Vom Reisefieber gepackt
In den letzten Wochen war ich viel unterwegs, jetzt bin ich zurück in Gdańsk und möchte euch von meinen Reisen berichten!
Litauen
Über Ostern hatten wir einige Tage frei und in meinem Kopf formten sich zwei Wünsche zu einem Plan. Ich wollte Trampen ausprobieren und nach Litauen reisen. Estefania und Somi, eine spanische und eine ungarische Freiwillige aus einem anderem Projekt, sowie Sándor, der Ungare aus meiner Stiftung, schlossen sich mir an. Da wir alle noch nie getrampt waren, versuchten wir das Ganze zu planen. Estefania suchte Couchsurfing-Gastgeber in Kaunas, Klaipeda und Vilnius, den drei Städten, in denen wir jeweils zwei Tage verbringen wollten. Wir informierten uns bei polnischen Bekannten, welches der beste Ausgangspunkt zum Trampen in Gdańsk ist und welche Zwischenstationen sinnvoll erscheinen.
Morgens früh um 7 Uhr trafen wir uns im Bus, der uns zum Stadtrand und an den Anfang der für uns richtigen Autobahn brachte. Wir waren noch etwas verschlafen und die Sorge, ob wir die 6-7 Stunden reine Autofahrt von Gdańsk nach Kaunas an einem Tag schaffen würden (schließlich hatten wir in der gleichen Nacht schon einem Gastgeber über Couchsurfing zugesagt), vermischte sich mit der Aufregung, dass es tatsächlich losging. Wir teilten uns in zwei 2er-Teams auf und nach etwa 40 Minuten wurden Estefania und Somi mitgenommen. Sándor und ich warteten etwa noch einmal so lange, doch es regnete in unsere Gesichter, nicht ein Auto hielt an und Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass unsere Motivation nachließ. Wir beschlossen dann, es vom Hauptbahnhof zu versuchen und dort hielt tatsächlich jemand für uns an!
Der Fahrer konnte uns zwar nicht in einen der von uns gewünschten Orte bringen, wusste aber einen besseren Platz zum Trampen, wie er sagte. Dieser Ort war dann ungelogen der Ort, an dem wir vorher unser Glück versucht hatten. Das Schild in unserer Hand löste sich langsam vom Regen auf und der kalte Wind blies in unsere vor Ungläubigkeit lachenden Gesichter. Doch das Schicksal sollte sich wenden. Wir bekamen eine Mitfahrgelegenheit zum nächsten Ort, ohne lange zu warten direkt die nächste und so weiter bis nach Olsztyn. Dort wusste ich von einer Freundin, die am gleichen Tag nach Litauen fuhr und noch zwei Plätze freihatte. Wir trafen sie und konnten dem etwas besorgten zweiten Teil unserer Gruppe, die gute Neuigkeit mitteilen, dass wir immerhin sicher nach Litauen kamen.
Kasia ließ uns dann kurz vor der Grenze raus. Da kein Auto in Sicht war, beschlossen wir die Autobahn entlang zu laufen, um zu einer besseren Stelle zu kommen. Und wer hielt als nächstes für uns an? Die Polizei. Da es illegal ist, auf der Autobahn zu laufen, mussten wir Ihnen unsere Ausweise geben und wertvolle Zeit verstreichen lassen, bis sie uns überprüft hatten. Im nächsten Ort nahm uns ein Paar mit und fuhr extra einen Umweg für uns. Einen Tiefpunkt gab es dann noch, als langsam die Sonne unterging und wir immer noch 2 Stunden Fahrzeit vor uns hatten, doch ein russischer Geschäftsmann brachte uns dann doch noch bis nach Kaunas. Das Wiedersehen mit Estefania und Somi war freudig und wir tauschten uns lange über die Erlebnisse des Tages aus. Ich habe gelernt, dass immer, wenn man gerade die Hoffnung aufgeben möchte, wieder etwas Gutes geschieht.
Kaunas selbst war aufgrund der Feiertage leider ziemlich ausgestorben und das Wetter war auch nicht ideal. In Klaipeda hatten wir einen sehr netten Gastgeber, der uns seine Ostertraditionen zeigt und mit uns auf die Halbinsel „Kurische Nehrung“ fuhr und dort den Tag verbrachte. Wir kletterten auf den Hexenberg, dessen Wegesrand von geschnitzten Holzfiguren gesäumt war, genossen die Sonne auf den Dünen und konnten nach Kaliningrad rüberschauen. Am allerbesten hat mir aber Vilnius, die Hauptstadt Litauens, gefallen. Die Unterkunft, ein osteuropäisch geprägtes 5-Euro-Hostel, war weniger charmant, die Stadt dafür aber umso schöner. Besonders beeindruckt hat mich die Künstler-Republik „Užupis“. Užupis ist ein Stadtteil, welcher sich unabhängig von Vilnius und Litauen erklärt hat. Dazu gehört ein eigener Präsident, Kunst an jedem Ort und eine Verfassung, die zum Beispiel beinhaltet „21. Jeder Mensch hat das Recht für seine Unbedeutsamkeit dankbar zu sein.“. Den Link zur vollständigen Verfassung findet ihr am Ende. Die Rückfahrt im Reisebus war dann ziemlich unspektakulär.
Toruń
Nach 4 Tagen in Gdańsk ging es los zum Mid-Term-Training nach Toruń, dem zweiten Seminar während meines Freiwilligendienstes. Die Gruppe war kleiner und die Tage weniger vollgepackt als in Warschau. Für mich bot die Woche einen sehr guten Rahmen, um mit ganz verschiedenen Menschen über unsere Erfahrungen in Polen zu sprechen, sich der eigenen Entwicklung bewusst zu werden und über die Zukunft nachzudenken.
Mazury
Zurück aus Toruń hatte ich nur den Nachmittag und Abend zuhause, um mich auf die Fahrradtour vorzubereiten. Am nächsten Morgen um 9 Uhr fuhr nämlich der Zug nach Olsztyn ab, von wo aus wir unsere Tour durch die Masurische Seenplatte beginnen wollten. Ich wusch also schnell meine Kleider, bepackte die Fahrradtaschen, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, besorgte etwas Reiseproviant und fand heraus, welcher Bahnhof einen Aufzug hat. Mehr oder weniger bereit traf ich dann die anderen, das heißt Arek (mein Salsalehrer), Dorota (seine Freundin), Diogo und Maciej (tanzen beide Salsa), sowie Piotr, Michal, Agnieszka und Mateusz (Studienfreunde von Arek). Arek hat das Ganze initiiert und hatte ungefähr eine Route im Kopf. Ich kann viel von dieser Woche erzählen, doch dann würde dieser Beitrag zu lange werden, hier also eine Kurzfassung.
Was es zu sehen gab: viele Seen, idyllische Dörfer, Störche, Wälder...
Unsere Nachtlager: wildes Campen am See oder im Wald, die Holzhütte eines Dorfbewohners, den wir um Hilfe gefragt hatten, eine Scheune und fast ein ehemaliger deutscher Bunker, der aufgrund der kalten Wände und Untauglichkeit als Feuerstelle dann doch ausfiel.
Was ich gelernt habe: Dass man nicht jeden Tag ein frisches T-Shirt braucht und Duschen überbewertet ist, worauf man beim Wildcampen in Polen achten sollte, Wörter im schlesischen Dialekt wie „hapsnąć“-->“beißen“ (die Hälft der Gruppe kommt aus Oberschlesien), an verschiedensten Stellen ein Feuer zu errichten und vieles mehr.
Wann ich gefroren habe: In der ersten Nacht, in der ich naiverweise nur eine Schicht getragen habe (in der zweiten habe ich auf 4 Oberteile, 2 Hosen, 3 Paar Socken und Mütze erhöht und nicht mehr gefroren) und an dem einzigen Tag mit Regen (leider waren weder Regenhose noch Regenjacke, die ich ausgeliehen hatte, regendicht).
Insgesamt: sind wir etwa 300 km an 6 Tagen gefahren, hatten wir als 9er-Gruppe unseren eigenen Rhythmus und ich bin sehr froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben!
Tja, und dann kam ich tatsächlich wieder nach Hause. Es dauerte ein bisschen, mich wieder an meinen Alltag zu gewöhnen. Doch ich freue mich daran, den Frühling hier an „meinem“ Strand zu genießen und auf die Herausforderungen der nächsten Wochen. Zum Beispiel soll ich einen Film über das Papier-Schöpfen drehen, die TeilnehmerInnen davon überzeugen, dass auch vegetarische Suppen lecker sind und eine Deutschland Kultur-Präsentation halten. Wenn ihr Ideen habt, was ich Interaktives in diese Präsentation einbauen könnte, sind sie sehr willkommen! ;)
Užupis: https://de.wikipedia.org/wiki/U%C5%BEupis: