Wenn man sich dann eingelebt hat...
Nach zwei Monaten Schottland hat Trine sich so gut akklimatisiert, dass sie schon fast eine halbe Schottin ist. Jedenfalls, was das Geheimnis der Zubereitung eines guten Porridges betrifft, und das ist ja schon die halbe Miete.
Wow… Nun bin ich wirklich schon zwei Monate hier, zumindest fast. Und ich glaub, ich hab echt schon verdammt viel gelernt in der Zeit. Also zumindest weiß ich jetzt, wie zur Hölle man guten Porridge kocht. Nachdem ich zwei Morgen hintereinander verdammt böse angeschaut wurde, für diesen „Mist“, den ich so fabriziert hatte und fälschlicherweise als Porridge bezeichnet hab... Ich musste schmerzlich erfahren, dass es eine echte Kunst ist, Porridge zu kochen. Dabei besteht er eigentlich nur aus Milch, Wasser und „Oats“ (Haferflocken), also was kann man falsch machen... Nun, es muss eben die „richtige“ Menge Oats sein. Und die zu finden ist wirklich nicht einfach... Aber ich habe nach einigen Versuchen dann tatsächlich neulich morgen den Test bestanden und bin nun anerkannter Porridge-cooker – ob ich dass in meinem Lebenslauf erwähnen sollte?
Naja, was hab ich sonst gemacht... Wir haben neue Schichten, was bedeutet, dass ich nun höchstens zehn Stunden arbeite und das auch nur, wenn ich „on suppers“ bin, was maximal drei Mal in zwei Wochen vorkommt. Ansonsten arbeiten wir nun immer von 8.00 am bis 5.00 pm oder von 9.00 am bis 6.00 pm und die „suppers shift“ ist verkürzt worden auf 12.00 noon bis 10.00 pm anstelle von 12 noon bis 11.00 pm – das ist zwar nur eine Stunde, aber es macht doch einen deutlichen Unterschied. Die neuen Schichten bedeuten außerdem, dass man nicht mehr an allen drei Mahlzeiten teilnehmen muss, was besonders für mich sehr erholsam ist, da ich mir keine Ausreden mehr fürs Lunch einfallen lassen muss, wenn ich weiß, dass ich kein Dinner essen muss, oder kein Frühstück hatte. Die drei sehr vollwertigen Mahlzeiten waren definitiv zu viel für mich.
Außerdem hatte ich sogar einmal das Vergnügen, im Tageslicht die Arbeit zu beenden und tatsächlich noch joggen gehen zu können... Das Vergnügen ist allerdings vorbei, seit wir hier die Zeit umgestellt haben... Ja, etwas Bildung für alle, auch die Briten stellen die Uhren um, genau wie Ihr in Deutschland. Als ich das meinen Freunden und meinen Eltern erzählte, wollte mir das keiner glauben. Aber doch, doch, nun ist es schon um 5.00 pm dunkel... und das wird noch früher, bis es dann kaum noch hell wird, außer vielleicht für fünf Stunden zwischen 10.00 am und 3.00 pm, aber wirklich Tag kann man so etwas ja nicht nennen... Naja, aber das kenn ich ja von zu Haus...
Die Arbeit mit den Familien macht irrsinnig Spaß. Der erste Family-stay war etwas schwierig, weil ich mich einleben musste, aber die folgenden waren total schön. Es ist klasse, die Dankbarkeit dieser Menschen zu erleben. Kinder, die zu Haus keine Kinder sein können, spielen zu sehen. Und wir hatten auch behinderte Kinder hier, bei denen es einfach toll ist, sie lächeln und ihre Umwelt wahrnehmen zu sehen...
In gewisser Weise hat die Arbeit mit John, das war ein 19-jähriger geistig behinderter Junge, mich wieder zu dem Gedanken gebracht, Hippotherapeutin zu werden. Seine Mutter hat mir erzählt, wie er zum Reitunterricht geht, und wie er aufblüht, wenn er Pferde sieht. Ich konnte mir das gut vorstellen, so wie ich ihn hier in Braendam erlebt habe... Mal sehen, wohin mich diese Gedanken so treiben...
Privat gesehen, wenn ich denn viel Privatleben habe, ist es hier ganz nett inzwischen. Seit einigen Tagen habe ich mein eigenes Zimmer, weil Cindy nun gegangen ist. Wesentlich früher, als erwartet, aber doch gut für mich. Denn nun hab ich zumindest für die nächste Zeit mein eigenes Zimmer, was doch sehr angenehm ist.
Freitag waren wir auf einer Feier auf einer Burg mit Lagerfeuer und Feuerwerk. Der fünfte November ist ein Feiertag in England. Das war der Tag, an dem Guy Fawkes irgendwann mal versucht hat, ich glaub das Parlament in die Luft zu jagen oder so... Auf jeden Fall wurde er vorher erwischt, gehängt und gevierteilt und in alle Teile Great Britains verschickt... sehr barbarisch, wenn ihr mich fragt, aber das feiert man heute halt noch mit einem Lagerfeuer auf dem man eine Strohpuppe verbrennt, und hinterher mit schönen Feuerwerken...
Und gutes Essen gab’s, das wir allerdings kochen und servieren mussten. Diese Feier war nämlich organisiert vom Braendam Board und alle Einnahmen kommen uns, also dem Haus, zu gute. Wir mussten also nichts bezahlen, aber wir mussten helfen. War aber echt nicht schlimm, gab dafür auch jede Menge Glühwein und leckeres Essen und hinter sind wir alle zu Victoria gefahren und haben noch ein wenig gefeiert. Victoria ist eine Freiwillige für die nächsten beiden Stays, sie wohnt nicht weit von hier und ihre Mutter war jahrelang Unterstützer des Braendam Boards. Sie ist verdammt nett und überaus lustig.
Ansonsten haben wir Tony und Dawn hier. Das ist ein Pärchen, beide ehemals Polizeibeamte, was sie hinterher auch wieder machen wollen, die nun mal die andere Seite kennen lernen wollen. Tony ist 32 und Dawn, ich glaub, 26. Beide sind recht nett, allerdings kann man mit Tony glaub ich leicht aneinander geraten, man muss ein bisschen vorsichtig sein mit dem, was man sagt. Aber das wird schon. Ach ja, und Dawn ist nun seit ein paar Tagen bekannterweise schwanger, was bedeutet, dass die beiden wohl nicht länger als vier Monate bei uns bleiben...
Alastair hat sich gut eingelebt und es macht wirklich Spaß, mit ihm zu arbeiten. Er ist immer noch total engagiert und ich glaub, er tut dem Team verdammt gut. Seit Cindy und Dan nun gegangen sind scheint das Team sowieso immer dichter zusammenzurücken. Nur Anja leidet derzeit ein wenig, denk ich, weil Dafydd ja nun nicht mehr hier ist. Aber sie ist eh von Natur aus nicht so der gesellige Mensch, also kann ich nicht einschätzen, ob es ihr gut geht, oder nicht.
Abgesehen davon war ich nun auch tatsächlich auf meinem „On-arrival-training“ gemeinsam mit Anja, für die das noch mehr Sinn machte, als für mich, da sie ja erst vier Monate hier ist… Naja, wie auch immer... Das Training war langweilig, und viel zu lang... Aber wir hatten gut Zeit, uns auch in Manchester umzuschauen und shoppen zu gehen, das war gut. Allerdings hatte ich gehofft, ich würde ein paar Menschen aus anderen Ländern kennen lernen. Und was ist? 14 Deutsche und nur sechs oder so aus anderen Ländern. Na danke... Aber ich habe ein paar nette Menschen aus Glasgow und Dundee kennen gelernt, so dass ich nun auch dort ein bisschen mehr Kontakte habe.
Ansonsten gibt es echt nix spannendes über dieses Training zu berichten, uns wurde GB vorgestellt, unsere Rechte und Pflichten noch mal genannt und dann haben wir unsere Länder vorgestellt. Das wiederum war sehr lustig, da wir mit etwa zehn Leuten versucht haben, eine Deutschlandkarte zu malen. Das ist erstens ziemlich gescheitert und war zweitens so ziemlich der lustigste Moment des ganzen Trainings. Dann hat halt jeder seinen Teil, aus dem er kommt, vorgestellt. Denn es wäre doch arg langweilig geworden, 14 mal Deutschland vorzustellen. Am letzten Tag hatten wir noch ein Training mit Richard, einem Briten, Schauspieler und nun Schauspiellehrer, der war überaus lustig. Haben halt n paar Spiele gespielt und so Kram, war aber wirklich nett.
Was ich festgestellt habe ist, dass alle Briten zu denken scheinen, Deutschland bestehe nur aus Bayern. Alle Deutschen tragen Lederhosen, trinken Bier und essen Wurst mit Sauerkraut. Und wenn man mal jemanden findet, der Deutschland besuchen will, dann will er meistens nach München zum Oktoberfest... Kein Wunder, dass keiner die Deutschen mag ;)
Ne, Scherz beiseite, die sind eigentlich immer sehr verwundert, wenn ich erzähle, dass man eigentlich nicht wirklich sagen kann, dass man stolz auf sein Land ist, und dass das Nationalbewusstsein in Deutschland eine negativ belastete Sache ist. Abgesehen natürlich vom Lokalpatriotismus den ich mit Schleswigholstein betreibe. Jedem, mit dem ich mich über Deutschland unterhalte, erzähl ich, dass er unbedingt in den schonen Norden kommen muss, dass es ja so erholsam und so wundervoll ist bei uns, wie toll Hamburg doch ist und die Nordsee und, und, und... Ja, ich mag meine Heimat.
Und die Vorurteile über Deutsche, die man hier so hat, sind zum einen, dass wir ein fettes Volk seien (hmm, vielleicht mit Recht?) und dass wir langweilig seien. Das zweite rühre daher, dass die Deutschen auf Gran Canaria und anderen vergleichbaren Feriengebieten abends immer früh ins Bett gehen, ihr Handtuch schon auf einen Liegestuhl am Pool legen, damit sie morgens um 6.00 Uhr gleich dort Platz nehmen können, um den Tag im Liegestuhl zu verbringen. Während die Briten bis Mittags schlafen, dann aufwachen und keinen Platz mehr am Pool bekommen und sich deswegen hemmungslos betrinken und bis morgens Party machen, oder so ähnlich... Also, ich persönlich würde mich da ja dann eher den Briten anschließen. Klingt nach mehr Spaß…
Nun denn, das soll auch erstmal wieder genug sein, ich werd nun gleich mal die Sonne (ja SONNE! Ich bin auch verwundert) genießen und mich aufs Rad schwingen und zum Pferd der Tochter unserer Sekretärin fahren *freu* Das wird das erste Mal sein, seit ich hier bin, dass ich einem Pferd wieder ernstzunehmend nahe komme.
Bis bald dann Eure Schottin Trine