaßen ein wenig besorgt bei dieser Aussage, schließlich fehlt ihr doch manchmal das Gleichgewicht. Was jetzt? „Frau V., nehmen sie lieber die Krücken, nicht dass Sie umfallen“. Nein, das kannst du nicht machen, schließlich ist sie eine erwachsene Frau, sie muss selbst wissen was sie tut. Aber: Wenn etwas passiert beim Spaziergang?
So ziehen wir los, eine etwas besorgte Freiwillige und eine vielleicht übermütige alte Dame…
Zwei Stunden später: Wir kommen zurück, Frau V setzt sich, strahlt mich an und sagt: „Verena, ich bin so glücklich wenn ich mit Ihnen spazieren gehen kann. Die frische Luft und die Leute im Café, das brauche ich, jetzt bin ich glücklich!“. „Ja, Frau V., auch ich bin glücklich!“.
Seit ich Frau V., die lange Zeit wegen Krankheit im Bett liegen musste, besuche, ist es ihr Wunsch, endlich ohne Krücken das Haus zu verlassen. Heute hat sie es geschafft! Diese strahlenden Augen, dazu ihre Worte, das sind einfach unbezahlbare Momente! Sie machen mich wirklich glücklich, und ich sehe dass meine Arbeit einen Sinn macht und ich gebraucht werde!
Dieser ist aber nicht der einzige Moment, in dem mich die Arbeit wirklich glücklich macht. Es gibt noch viele mehrere:
Frau St., die mir um den Hals fällt, weil ich ihre Fenster geputzt habe. Sich dabei leider das Kreuz verrenkt, weil ich größer bin als sie und sie die Arme eigentlich nicht so weit hochstrecken kann. Trotz Schmerzen können wir beide sehr herzlich darüber lachen.
Herr F., der sich wohl mal wieder nach einem Kompliment von einer Frau sehnt: „Herr F., sie sind wirklich ein schöner Mann!“. „Danke Verena, jetzt werde ich die ganze Woche glücklich sein!“. Sagt das doch selten eine 19jährige zu einem 85jährigen, aber wir lachen beide sehr darüber und wissen schon, dass es nicht so ernst gemeint ist ;-).
Manchmal bringt mich die Arbeit aber doch an meine Grenzen.
Als ich einen Montag im März Herrn P. besuchte, war nichts mehr wie vorher. Ich freute mich wirklich immer sehr auf die Besuche bei Herrn P., er kochte für mich, wir unterhielten uns sehr gut, lachten viel zusammen und leerten mindestens eine Flasche Wein.
Schon als er die Tür aufmacht, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. „Veri, es geht mir nicht gut, seit gestern Abend habe ich Fieber. Kommen Sie rein, sie werden heute meine Krankenschwester sein.“ Ja, und da sitze ich. Herr P. liegt auf der Couch, erklärt mir noch, unter welcher Nummer der Notdienst zu erreichen ist und was ich auf Tschechisch sagen muss. Als ob ich mir das jetzt merken könnte! Mir schießen tausende Gedanken durch den Kopf: Was, wenn wirklich etwas Schlimmes passiert?
So verbringen wir den Tag im Wohnzimmer, Herr P. ist immer noch sehr redselig, was ich eigentlich als gutes Zeichen werte. Ich denke, dass es eine gute Sache ist ihn abzulenken, und so reden wir ziemlich lange über dies und das, eigentlich wie immer. Doch das Fieberthermometer bleibt konsequent: 38,5…
„Veri, meine Frau, hätte am Sonntag Geburtstag und Namenstag. Glauben Sie, sie holt mich dazu zu ihr?“. Bis zu dieser Frage war die Situation erträglich aber jetzt? Was sagt man darauf? Mir fehlen die Worte… „Nein, nein, Herr P., soweit ist es noch nicht“, höre ich mich selbst sagen. Und muss zugeben, dass es nicht überzeugend klingt. Und alles, was ich bisher noch irgendwie geschafft habe zu verdrängen, bricht über mich herein.
Ja, er ist 85 und kein Mensch lebt ewig. Scheinbar grundloses Fieber in diesem Alter, das kann nichts Gutes bedeuten. Nein, lieber Gott, bitte lass ihn noch nicht sterben, ich hab ihn doch so gern!
Ja, ich habe ihn wirklich gerne und diese Situation zeigt mir unmissverständlich auf, wie sehr mir meine Klienten doch ans Herz gewachsen sind. Es ist eben doch nicht einfach nur Arbeitsverhältnis. Doch wie weit geht dieses Verhältnis? Herr P., hat keine Kinder, keine sonstigen Verwandten in Olomouc, keiner der sich um ihn kümmert. Keinen, außer dir, Veri!
Schließlich wird es abends und ich bin nervlich ziemlich am Ende. Eigentlich kannst du ihn nicht allein lassen in dem Zustand. Andererseits kannst du nicht hier übernachten. Schließlich verlasse ich die Wohnung mit den Worten: „Ich rufe sie morgen sofort an, und frage, wie es ihnen geht!“. „Ja Veri, Sie sind ein gutes Mädchen, ich danke Ihnen“.
Ich stehe an der Bushaltestelle, die frische Luft tut gut. Zu Hause angekommen, bin ich doch sehr über mich selbst erstaunt, wie ich mit der Situation zurechtkomme, ich kann meinen „beruflichen“ Alltag wohl sehr gut vom Privaten trennen. Ich werte es nicht als Gefühlslosigkeit, sondern als enormen Vorteil bei meinem Dienst.
Ich löse mein Versprechen ein und rufe sofort am nächsten Morgen an. Es geht ihm nicht viel besser, und so biete ich ihm an, am folgenden Tag mit ihm zum Arzt zu gehen.“Nein Veri, ich gehe am Freitag!“. „Herr P., am Freitag kann ich nicht!“. „Nein Veri, ich gehe am Freitag, das schaffe ich schon“.
Bei so viel Sturheit ärgere ich mich schon fast ein bisschen über ihn, habe ich gestern so viel auf mich genommen und nun so eine Sturheit!
Veri, so darfst du das nicht sehen, er ist alt und noch dazu krank. Ja genau, er ist krank und braucht jemanden, der sich um ihn kümmert! Aber ich bin eben doch nicht in der Position, ihn zu zwingen zum Arzt zu gehen. Wenn ihm aber was passiert?
Meine Gedanken sind ein einziges Hin- und Her, ich bin froh dass meine weitere Arbeit mich ablenkt. Donnerstag der zweite Anruf: „Veri, es geht mir immer noch nicht besser, morgen gehe ich zum Arzt“. „Ja, machen Sie das!“…
Das Wochenende entführte mich in eine andere Welt. Ich hatte mich entschlossen, an diesem Wochenende nach Hause zu fahren, um an meiner ehemaligen Schule wie bisher jedes Jahr bei der „Nacht der Begegnung“ mitzuhelfen. Mal wieder etwas ganz anderes, sich um Jüngere kümmern statt um Alte. Es war wirklich schön, ein erfreuliches Wiedersehen mit ehemaligen Lehrern und Mitschülern.
Samstag bin ich dann endlich mal wieder, wie Jahre lang zuvor, Reiten gegangen. Einfach wunderbar! Sonntagmorgen ging es schon wieder los, gemeinsam mit einer guten Freundin fuhr ich zurück nach Prag. Ein schöner Tag und eine schöner Abend! Das Wetter spielte leider nicht ganz mit, aber wir liefen im Regen über eine fast menschenlose (!) Karlsbrücke, wer hat das schon ;-)?
Montag hatte ich versprochen, kurz im Büro von „Živá paměť“ vorbeizuschauen, um dort eine kleine Halbjahresbilanz meiner Klienten abzugeben. Wir sprachen nach und nach alle durch, bis wir bei Herrn P., landeten. „Ja, also ich weiß auch nicht so genau, letzte Woche ging es ihm gar nicht gut. Ich wollte mit ihn zu Arzt gehen, aber er wollte nicht…“. „Du klingst besorgt, hast Du Angst?“. „Naja, wer weiß was übers Wochenende alles passiert sein kann“.
Und „Plopp“, da war er zurück in meinem Kopf.
Den Tag genossen wir noch in Prag, abends schließlich im Zug nach Olomouc, rief ich ihn an. „Ja Veri, ich bin im Krankenhaus. Schon seit Freitag. Es geht mir gar nicht gut“.
„Herr P., ich werde Sie besuchen“. Eigentlich spürte ich in diesem Moment eine große Erleichterung. Dass er im Krankenhaus ist, bedeutet zwar gesundheitlich nichts Gutes, aber wenigstens gibt es dort Leute die sich um ihn kümmern…
Ich hielt Wort, am Mittwoch machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus. Durchaus mit einem flauen Gefühl im Magen, wusste ich doch gar nicht so wirklich, was mich erwarten würde. Wie wird es ihm gehen? Werde ich ihn überhaupt finden?
Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln an das Krankenhaus, in Olomouc "Fakultní nemocnice" genannt, ist schon mal eine Katastrophe. So irrte ich erst einmal ein wenig planlos umher, eine Klientin hatte mir notdürftig den Weg beschrieben. Schließlich fand ich es und irrte nun weiter zwischen den vielen Häusern umher. Die „Plicní Klinika“ sollte ich suchen, so viel wusste ich noch. Auch diese habe ich dann gefunden, erst auf dem Plan, dann in Wirklichkeit. Ich stand nun davor: „Nein, hier liegt sicher kein Patient“ dachte ich mir und wendete mich von der Baustelle ab. Anscheinend wird die „Plicní Klinika“ wegen Renovierung gerade irgendwo ausgelagert sein. Wie sollte ich das nur finden? Es blieb mir nichts anderes, als bei der Information zu fragen.
Eigentlich war ich mir sicher, dass ich die Wegbeschreibung auf Tschechisch entweder nicht verstehen oder mir sowieso nicht merken könnte.
„Hledám pan P.“ sagte ich zu der Dame hinterm Tresen und outete mich erst mal als Ausländerin, da ich gerade unfähig war, den richtigen Akkusativ von „pan P.“ zu bilden. Ein wenig verdutzt blickte mich die Dame doch an, aber sie tippte etwas in den Computer und fragte: „P., Frantisek?“ „Ano“.
Ich bin der Dame wirklich dankbar, anstatt mir auf tausend Umwegen irgendwie versuchen den Weg zu erklären, stand sie auf und gab mir das Zeichen, dass ich ihr folgen sollte. Das hätte ich nicht erwartet und war wirklich positiv überrascht, sie begleitete mich persönlich zu dem Gebäude.
Ja, und was das für ein Gebäude war, ich war zuvor schon am richtigen Platz gewesen, sie ging schnurstracks auf das Gebäude, das eine Baustelle war, zu und hinein. Hier bei diesem Krach und Lärm liegen Patienten? Das Erdgeschoss glich einer Höhle aus Geröll, Schutt und Müll. Ich war schockiert! Wir stiegen in den vierten Stock (Aufzug nur für Patienten!) und ja, hier ähnelte es dann schon ein bisschen mehr einem Krankenhaus. Die Schwester übergab mich dort ans Personal und diese führten mich in das passende Zimmer.
Und da liegt er. In einem Zimmer so eng mit zwei anderen Leuten, dass ich nicht einmal den Stuhl neben das Bett stellen kann. Er spricht leise und undeutlich, kriegt fast keine Luft, aber er freut sich dass ich da bin. Ich weiß gar nicht was ich so sagen soll. In seinem Zustand versteht er fast kein Deutsch, aber auch mein Tschechisch nicht. So stehe ich nur schweigend da und halte seine Hand.
Nach einer Viertelstunde verabschiede ich mich, mit Tränen in den Augen. „Veri, sie sind ein gutes Mädchen“. Für mehr reicht die Luft nicht…
Inzwischen geht es Herrn P. zum Glück schon wieder ein wenig besser, er ist nun in einem Lungensanatorium. Eigentlich hätte ich ihn dort gerne besucht, aber öffentlich Verkehrsmittel dorthin – Fehlanzeige!
Ich telefoniere nun oftmals mit ihm, wir unterhalten uns ganz gut, aber man merkt dass er furchtbar traurig ist. Ich versuche ihn ein wenig aufzuheitern, ab und zu gelingt es mir. Aber es ist trotzdem traurig für mich, dass ich so wenig für ihn tun kann.
Ich hoffe bei ihm auf ein ähnliches Ereignis wie bei Frau V., dass es aufwärts geht und auch er wieder durch Olomouc spazieren kann und sagen kann: „Jetzt bin ich glücklich!“…
Auch sonst gibt es noch einige Dinge, über die ich berichten möchte.
Gleich am zweiten Januarwochenende verließ ich Olomouc schon wieder. Das Wochenendseminar stand an, als Ort dafür wurde Terezín gewählt. Es war wirklich schön, dass wir Freiwilligen uns alle mal wieder sahen und wir verbrachten lustige Abende gemeinsam. Die Tage waren neben ein paar organisatorischen Dingen hauptsächlich der Geschichte Terezíns gewidmet. Sehr interessant, da ich zugegebenermaßen über das Ghetto Theresienstadt bisher wenig wusste.
Und dann kam die Kälte. Ende Januar fiel das Thermometer mehr oder weniger schlagartig auf -15 Grad, eine Bewegung nach oben nicht zu beobachten, wenn schon, dann noch weiter nach unten.
Sobald man ins Freie trat, wollte man nur noch eines: So schnell wie möglich wieder ins Warme! Meine Arbeit scheuchte mich aber in dieser Jahreszeit besonders viel nach draußen, zu meinen Hauptaufgaben gehörte das Einkaufen für Klienten, da sie natürlich bei diesen Temperaturen erst recht nicht vor die Tür gehen können. Wenn ich von meinen Touren zurückkam wurde ich meistens sehr dankbar empfangen – und mit einem Wein oder Tee mit Rum wieder aufgetaut.
Am ersten Februarwochenende führte der Weg mal wieder in die Hauptstadt. Ein Gottesdienst in der Kirche „Martin in der Mauer“ („U Martina ve zdi“) stand an, aus Anlass des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Das Thema lautete „Proti proudu. O odvaze, paměti a demokracii - Gegen den Strom. Über Mut, Erinnerung, Demokratie“ und sollte über die Arbeit von ASF, insbesondere über die Sommerlager, die zur Zeit des Kommunismus auch in Tschechien kleine „Inseln der Freiheit“ waren, informieren.
Es war ein wirklich schöner Gottesdienst, gehalten in zwei Sprachen, Deutsch und Tschechisch, was ihn aber natürlich sehr in die Länge zog. Bei den derzeitigen Temperaturen wirklich keine Freude! Auch wenn wir alle möglichst viele Schichten übereinander gezogen hatte, gegen Ende waren wir wohl fast alle Eisklötze. Aber nein, ganz das Ende hatten wir noch nicht ganz erreicht. Viele der Anwesenden stellten uns interessiert Fragen über unsere Arbeit und es entstanden einige nette Gespräche – immerhin gab es jetzt warmen Tee dazu!
Auch kann ich nun von mir behaupten, einmal in der Olmützer Palacký-Universität gesprochen zu haben. Am 6. Februar wurde dort die „Tandem-Homepage“ für die neuen Erasmus-Studenten vorgestellt werden. Eine Mitbegründerin dieser Homepage schrieb mir, ob ich nicht Lust hätte, ein paar Worte an die Erasmus-Studenten zu richten, damit diese sich auch Tandem-Partner zum Tschechisch lernen suchen. Ob es geholfen hat, weiß ich nicht, aber es war eine tolle Erfahrung!
Ende Februar, nachdem der Kälteschub mit -20 Grad Celsius täglich vorbei war, machte ich mich auf den Weg nach Brünn um meine beiden Kolleginnen dort zu besuchen.
Wir schworen uns noch zuvor, eine Strandparty zu veranstalten, sollte es über null Grad haben. Daraus wurde leider nichts, aber es war trotzdem ein wirklich schönes Wochenende, auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielte.
Samstag kam ich noch in den Genuss einiger Sehenswürdigkeiten wie „Hrad Špilberk“ (Festung Spielberg) und auch der neuen Brünner Aposteluhr, die, sagen wir, eine interessante Form hat ;-). Sonntag gab es leider Schneesturm. Im Sommer werde ich wohl nochmal nach Brünn fahren…
Der März war geprägt von Besuchen. Insgesamt vier Freundinnen durfte ich hier begrüßen. Es war wirklich eine tolle Zeit mit Euch! Schön, dass ihr Euch in das so weit entfernte und unbekannte Tschechien gewagt habt! Und das ich Euch für die Schönheit meiner derzeitigen Heimat, die kulinarischen Köstlichkeiten und die tschechische Lebensart begeistern konnte ;-)!!
Ein Wochenende, an dem ich im März mal keinen Besuch hatte, verbrachte ich mit vier Mitfreiwilligen in Bratislava. Wirklich ein supertolles und gelungenes Wochenende.
Bratislava hat seinen eigenen Charme, man muss es einfach gern haben. Es ist teilweise ein klein wenig heruntergekommen, aber die Altstadt ist schön hergerichtet und lädt zum Bummeln ein. Am Samstag früh genossen wir in wunderschöner Frühlingssonne ein Frühstück am Donaustrand, herrlich! Nachmittags bekamen wir im Rahmen einer Free-Tour auf kurzweilige Art die Sehenswürdigkeiten zu sehen und erfuhren einiges über die Geschichte der Slowakei. Abends genossen wir das wir das Nachtleben, über das wir uns dank unserer Tschechischkenntnisse bei Einheimischen informiert hatten. Und für die Münchner (oder eventuell auch für andere) unter Euch sicher unvorstellbar ;-), es gab Bier für einen 1 €!
Und kaum hatten wir unser geliebtes neues Heimatland verlassen, merkte man sofort, wie tschechisch wir doch im Herzen schon geworden sind. Hierzu diese kleine Episode:
Die Fremdenführerin erzählte über die Slowakei zu Zeit des Nationalsozialismus, in der sie sich, nur um selbstständig zu werden, mit Hitler verbündete. Nach dem Krieg hätten natürlich Reparationszahlungen angestanden, die die Slowakei aber wohlweißlich zu vermeiden wusste: Sie verbündete sich bekanntermaßen wieder mit Tschechien, so entstand ein neuer Staat und die Slowakei musste nicht bezahlen. Wir darauf beinahe im Chor: „Also wirklich, diese Slowaken! Erst machen sie alles, um unabhängig zu werden, und dann kommen sie wieder angekrochen!“.
Ostern verbrachte ich ein paar schöne Tage zu Hause. Die Tschechen hatten mich mit ihrer Tradition zu Ostermontag doch ein wenig abgeschreckt ;-). Männer ziehen von Haus zu Haus und schlagen Frauen und Mädchen mit Ruten. Dem wollte ich dann doch entgehen. Allerdings garantiert diese heidnische Tradition der Frau Schönheit, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Das ist mir aber somit leider auch entgangen, aber ich hoffe ich kann das entbehren ;-).
Wenn wir hier schon über einen christlichen Feiertag sprechen, noch ein paar Worte zur Gläubigkeit der Menschen in Tschechien, oder vielleicht konkreter hier in Olomouc.
Seit Aschermittwoch gehe ich regelmäßig jeden Mittwochabend in die Kirche „Panny Marie Sněžné“ („Maria Schnee“), dort findet ein Gottesdienst für Studenten statt. Als ich das erste Mal dort war, dachte ich wirklich, es haut mich wirklich vom Stuhl. Die ganze Kirche war voll! Voller junger Leute! Nicht zu merken, dass ich mich im vielleicht „atheistischsten“ Land der Welt befinde! Ich sagte schon scherzhaft: „Ich bin in Tschechien, da erwarte ich eine leere Kirche“.
Der Gottesdienst ist wirklich immer sehr schön, musikalisch untermalt von einem Studentenchor und ich versuche, wenn es geht, auf Tschechisch mitzusingen.
Vom Gesprochen verstehe ich meist nicht so viel. Das Evangelium lässt sich oft ganz einfach nachvollziehen, wenn einige Begriffe oder Namen fallen, kann man schon daraus erraten, um welche Geschichte es sich handelt, weil ich sie ja doch meistens auf Deutsch kenne.
Bei der Predigt kommt es ganz auf das Thema an, manchmal verstehe ich sehr viel, aber auch manchmal gar nichts.
Aber die Atmosphäre macht es aus im Gottesdienst, da ist es eigentlich egal wie viel man versteht!
Zudem bin ich durch die Kirche noch zu vielen weiteren Veranstaltungen gekommen.
Am 3. April wurde „Pašijové hry“ aufgeführt, also die Passion Christi. Wirklich eine gelungene Aufführung mit ein wenig Humor und schöner Musik.
Erst letzten Mittwoch gab es nach dem Gottesdienst ein Konzert des Kirchenchores, wirklich genial!!!!
Und nicht zu vergessen, der „Ples VKH“, für den immer nach der Kirche Karten verkauft wurden und ich glücklicherweise doch zugeschlagen habe. Somit habe ich nun auch mal auf einem tschechischen Ball getanzt :-)! Das war sicher einer meiner besten Abende in Olomouc! Gute Livemusik, guter Wein, viele nette Leute. Und ich habe das erste Mal in meinem Leben Polka getanzt ;-)…
Wir ihr wohl merkt, fühle mich inzwischen in Olomouc so aufgehoben und glücklich, dass ich eigentlich gar nicht mehr weg will. Es kommt so oft vor, dass ich mir wünsche die Zeit anzuhalten und nur diesen einen Moment für immer festzuhalten, weil er mich so glücklich macht.
Das können ganz unterschiedliche Momente sein:
Schöne Erlebnisse mit meinen Klienten, wie oben beschrieben.
Wenn ich mit meiner Tandem-Partnerin in der Teestube sitze und wir uns über unsere Fehler in der jeweiligen Fremdsprache fast totlachen.
Wenn ich mit Tschechen abends in einer Kneipe sitze, mich schon auf Tschechisch mit ihnen unterhalte und mich einfach schon so fühle, als würde ich dazugehören. Und mir dann noch gesagt wird, dass ich schon sehr gut Tschechisch spreche ;-)…
Wenn ich, die ich ja eigentlich die Fremde hier in Olomouc bin, schon andauernd Bekannte auf der Straße treffe und sie mich sehr freundlich, auch gerne mit ein paar deutschen Worten, grüßen…
Ja, wenn das so ist, dann denke ich mir immer, „Wo bitte ist der Freeze-Button?“ oder um es schöner mit Goethes Worten auszudrücken, dann „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, Du bist so schön!“
Aber wie das eben ist, der Augenblick verweilt leider nicht. Ich darf einfach nicht daran denken, dass das ganze schon in vier Monaten vorbei ist. Und nein, ich tue das auch nicht!!!!!
Bis dahin… Mejte se hezký!
Eure Verena
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