Was passiert, wenn niemand mehr zur Messe kommt
Die Niederländer gelten als eines der säkularisiertesten Länder. Da der Staat die Kirche nicht finanziell unterstützt finden viele Kirchen eine neue Verwendung.
Die niederländische Bevölkerung gilt in Europa als eine der am wenigsten religiös bzw. kirchlich gebundenen. Über die Hälfte der Bevölkerung ist keiner Religionsgemeinschaft zugehörig und nur 18 % glauben an einen Gott. Am Beispiel des Katholozismus zeigt sich, dass 1965 noch jedes Wochenende 2,7 Millionen Katholiken die Kirche besuchten, im Jahr 2000 waren es nur noch 439.000: nur 9,2 Prozent aller registrierten katholischen Gläubigen
Im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland sind Kirchen in den Niederlanden keine Körperschaften öffentlichen Rechts. Sie genießen keine Sonderstellung in Bezug auf Steuern oder Bildung und gelten für den niederländischen Staat als einfache Vereine. Die christlichen Kirchen sind dementsprechend auch nicht privilegiert gegenüber anderen Religionen, Kirchen oder Sekten, indem der Staat zum Beispiel die Gehälter der Priester bezahlt.
Da es in den Niederlanden keine Kirchensteuer gibt, müssen sich die Kirchen vielmehr durch freiwillige Beiträge finanzieren. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, in einem derart säkularisierten Land. Doch die Niederländer sind ein durchaus pragmatisches Völklein und so wurden die Kirchen kurzerhand umfunktioniert. Aus Kirchen werden Fitness-Studios, Bars oder Wohnungen, aus Klöstern werden Luxushotels, Museen oder Restaurants. Immer mehr Gemeinden sehen sich gezwungen ihre Kirchen aufzugeben und alles kommt in Frage, was Miete zahlt. In der Tat bietet sich in den ehemaligen Kirchen ein merkwürdiges Bild. Es wurde fast alles aus der Kirche entfernt, das an ein Gotteshaus erinnert. Altar, Kirchenbänke, Taufbecken kamen raus, stattdessen kamen Hantelbänke, Hometrainer und dröhnende Musik. Überall wuseln Menschen um die Geräte, der Dorffriedhof liegt noch immer neben der Kirche und auch hier hört man noch die Bässe der Musik. Vom Friedhof aus kommt man in eine kleine Kapelle, hier ist Ruhe und man vergisst beinahe, dass man sich tatsächlich in einem Fitness-Studio befindet.
In Utrecht ist das Phänomen am Auffälligsten. Läuft man durch die Gassen, so sieht man viele Kirchtürme, die immer wieder zwischen den Häusern hervorschauen, denn Utrecht war im Mittelalter das kulturelle und religiöse Zentrum des Landes, der Hauptsitz der Kirche. Die Bischöfe von Utrecht waren sehr mächtig, und das spiegelt sich wider in den Kirchgebäuden. Fast jeder war damals religiös und noch heute hat Utrecht die höchste Kirchendichte der Niederlande. Auch hier wurden etliche Kirchen umfunktioniert. Eine Anwohnerin einer ehemaligen Kirche sagt, dass es sicher einigen nicht gefalle, dass sie hier wohne. Jedoch sei die Alternative, dass das Gebäude abgerissen werde. Sie selbst sei nicht religiös, möge jedoch den sakralen Baustil. Und so bleibt es dabei: Wenn ein Haus leer steht, braucht es einen neuen Mieter, sonst wird es abgerissen. So einfach ist das.