Von Lucia bis Halloween
Wenn es im Oktober schneit, man beginnt Weihnachtslieder zu proben, Queen hört und für Halloween innerhalb von 15 Minuten ein Kostüm improvisiert.
Als es am Samstag vor 2 Wochen während unseres Time to Move Projekts zu schneien anfing, habe ich mich wie ein kleines Kind gefreut. Schnee hat für mich schon immer etwas Magisches gehabt, erst recht, wenn es gerade erst Ende Oktober ist und man Montag früh aus dem Fenster schaut und alles von Puderzucker bestreut zu seien scheint. Der Schnee war in diesem Sinne ein guter Vorbote, denn es sollte eine ereignisreiche Woche auf mich zukommen. Wenn man das dann mit dem Wetter der vergangenen Woche vergleicht, das eigentlich nur aus grauen Regenwolken bestand, scheint es keine allzu große Überraschung zu sein, dass sich die letzten Tage im Großen und Ganzen als „Gammel-Woche“ beschreiben lassen. Die vergangene Woche lasse ich deshalb also einmal außen vor. Eine Mischung aus Arbeit und Netflix wäre wohl auch nicht sehr interessant zu lesen. Dafür gibt es über die vorherige Woche umso mehr zu erzählen.
So stand für mich am Montag und Dienstag die Probe für Lucia ganz im Mittelpunkt. Für alle, die damit nichts anfangen können: das Luciafest ist eine schwedische Tradition, die am 13. Dezember stattfindet und durch Tragen von weißen langen Gewändern und Kerzen, Safrangebäck und Lucialieder geprägt ist. Im Mittelpunkt steht dabei eine Prozession aus einer Lucia, die einen Kerzenkranz auf dem Kopf trägt, ihren Begleiterinnen (tärnor), die ebenfalls Kerzen in den Händen halten, und zum Teil Sternenknaben (stjärngossar). Dieser Brauch findet sowohl in der Familie, in Kindergärten und Schulen, sowie am Arbeitsplatz statt und hat in der Wahl einer örtlichen Lucia in vielen Gemeinden seinen Höhepunkt. An dieser nehme ich als eine von sechs Luciabewerberinnen dieses Jahr teil. Neben zwei großen Konzerten in der Kirche, werden wir, eine von uns als Lucia, die anderen als tärnor, am 13. Dezember den ganzen Tag durch Åmål ziehen, an verschiedenen Orten Lieder singen und Spendengelder einsammeln.
Zu Beginn der Woche drehte sich bei mir also alles um schwedische Lucialieder, ein schickes Foto für die Zeitung, in der dann die Wahl für Lucia stattfindet, und eine Wohltätigkeitsorganisation, für die das Geld gespendet wird, sollte ich als Lucia gewählt werden. Die Texte bereiteten mir zwar ein wenig Sorge, immerhin müssen alle Lieder, und das sind nicht gerade wenige, am 13. Dezember ohne Blatt gesungen werden, aber immerhin die Fotosession mit professionellem Fotografen und Blätterkranz im Haar am Dienstagabend und die Wahl einer Organisation waren von Erfolg gekrönt. Schlussendlich habe ich mich hierbei für den Malala Fund entschieden, auch wenn meine Chancen, Lucia zu werden, ziemlich gering sind, da es im Endeffekt immer darauf hinausläuft, wer die meisten Bekannten, Freunde und Verwandten in Åmål hat, was bei mir dann doch eher schlecht aussieht.
Eine Ablenkung von der ganzen Sache fand ich am Mittwochabend. Ein Freund hatte Jonas, Erica und mich ins Kino zu Bohemian Rhapsody eingeladen und sogar jetzt habe ich immer noch Ohrwürmer von Queen-Songs. Nebenbei fiel mir auf, wie "verschwedischt" (sowohl ich als auch Google sind uns nicht ganz sicher, ob es dieses Wort wirklich gibt) ich mittlerweile bin. Wir standen vor Davids Haus und unterhielten uns noch kurz über den Film, wobei ich ein wenig darüber schmunzeln musste, dass in jedem Fenster seines Hauses eine Lampe brannte. In Schweden ist dies gerade zum Winter hin sehr verbreitet. Egal, ob jemand im Zimmer ist oder nicht, immer ist das Licht im Fenster an. Als wir dann nach Hause kamen, war das erste, was ich tat, ganz selbstverständlich die Lampe in meinem Fenster anzuschalten, wie ich es schon seit einigen Wochen immer machte…
Am Freitag nahmen wir dann das erste Mal nach fast einem Monat wieder alle zusammen einen Podcast in gewohnter Umgebung auf. Es ging um unsere Zeit in Stockholm und Time to Move und irgendwie hatte ich das Gefühl, das ganze vermisst zu haben. Der kleine Raum, die ganze Technik, riesige Kopfhörer und ein ziemlich hässliche Vorhang. Mittlerweile brauchen wir auch nur noch wenig Vorbereitung und ein paar Stichpunkte für ein offenes Gespräch.
Den Samstag verbrachten Jonas und ich schließlich in Göteborg. Unser Plan war in den Freizeitpark Liseberg zu gehen, wobei wir zuvor noch einen Abstecher in ein kleines Café machten. Etwas anderes als Filterkaffee gibt es in Åmål nicht, weswegen jeder Besuch in einer größeren Stadt für uns im Espressohous oder ähnlichem beginnt. In Liseberg angekommen verschlugen mir nicht nur die Preise, sondern auch die vielen Menschen die Sprache. Für eine Achterbahn mit Loopings standen wir ungefähr eine Stunde an und auf dem Weg zu einem der Horrorhäuser befanden wir uns plötzlich in einer Menschenmasse, in der es kaum vor- oder zurückging. Ähnliches hielt dann auch der Abend / die Nacht bereit. Freunde hatten uns gefragt, ob wir mit auf eine Halloweenparty gehen und vorher noch bei ihnen vorbeikommen wollten. Nach längerem Überlegen entschieden Jonas und ich uns dafür und standen 15 Minuten später in der Küche, Tomatensoße auf den T-Shirts und eine Mischung aus Creme und roter Lebensmittelfarbe als Blut im Gesicht. Fazit des Abends: zu viele Leute auf zu wenig Raum (es fand sich immer jemand, der mich mit dem Ellenbogen anstieß oder mir auf die Füße trat), dafür aber gute Musik und coole Kostüme.
Last but not least wurde ich am Sonntag von meiner Mentorenfamilie hier in Schweden in das Backen von Zimtschnecken/Kanelbullar eingeweiht. Neben den Kindern Emilie, Emma und Emil sitzend bestrich ich meinen Teig mit Butter, um eine Mischung aus Zimt und Zucker darauf zu streuen. Die fertige Rolle dann in die Form von Zimtschnecken zu bringen stellte sich als schwerer als gedacht heraus, aber immerhin habe ich noch 10 Monate, um meine Technik in Sachen Kanelbullar zu verbessern.