Urban Photo Hunts: Die Stadt durch´s Objektiv entdecken
Eine Stadt ist ständig in Bewegung, sie verändert und erneuert sich. Das Projekt Urban Photo Hunts (UPH) hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Prozesse von Fotobegeisterten mit der Kamera einfangen zu lassen. Das Prinzip dabei ist simpel: Man trifft sich, erkundet die Stadt und nimmt Fotos von den Dingen, Orten und Menschen auf, die bewegen. Heraus kommen Momentaufnahmen, die die Stadt in ihrer Vielschichtigkeit zeigen und ganz neue Perspektiven des Alltäglichen hervorbringen.
Francesca Sabatini steht vor einer alten Mauer am Ende der belebten Promenade an der Garonne. Weißer Putz bröckelt von den alten, übereinandergeschichteten Steinen und Efeu schlingt sich von einer Seite zur anderen.Die 24-Jährige hält die Kamera vor ihrem Gesicht und neigt langsam den Kopf von einer Seite zur anderen, um die richtige Perspektive für das Bild zu finden. Francesca ist ein Urban Photo Hunter.
Die Idee: Die Stadt vor die Linse bringen
Francesca lebt eigentlich in Rom, verbringt aber zurzeit ihr Auslandssemster in Bordeaux. Sie liebt es zu fotografieren und neue Räume in der Stadt zu erkunden. Deshalb wollte sie auch Urban Photo Hunts, das Projekt einer Freundin aus Italien, nach Bordeaux bringen. Dabei ist es alles andere als einfach im Ausland ein Projekt wie dieses auf die Beine zu stellen. Denn Francesca kennt zu Beginn weder die Leute, noch die Stadt. Doch gerade dieser Blickwinkel der „Fremden“, der in gewisser Weise von außen auf das Geschehen fällt, ist für das Projekt besonders fruchtbar, erklärt die Geschichtsstudentin: „Weil man dadurch die Stadt und ihre Veränderung aus einer ganz anderen Perspektive wahrnimmt“.
Die Idee zu Urban Photo Hunts (UPH) hatte die Italienerin Beatrice Tura, die ihre Leidenschaft für Fotographie mit ihrem Studium visueller und urbaner Soziologie zusammenbringen wollte. Im März 2016 kommt UPH nach Barcelona, kurz darauf nach Rom und Buenos Aires. Die Idee dahinter: Photographie soll ermöglichen urbane Räume gemeinsam zu erkunden und auf eine künstlerische Art zu entdecken. „UPH bringt den Blick für den urbanen Raum mit der Leidenschaft für die Fotographie zusammen und entwickelt damit ein ganz neues Format urbaner Photographie, das in den verschiedensten Städten der Welt funktionieren kann“, sagt Francesca.
Auf der Foto-Jagd
Einmal im Monat begibt sie sich auf die Jagd nach unentdeckten Vierteln der Stadt, die Geschichten zu erzählen haben. Jede „Photohunt“ hat ein bestimmtes Thema, einen Impuls, der der Suche nach Motiven eine gewisse Richtung vorgibt. Dabei bleibt es den Teilnehmenden selbst überlassen, wie sie ihre Suche nach Motiven gestalten und das Thema interpretieren. „Die Teilnehmer sollen die Chance haben den Raum ganz persönlich und individuell zu erkunden und dabei die Stadt vielleicht auch von einer neuen Seite kennenzulernen“, erklärt Francesca. Denn wo eine*r eine mit Efeu bewachsene Hauswand sieht, offenbart sich für eine*n anderen ein Zeichen des Zusammentreffens von Menschgemachtem und Natur. Jedes Foto zeigt auch ein Stück der Person, die es gemacht hat - eine gefilterte Perspektive auf die Realität sozusagen.
Wenn alle Fotos im Kasten sind, treffen sich die Teilnehmenden in einer Bar, um bei Tapas und Wein ihre Fotos vorzustellen und zu erklären. Danach werden einige Fotos auf Facebook und Instagram veröffentlicht. So entsteht ein internationaler Austausch, der es möglich macht, dass Photo-Hunter aus aller Welt sehen, welche Motive gerade in Bordeaux aufgenommen wurden.
Warum gerade Bordeaux als Stadt für Urban Photo Hunts?
Bordeaux befindet sich zurzeit im Umbruch. Es wird gebaut, Altes wird abgerissen, Neues entsteht. „Diesen Prozess muss man dokumentieren und hinterfragen“, sagt Francesca. Seit 2003 wird Bordeaux großflächig modernisiert. Das sieht man vor allem an den Stadträndern, wo moderne Wohnkomplexe einander entgegenragen, die einen Kontrast zu den historischen Gebäuden im Zentrum bilden. Ein Unterprojekt dieser Modernisierung ist Euroatlantique, das momentan größte urbane Projekt in ganz Frankreich. Ziel ist es, Bordeaux zu einem zentralen Standpunkt Europas zu machen. Dazu gehört zum Beispiel die Umgestaltung der Viertel rund um den Bahnhofs St. Jean und der Rive Droit, der anderen Flussseite, die jetzt schon zu den alternativen Wohnvierteln zählt. Und gerade diese Umgestaltung birgt für Francesca den Reiz sich jetzt erst richtig in die Jagd nach Fotomotiven zu stürzen. „Es ist einfach unglaublich spannend eine Stadt, die sich selbst sucht in diesem Wandel zu begleiten“, sagt sie und drückt auf den Auslöser ihrer Kamera.
Wer das ganze visueller angehen will, kann hier die Ergebnisse der Fotojagd hier mitverfolgen.
Weitere Beiträge
- Bordeaux und der Sklavenhandel: Die dunkle Vergangenheit der Handelsstadt
- Vier grüne Parks, die das Leben in Bordeaux besser machen
- Was eine Schale Linsen mit Solidarität zu tun hat
- Noch einmal ankommen oder: Bordeaux 2.0
- Zwischen Styroporlebkuchen und Konsumwahnsinn: Zu Besuch in der Weihnachtshauptstadt Straßburg: