Vertraue nur keinen Vorhersagen
Und zack! Die zweite Woche in Lyon ist um und ich werde von einem komischen Gefühl erfüllt. Meine Pläne sind so zuverlässig wie die Wettervorhersage für dieses Wochenende: gar nicht.
Am Freitag waren Hristina und ich zusammen mit Sandrine in unserm großen Carrefour für das chinesische Essen am Sonntag einkaufen, wozu wir sie ja eingeladen hatten. Sie hatte eine Liste mit den Dingen bei sich, die wir brauchen würden und zusätzlich haben wir nichts anderes gekauft. Premiere!
Normalerweise sind unsere Einkäufe etwas ungeordneter, weshalb uns am laufenden Band Dinge einfallen, die wir vergessen haben. Immer wieder nehmen wir uns vor, eine Liste zu schreiben aber letztendlich finden wir nicht die Zeit dafür und ziehen einfach los – aber nicht mehr zu Carrefour! (der Einkauf mit Sandrine dort war voraussichtlich unser letzter). Am Anfang war er ja noch beeindruckend wegen seiner Größe und Auswahl, jetzt ist er in unseren Augen ein allesfressendes Monster. Einmal drin, kommt man so schnell nicht wieder raus, und zu einem kleinen Preis sind die Dinge da erst recht nicht zu haben (man wird außerdem sehr müde nach dem wirklich allergünstigsten zu suchen, wenn man sich grundsätzlich zwischen 20 bis 40 verschiedenen Sorten egal welcher Lebensmittel entscheiden darf). Wir nehmen lieber eine längere Fahrtstrecke in Kauf um zu günstigeren Discountern zu gelangen. Unsere ersten Erlebnisse eines strukturierten Einkaufs folgen später.
Nachdem wir alle Sachen eingekauft hatten, war ich sehr gespannt auf das Essen. Viele verschiedene Gemüse dominierten den Einkaufszettel – und ich steh auf Gemüse und gesundes Essen! Und das dann noch auf chinesische Art zubereitet kann doch nur lecker werden.
Am Abend zog es Hristina und mich wieder zum Schwimmbad und es scheint, als haben wir vorerst unseren Sport gefunden. Mich reizen noch viele andere Sachen, aber schwimmen zu gehen ist das Einfachste und effektiv ist es auch.
Am Wochenende waren die „journées du patrimoine“ angesagt, Wochenende der offenen Museen und anderer öffentlicher Gebäude. Das findet einmal im Jahr statt und natürlich wollten wir uns das nicht entgehen lassen.
Hristina und ich waren am Samstagmorgen noch mit Sandrine verabredet, die uns eben zeigte, wo ihr Discounter zu finden ist und um zwölf Uhr wollten wir uns mit Elena und Saskia (sie ist deutsch, macht ein Au-Pair in Lyon und ist in Elenas Kurs) an unserem Standardtreffpunkt treffen: Dem Multimedia- und Bücherladen „fnac“, nicht weit entfernt vom größten Platz in Lyon, dem Platz „Bellecour“.
Wie schon erwähnt, finden in Lyon immer 30 Sachen gleichzeitig statt, weshalb wir noch kurz beim Indienfestival vorbeischauten bevor unsere Besichtigungstour losging.
Als erstes steuerten wir die große Oper an und hatten auch noch verdammtes Glück, weil die Führung gerade losging, als wir ankamen. Leider kann ich hier nicht viel von der – wohl sehr bewegten – Geschichte der Oper widergeben, weil ich nicht so viel verstanden hab (vor allem die Zahlen sind schrecklich umständlich im französischen!). Interessant ist aber das Innere und ein paar architektonische Besonderheiten. Der Vorraum, wo wir uns zu Beginn der Führung zusammengefunden haben, ist noch sehr prächtig, mit großen Kronleuchtern, großen Deckengemälden und Verzierungen an den Wänden. Betritt man aber den großen Saal selbst, der unabhängig im Raum „schwebt“ und somit nur über Brücken zu erreichen ist, verschluckt einen die Schwärze. Ich hatte mit einem reich verzierten Saal gerechnet, in hellen Farben gehalten weshalb ich beim Hereingehen leicht erstaunt war. Der Sinn dahinter: Man soll während der Vorstellung nicht durch andere Sachen abgelenkt werden, sondern sich nur auf das erleuchtete Bühnengeschehen konzentrieren. Auch soll so eine Art Kinoatmosphäre erzeugt werden. Davon muss ich mich bei einer späteren Vorstellung mal überzeugen, und bei Preisen, die ab fünf Euro losgehen, nehme ich das gern in Kauf.
Danach ging es einmal über die Straße ins „Hôtel de Ville“, das Rathaus von Lyon. Es sieht von außen schon sehr herrschaftlich aus, wie ein Schloss, und der Eindruck trügt nicht. Wurde ich in der Oper von der Schlichtheit überrascht, so war ich dort maßlos erstaunt wegen des Prunk: Ein großer Tanzsaal, reichlichst verziert an allen Ecken und Kanten, mächtige Kronleuchter überall, die Wandgemälde sind ebenso zahlreich wie die Deckengemälde, dicke Vorhänge, gepolsterte Sessel und Sofas, überall Teppich… die Regierung in Lyon ist untergebracht in einem Schloss! Wahrlich, in diesen Räumlichkeiten hätte sich auch ein König sehr wohl gefühlt.
Bei schönstem Wetter – für das Wochenende waren Unwetter angesagt - ging es weiter zur nächsten Station, die Universität Lyon 2 und danach war ich mit David (aus Kolumbien) verabredet, um für das bevorstehende Abschlussexamen am Freitag zu lernen. Pünktlich um drei stand ich vor der Sprachschule – von David war nichts zu sehen - nur eine andere junge Frau hockte auf den Steinen und schien wohl auch auf jemanden zu warten. Nach fünf Minuten kam sie auf mich zu und fragte, ob ich nicht zufällig eine gewisse Brianne sei, mit der sie sich verabredet hatte. Die Frage konnte ich nur verneinen aber weil wir beide warteten und weiter nichts zu tun hatten, plauderten wir weiter. Und wie der Zufall so will, kam heraus, dass sie ebenso wie ich eine Freiwillige (gewesen) ist! Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht… Erst, dass wir zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort auf jemanden warten, dann dass sie mich zufällig anspricht und dass sie dann auch noch Freiwillige war! So viele Zufälle nacheinander, die darin münden, dass ich eine neue, sehr nette Bekanntschaft gemacht hab, dieses Mal mit einer Schwedin, Laura. Und das war noch nicht der letzte Zufall für diesen Tag.
Nach einigen Minuten kam dann David schließlich angehastet und weil die journées du patrimoine spannender waren als Subjonctif und conditionnel zogen wir zu dritt los, um noch etwas besichtigen zu können.
Nach einem Museum überkam Laura der Hunger und wir setzten uns in ein kleines Restaurant, wo wir dann auch etwa zwei Stunden einfach nur saßen und uns besser kennen gerlent haben.
Als es später wurde, hatten wir auch nicht mehr viel Motivation für großartige Besichtigungen, aber ein Museum wollten wir uns doch gern ansehen: Das „Musée de Lumière“, ein Museum über die Geschichte der Brüder Lumière, die die Technik der Fotoapparate revolutionierten und den ersten Kinofilm überhaupt gedreht haben. Und weil unser Guide echt gut drauf war, war die Führung wirklich gelungen und hat mir viel Freude gemacht.
Als wir dann nach eineinhalb Stunden wieder ins Freie traten auf den Platz Montplaisir, sahen wir, dass dort eine Bühne aufgestellt worden war und sich schon einige Menschen dort versammelt hatten. „Klar“, dachten wir uns, „warum nicht abends noch ein Konzert?“ Und es hat sich voll gelohnt – das Konzert war umsonst, die Musik war super und die Stimmung ebenfalls. Die Wohnung betrat ich gegen halb zwölf am Abend, also 13 Stunden nachdem ich sie morgens verlassen hatte. Ich freute mich echt auf mein Bett …
Sonntagmorgen war kein Ausschlafen angesagt: Das Schwimmbad hatte nur morgens geöffnet und nachmittags würden wir kochen, deshalb schälten sich Hristina und ich um 8:30 Uhr in der Frühe aus den Betten und nahmen den nächsten Bus zum Schwimmbad. Dieses Mal hatte Hristina vorher an ihren Fotoapparat gedacht, der eine Unterwasserfunktion besitzt, und so hatten wir viel Spaß.
Gegen Mittag kam Sandrine zum gemeinsamen Kochen vorbei und wir überließen ihr größtenteils die Küche. Beim Schnibbeln haben wir alle mit angepackt, denn es wurde viel geschnibbelt. Größtenteils bestand das Essen aus Gemüse, und Sandrine hatte so ihre Probleme mit dem europäischen Pfannentyp und französischer Sojasauce. Von zu Hause ist sie an einen Wok gewöhnt und die Sojasauce färbt das Gemüse schwarz. Nun ja, bei uns tat sie das nicht, aber trotz flacher Pfanne und hellem Gemüse schmeckte es uns allen wunderbar.
Danach unterhielten wir uns noch lange über de verschiedensten Sachen. Sandrine zeigte uns einige Fotos ihrer Familie und von ihrem Wohnort in Peking und wie sie sich mit sieben anderen Mädchen für vier Jahre ein Zimmer teilen musste während ihrer Studienzeit. Das kam mir wirklich chinesisch vor.
Am Montag wollten wir nach dem Kurs eigentlich zur Bank, aber weil die geschlossen hatte ging ich nachmittags mit zu Lauras Wohnung, um bei ihr eine Kleinigkeit zu essen und um uns einfach nur zu unterhalten.
Für den späten Nachmittag war ich mir Hristina zum Einkaufen im Discounter verabredet und Plan war: ein Großeinkauf, der uns bis zum Ende der Woche versorgen sollte. Von Laura aus nahm ich also erst Metro und Tram zu unserer Wohnung, um dort meinen großen Reisekoffer abzuholen und dann ging’s auch schon los. Dieses Mal hatten wir auch eine Liste dabei.
Tja, und wie klein ist Lyon – wen trafen Hristina und ich beim Obst- und Gemüsestand kurz nachdem wir reingekommen waren? Elena, die die gleiche Idee hatte wie wir. Also zogen wir zu dritt los und packten alles ein, was wir benötigen würden.
An der Kasse mussten wir dann einen kleinen Schock überwinden – nicht was den Preis der Waren anging, der war mehr als in Ordnung – sondern weil meine Karte nicht funktioniert hat und ich nicht mehr viel Geld im Portemonnaie hatte. Aber weil jede von uns ihr letztes Geld hergegeben hat, erreichten wie die Preishöhe so gerade eben und konnten alles mit nach Hause nehmen. Glück gehabt.
Am Dienstag war ein Treffen mit unserem Koordinator und unserem „Vermittler“ bei Unis-Cité angesagt, wo wir satte drei Stunden mit Informationen gefüllt wurden – die für mich größtenteils nicht mehr neu waren, weil wir sie auf dem Ausreiseseminar in Deutschland bereits besprochen hatten. Danach war mein Rucksack gefühlte 5 kg schwerer, weil wir einen großen Berg an verschiedensten Dokumenten bekommen haben (Rechte und Pflichten des Freiwilligen, Versicherung…)
Am Mittwoch konnten wir dann endlich unsere Bankkarten abholen! Nun treten hoffentlich keine Zwischenfälle mehr beim Bezahlen mit Karte ein.
Später dann war ich in der großen Bibliothek von Lyon mit Laura verabredet, die dort lernen und die Bibliothek an sich mal kennen lernen wollte. Genau wie für sie, war es auch für mich der erste Besuch in diesem riesigen Gebäude. Nachdem wir es betreten hatten und durch einige hohe Gänge gelaufen waren, fragten wir uns doch allmählich, wo denn wohl die Bücher versteckt seien… als wir dann aber eine große Halle durchquert hatten, landeten wir auch schon in einem großen Büchersaal. Den und die anderen Etagen werde ich bei einem weiteren Besuch erkunden, denn für dieses Mal hatte ich nur Augen für meinen Laptop und mein Internet… in der Wohnung haben wir nämlich noch kein Internet und da ein Leben ohne Internet für Jugendliche, die im Web 2.0. sehr aktiv sind, nur schwer möglich ist, schleppe ich so oft wie möglich meinen Laptop mit mir rum (in der Sprachschule gibt es auch Internet) um die begrenzten Momente des Internet voll auszukosten. Und das kann schon so an die drei bis vier Stunden Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich nicht vorher gewaltsam davon losgerissen werde. Ab Oktober funktioniert es dann hoffentlich auch in unserer Wohnung, bis dahin heißt es noch: Laptop schleppen …
A bientôt :)