Vier Mädels und ein Auto - Roadtrip an Frankreichs Mittelmeerküste
Oder: Wie es dazu kam, dass unser Auto masochistische Züge entwickelte, zwei Putzfrauen unsere Route planten und wir stundenlang in Montpelliers Straßen nach einem Sexshop suchten.
Wo sind die letzten drei Monate hin?? Sie vergingen wie im Flug.
Fangen wir bei unserem Roadtrip an.
Anfang März. Nach umfangreichen Planungen (Wie viel kostet uns die Maut in Frankreich und wie viel ein Crêpe? Brauchen wir Winterreifen und brauchen wir einen Fön? Passt die Isomatte noch mit rein und Kathi dann auch??) ging es dann los: Meine Freundinnen schnappten sich einen Mietwagen und kamen einfach mal so aus Norddeutschland über 3000 km runter nach Südfrankreich.
Fast zwei Tage durchfahren. Zwischenstopp in Karlsruhe. Über endlose Straßen und Berge, durch Stau und Verkehrschaos. In der Schweiz tanken. Um Mitternacht ankommen. Nur, damit ich sie hier in meinem kleinen Dörfchen in Burlats empfangen konnte! Das nennt sich Freundschaft :)!
09. März: Burlats und Castres
Als Bienvenue hier in Südfrankreich frühstückten wir erstmal ganz ausgiebig, mit Pain au chocolat und Baguette vom einzigen Bäcker in ganz Burlats, machten eine Tour durch die Moulin (die Herberge, in der ich arbeite) und mein kleines Dorf und genossen die Mittagssonne, den plätschernden Bach und die Landluft. Dann gab's ne kleine Sightseeing Tour durch Castres, die Nachbarstadt, in der ich meinen Freundinnen zeigte, wo es den besten Café Crème ("Saveurs du Temps") und den besten Kebab ("Orient Express") gibt. Als wir zu viert auf einer Bank im Park saßen, in der warmen Nachmittagssonne, und unseren Kebab aßen, waren wir uns alle einig, dass die Welt noch keinen besseren Kebab gesehen hat, und dass wir mit 90 Jahren wiederkommen würden, in diesen Park, auf diese Bank, nur um diesen Kebab zu essen!
Und um das Ganze geschmacklich abzurunden, lud ich die drei noch auf ein original französisches 3-Gänge-Menü in der Freiwilligen-WG in Castres ein, wo sie Kilian kennen lernten, ein Freiwilliger aus Deutschland und unser hauseigener Spitzenkoch;).
10. März: Sète und Montpellier
Am nächsten Tag sollte es dann losgehen Richtung Montpellier. Dort hatte ich uns kurzfristig per couchsurfing (www.couchsurfing.org) eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit klargemacht.
(Werbepause: Couchsurfing ist nur zu empfehlen, kostenlos, und ich habe bisher nur tolle Erfahrungen mit supernetten Leuten gemacht! Schaut mal rein!)
Auf dem Weg wollten wir aber noch Zwischenstopps einlegen und als wir am morgen auf die Putzfrauen in der Moulin stießen, hatten die doch einiges mitzureden an unserer Routenplanung! Da sie die Mittelmeerküste anscheinend kannten wie ihre Westentasche, konnten sie uns gleich ein paar Empfehlungen geben für sehenswerte Küstenstädte.
Und so kamen wir nach Sète. Man muss sagen: Sète ist zweigeteilt. Eine Hälfte ist eine Riesen-Ferienanlage für Senioren, voller großer Plattenbauten mit Blick aufs Meer in kitschigen Pastellfarben, die es einem eisig den Rücken herunterlaufen lassen.
Die andere Hälfte ist Sètes Hafenpromenade und Altstadt, zwar ziemlich überlaufen, aber schön anzusehen. Mit dem richtigen südfranzösischen Charme, den nur die abgeblätterten Farben von wankenden Segelbooten, der abbröckelnde Putz unter kleinen, schiefen Holzfensterläden in engen Gassen und die romantisch zierlichen Schnörkel, die Balkongeländer darstellen sollen, versprühen können. Dort fühl ich mich zu Hause!
Nach einem viel zu kleinen und viel zu teuren Eiskaffee samt unfreundlichster Bedienung seit Menschen Gedenken (aber mit Blick auf den Hafen! Oder vielleicht: Weil mit Blick auf den Hafen;)!) ging es dann ab nach Montpellier. Dazu sei gesagt, dass ich über couchsurfing einen wildfremden Franzosen kontaktiert hatte, der uns netterweise für eine Nacht bei sich aufnehmen wollte. Wir hatten eine Adresse, eine Telefonnummer und einen ersten Eindruck: Der Typ arbeitete in einem Sexshop. Damit war erstmal alles gesagt! Also stürzten wir uns in die Straßen von Montpellier und hielten Ausschau nach diesem Sexshop. Leichter gesagt als getan. Kurz gesagt: Mit Auto ist Montpellier die Hölle!! Verkehrsregeln gelten quasi nicht, dafür gibt es aber genug Einbahnstraßen und Umwege, Stopp-and-Go und wilde Autofahrer, die wiederum als Herausforderung akzeptiert werden müssen. Die Krone der französischen Fahrkunst! Als dann noch das Navi rumstresste und uns ewig im Kreis rumfahren ließ und das Auto bei jedem neuen Anfahren abwürgte (also alle 5 Sekunden), dachte ich, jetzt steigen wir gleich aus und gehen den Rest zu Fuß! Hier als Auto durchzufahren, ist schon eine gravierende Form von Masochismus!
Irgendwann leuchtete uns dann auf wundersame Weise doch noch das pinke Neonschild "Loveshop" umrahmt von blinkenden Herzen entgegen und wir hatten unseren Gastgeber gefunden: einen netten Franzosen Anfang 20, der uns sofort freundlich bei sich einquartierte, eine nächtliche Sightseeing Tour durch Montpellier anleitete, uns in seine Lieblingsbar einlud und uns seinen kompletten Freundeskreis vorstellte. Das waren vor allem lustige französische Typen, die versuchten, sich im brüchigen Englisch mit meinen Freundinnen zu verständigen und es aber irgendwann dabei beließen, das Ganze einfach auf die Tanzfläche zu verlegen und schön Party mit uns zu machen.
11. März: Palavas, Saintes-Maries-de-la-Mer, Arles, Marseille
Nach einer kalten Nacht (wir lagen zu viert im Wohnzimmer verstreut auf Matratzen auf dem Fliesenboden, ich mit Mantel, umgeben von Hundehaaren und dem dazugehörigen Hund - doch das war es wert!) gönnten wir uns dann ein Frühstück mit Panorama-Blick: Wir picknickten direkt am morgendlichen Mittelmeer, neben uns schwammen Möwen in der See, hinter uns lag der Hafen von Palavas...
Anschließend begaben wir uns nach Saintes-Maries-de-la-Mer, ein kleines Küstenstädtchen im Naturpark Camargue. Das erste Highlight: "Da sind Flamingos!" Und tatsächlich, in den weitläufigen Schilfgebieten konnte man kleine rosa Punkte erkennen: Rosaflamingos in freier Wildbahn sozusagen! Das Städtchen an sich war sehr niedlich, es gab gerade einen großen Markt mit frischer Paella, günstiger Unterwäsche und Plüschflamingos. Zwar alles sehr touristisch ausgerichtet, aber hübsch und gemütlich.
Arles ist eine Stadt, die ich in meinen Erinnerungen nur mit einem verbinde: Nette Frauengespräche bei einer Tasse Café au lait. Muss auch mal sein!
Und als wir dann in Marseille ankamen (nachdem wir stundenlang im Feierabendstau standen), war es schon abend und das Hafenwasser glitzerte von den Lichtern der Boote und den Häusern am anderen Ufer. Endlos lang suchten wir dann nach einem günstigen Restaurant (in Hafennähe natürlich fast unauffindbar!) und fanden schließlich ein leckeres Menü mit Meeresfrüchten, zur Feier des Tages!
Irina, eine Freiwillige aus Moldawien, die ich auf meinem Seminar kennen gelernt habe, hat uns dann beherbergt (nicht ohne uns vorher noch auf einen Drink in der Marseiller Nachtszene einzuladen).
12.März: Marseille die Zweite
Während meine Freundinnen schon morgens abreisten und sich auf den langen Rückweg machten, blieb ich noch mit Irina in Marseille und machte eine kleine Tour durch Marseilles Kulturviertel. Das Beste war immer noch der Hafen, der von malerischen Segelbooten gefüllt war und dank des starken Windes und Regens und der wilden Wolken am Himmel einen Eindruck von den Wettern der rauen See gab. Aufgrund des Regens flüchteten wir uns dann doch nach drinnen und in die Gefilde Afrikas: Zusammen mit Irina nahm ich an einem Percussion-Kurs teil, der von Djembé-spielenden Profis aus Senegal angeleitet wurde. Das war eine tolle Erfahrung! Irgendwann teilten wir alle den selben Rhythmus, den wir so sehr verinnerlichten, dass er sich quasi von ganz alleine spielte, sodass mich nur noch ein gleichmäßiges, tiefes Trommeln erfüllte, wie ein Tanz, wie in Trance...Ich merkte irgendwann nicht mehr, was meine Hände eigentlich automatisch taten und muss sagen, dass ich Musik noch nie so erlebt habe! So fesselnd und frei zugleich...
Nach dieser musikalischen Einstimmung ließen wir den Abend dann mit ein paar Freunden in einer kleinen Szene-Bar ausklingen, welche spät in der Nacht von trommelnden, rasselnden und Gitarren-Klängen aus der Réunion gefüllt wurde, die bald alle mitrissen und in einen wilden Tanz verwickelten...Und während die Musik uns auf eine Reise ins Paradis, die Réunion, mitnahm, wurde mir klar, dass meine Reise jetzt zu Ende ging.
Am nächsten Morgen nahm ich den Zug zurück nach Castres und viele Bilder, Erlebnisse, Erinnerungen und Musik mit auf den Weg.