Vom Ferienspaß wieder straight ins harte Freiwilligenleben
Der Marathon geht weiter.... vor Ostern will ich alles aufgeholt haben. Über Januar und Februar - was ist so alles passiert?
Wir erinnern uns: Ich habe mein Zimmer nach einem Monat mal wieder gesehen. Meine Rückkehr nach Paimio wurde (natürlich) gefeiert. Am Sonntag machten Vici und ich Burger mit veganen Kichererbsen-Kidneybohnen-Patties :) Die Konsistenz war noch etwas verbesserungswürdig, aber trotzdem echt lecker und sogar mal mit Tiefkühl-Pommes, wohl überhaupt zum ersten Mal, seit ich in Finnland bin. Eigentlich geschah sonst nicht viel an diesem Wochenende, bis auf eine Sache: Am Samstagabend rasierte ich mir meinen Holzfällerbart ab, während Vici in der Küche saß und sich über die Veränderung nicht mehr einbekommen hat. Irgendwie hatte ich mal wieder Lust dazu, also kam von meinem über ein halbes Jahr langen Bart alles ab - bis auf einen Dreitagebart. War wieder ziemlich ungewohnt, aber witzig.
In der darauffolgenden Woche ging es in der Theaterklasse los mit dem neuen Theaterstück: Es heißt "Pahuus" (was so viel wie "Übel" bedeutet) und handelt von einem Militär-Jungeninternat in Schweden in den 1950ern. Außerdem gab es am Mittwoch bei uns in der Schule einen Tanzabend für ältere Leute, für den mal wieder etwas gebacken werden musste, also kramte ich aus einigen Rezepten im Internet das scheinbar Beste zusammen und kreierte meinen eigenen veganen Mandarinen-Kokosflocken-Streuselkuchen. Den Gästen hat er genauso geschmeckt wie den Schülern, und viel ist am Ende nicht übrig geblieben. Immerhin konnte Anna, die mich von Donnerstag bis Sonntag besucht hatte, etwas davon probieren und ich glaube, ihr hat er auch geschmeckt. Oder sie hat mich angelogen. Wir spielten gemeinsam Klavier, spazierten in Paimio herum, redeten und gingen am Sonntag noch nach Turku ins Café, bevor sie wieder den Bus zurück nach Kuopio nehmen musste. Außerdem trafen Vici, Dora und ich an dem Tag noch Anni (Mentorin-Anni) im Kunstmuseum in Turku, um (wie immer) dort im Café zu sitzen (seit ich in Finnland bin, und so viel mit Menschen zu reden habe, wenn ich sie mal wieder sehe, und die Zeit noch schneller vergeht als sonst schon immer, verstehe ich den Reiz von Café-Besuchen) und uns die aktuelle Ausstellung moderner Kunstwerke anzusehen, was (natürlich) ziemlich interessant war :)
Am nächsten Montag hatten Vici und ich vorm Sprachkurs ein Treffen mit Rayan, einer Mitarbeiterin eines Tagespflegezentrums für Senioren, die mit uns die "Friendship Party" für den 14. Februar organisieren sollte. Wir besprachen einige Ideen und klärten den Ablauf des Programms. Am Dienstag fragte mich Simo (Schüler des Kansanopisto) spontan, ob ich ihm bei Aufnahmen für seine Bewerbung an der Musikuniversität in Tampere helfen könnte. Die Aufgabe bestand darin, sich eine Reklame für ein (fiktives) Produkt auszudenken, das Komponisten die Arbeit des "Schreibens" abnimmt und die Töne und Noten direkt aus dem Gehirn des Komponisten extrahiert. Dafür hatte Simo einige kurze Musikausschnitte komponiert und mit Hilfe der anderen aufgenommen. Den Werbetexter mimte ich, und mein Geschwafel wurde von der Musik unterlegt. Dies war der Text, den ich einsprach:
"You are composing for an adventure movie - you can envision this huge orchestra in your mind,
or maybe a scene of some cool guys walking along the street in a funky 70s movie?
What about a thrilling story of an alcoholic detective and his investigations? [puking sound]
VIBE WRITER is a next generation tool for both beginners and professional composers.
VIBE WRITER reads your mind and turns your vision alive."
Es hat ne Menge Spaß gemacht, und ich fand das Ergebnis konnte sich schon sehen lassen :) Da sich aber unglaublich viele Leute an so ziemlich allen (staatlichen) künstlerischen Unis in Finnland bewerben (gleichwie in Deutschland prinzipiell), wurde Simo leider nicht zum Bewerbungsgespräch im Februar eingeladen. Sein Plan ist wahrscheinlich, nach dem Jahr im Kansanopisto eine Ausbildung in Richtung Musikproduktion anzufangen. Am Freitag macht ich mir (ich glaube, erstmalig) die Arbeit, eine richtige vegane Lasagne zu machen, und sie wurde echt gut! Außerdem kamen Simo, Marianna und Mona zu uns in die Wohnung und wir saßen abends eine Weile herum und quatschten über dies und das.
Am Samstag kam Vanessa Vici und mich besuchen, und als wir uns in den Bus setzten, um sie aus Turku abzuholen, setzte sich irgendwann ein älterer Mann zu mir, der mich ansprach, während ich Musik hörte. Etwas verwirrt fragte ich mich, wovon er mir wohl erzählte, als ich meine Ohrhörer herausnahm, um festzustellen, dass er natürlich finnisch sprach. Also erklärte ich ihm auf finnisch, dass ich nur sehr wenig finnisch spreche, und aus Deutschland komme. Dann fing er plötzlich an, deutsch zu sprechen :D Er konnte Deutsch, weil er Meeresbiologie studiert hatte und beruflich bedingt mehrmals über einige Monate in der DDR gearbeitet hat. So unterhielt ich mich mit ihm über seine Arbeit dort, über die deutsche Sprache und die DDR. Sein Deutsch war ziemlich gut, und zwischendurch warf er auch mal ein englisches Wort ein, wenn ihm das deutsche Äquivalent nicht einfiel, denn auch Englisch konnte er sprechen.
Mit Vanessa gingen wir (so unglaublich es auch klingen mag) zunächst in ein Café - ein neues diesmal, Café Art am Aurajoki, also dem Fluss; ist sehr süß und gemütlich. Sie blieb bis Montag, und wir kochten, spazierten in Paimio herum, wollten eigentlich Eislaufen gehen, sind dann doch nicht Eislaufen gegangen und unterhielten uns; außerdem konnte sie sich am Montag - so wie fast all unsere Gäste - mal den Theaterunterricht ansehen und bei unseren halsbrecherischen Yoga- und Shindo-Erwärmungen mitmachen.
Am Mittwoch besuchten Vici und ich eine Deutschklasse der Highschool in Paimio, um mal wieder eine Präsentation über Deutschland, unsere Heimatstädte und unsere Arbeit hier in Finnland zu halten. Von der Lehrerin wurden wir auch dazu eingeladen, u.a. am Austausch mit deutschen Schülern teilzunehmen, also bei den Veranstaltungen dabei zu sein, wenn die deutschen Austauschschüler Anfang Mai nach Paimio kommen.
Am Donnerstag setzte ich mich mal wieder für 6,5 Stunden in den Onnibus, um Anna zu besuchen - ja, so machen wir das jetzt, etwa alle 2-3 Wochen besucht der eine den anderen oder wir treffen uns in einer anderen Stadt, um dort ein paar Tage zu verbringen. Abgesehen davon, dass Busreisen jeglicher Art mich nahezu immer gefährlich nah an die "Mich-übergeben-Grenze" treiben (es mag vielleicht auch an meiner Einstellung liegen, sagte mal jemand zu mir), war das etwas längere Wochenende, das ich in Kuopio verbrachte, sehr schön.
Am Donnerstag gingen wir ins Kino und sahen "La La Land" (klar), und ich musste sagen, dass ich ihn letztlich bei weitem nicht so kitschig und grausam fand, wie ich es durch den Trailer fast befürchtet hatte. Er war eigentlich ziemlich gut.
Am Freitag nahmen wir uns vor, Schlittschuh zu laufen, was für mich tatsächlich auch etwas sehr Besonderes war: Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich überhaupt jemals und falls ja, wann denn das letzte Mal in meinem Leben Schlittschuh gelaufen bin. Aber alles Gejammere half nichts, Anna zerrte mich aufs Eis und sah mir boshaft lachend dabei zu, wie ich hilflos meine Loopings machte. Naja, ganz so war es nicht. Auch Anna war eine ganze Weile nicht mehr Eislaufen gewesen, und so mussten wir uns beide langsam rantasten. Der Unterschied: Sie schaffte es, ich nicht. Naja, das war jetzt vielleicht wieder ein bisschen übertrieben. Es dauerte jedenfalls eine ganze Weile, bis ich mich ansatzweise auf dem Eis bewegen konnte, in Todesangst an Annas Arm geklammert. Naja... doch, das war eigentlich echt so. Wie auch immer. Wir blieben einige Stunden auf dem Eis des Sees in Kuopio, das extra fürs Eislaufen präpariert, in unterschiedliche lange Streckenlängen bzw. Runden geteilt und mit Schildern bestückt wurde. Zuletzt machten wir dann gemeinsam eine Ein-Kilometer-Runde (die Alternativen wären 2, 4 oder 7,5 km gewesen) und waren zufrieden mit unserer Leistung. Ich vor allem mit der Leistung, mir nicht alle Gräten gebrochen zu haben.
Weil es so viel Spaß gemacht hatte, entschieden wir uns, am Samstag noch einmal Eislaufen zu gehen, und auch das hat relativ gut geklappt, was nur so viel heißt, dass ich mir auch an diesem Tag nichts gebrochen hab. Außerdem sind wir ins Konservatorium gegangen, um Klavier zu spielen, und es war ziemlich faszinierend für mich, selbst mal an einem Flügel zu sitzen und zu hören, wie sehr sich sein Klang von dem eines Wandklaviers unterscheidet.
Außerdem spazierten wir natürlich herum, unterhielten uns, sahen Filme an und kochten, wie man das eben so macht. :)
In der nächsten Woche geschah nicht viel, außer einem Kaffeedienstag, für den Dora buk, Meetings mit Vici, Dora und Aku (einem neuen Aushilfslehrer des Kansanopisto) wegen des Wintercamps, das wir in den Winterferien veranstalten wollten und Proben fürs Theaterstück. Außerdem war ich beim Brotbacken noch kreativer als sonst, und das Ergebnis war ein Curry-Cranberry-Brot, das echt lecker geschmeckt hat. Vor allem kümmerte ich mich in meiner freien Zeit im Februar allerdings um meine Bewerbung für ein Studium in Leipzig, dessen Frist am 01.03. endete. Dafür musste ich Arbeitsproben zusammenstellen und ein Motivationsschreiben verfassen, außerdem noch einige andere kleine Dinge. Am Sonntag habe ich mal wieder mit Vici gekocht: Es gab Chili sin Carne, mit Soja-"Hackfleisch", Kidneybohnen, Mais, Tomaten und Zucchini.
Am nächsten Montag hatten wir in der Schule den sogenannten "Pizzahetki", also übersetzt etwa "Pizzapause", "Pizzamoment" oder sowas. Eigentlich genau dasselbe wie der Kaffeedienstag, nur eben mit Pizza. Warum es ausgerechnet dieser Tag war, weiß ich schon gar nicht mehr. Jedenfalls bestellten alle Pizza, und ich buk selber welche. Ein Blech Pizzabrot, eines mit Paprika und Zucchini und eines mit Ananas. Dafür probierte ich sogar mal eine vegane Käsealternative aus, die ich sonst eigentlich nie kaufe.
Am Dienstag war der 14. Februar - also Valentinstag! Vici und ich fuhren in das Tagespflegezentrum nach Turku und halfen bei der Feier mit, wobei wir selbst ein Cellovorspiel von Vici und ein paar einfache Spiele mit den Senioren zum Programm beitrugen. Insgesamt war das eine relativ gelungene Sache.
Am Wochenende war Anni, eine andere deutsche Freiwillige von unserer Entsendeorganisation, bei uns zu Besuch, und da wir am Mittwoch gemeinsam nach Helsinki zu unserem Mid-Term Training mussten, blieb sie so lange. Vici wollte unbedingt Runebergintorttu backen, eine der vielen traditionellen finnischen Spezialitäten, benannt nach dem finnlandschwedischen Schriftsteller Johan Ludvig Runeberg. Das ist an sich eine Art zylinderförmiger Tassenkuchen, der oben mit Marmelade bekleckst wird. Naja... Irgendetwas war an unserem Teig nicht ganz koscher, und so sind die Tassenfüllungen beim Backen etwas... explodiert. Am Ende sahen die Torttu aus wie ein paar Häufchen Elend, aber geschmeckt haben sie.
Dann gab es noch die Sache mit dem Wintercamp. Eigentlich sollte von Sonntag bis Dienstag in den Winterferien eine Art Camp stattfinden, für das wir uns Spiele und Aktivitäten ausgedacht und Werbung in der Mittelschule gemacht hatten. Leider meldeten sich nicht genug Schüler an, damit sich der Aufwand gelohnt hätte, und so mussten wir es absagen. Vielleicht waren wir mit der Werbung zu spät dran, vielleicht möchte niemand im Winter sein Haus verlassen (es sollte nicht gecampt werden... wir nannten es der Einfachheit halber so) oder vielleicht sind die Kinder hier in Paimio alle zu cool für sowas. Jedenfalls haben wir eigentlich vor, ein "richtiges" Camp im Juni zu organisieren und hoffen, dass es dann besser klappen wird.
Am Mittwoch, den 22.02. machten wir uns morgens auf nach Helsinki zum Mid-Term Training, also der "Auswertung" der ersten Projekthälfte mit den anderen Freiwilligen. Darüber werde ich dann im nächsten Blogeintrag berichten, wenn ich weiter nachhole, was so alles passiert ist seit Beginn des neuen Jahres.