Unterwegs in der großen Stadt
Einige anstrengende Tage in Petropavlovsk liegen hinter mir. Ich musste in die Stadt, um mein Visum verlängern zu lassen. Was ich dabei so erlebt habe könnt ihr in diesem Eintrag lesen. Viel Spaß!
Freitag, 12.11.2010:
Den Freitag verbrachte ich mit der üblichen Büroarbeit (GIS-Programme erforschen, Kartenmaterial sichten etc.) Zusätzlich musste ich dann immer wieder irgendetwas für mein Visum klären und mir ein Busticket an der Busstation kaufen, damit ich dann am Sonntag nach Petropavlovsk komme.
Samstag, 13.11.2010:
Da der letzte Freitag als Brückentag frei war, musste der verloren gegangene Arbeitstag heute nachgeholt werden. Allerdings wurde diese Woche im Besucherzentrum (einem kleinen Ausstellungsraum in den Gebäuden des Parks) ein neuer Boden verlegt. Dabei wurde ein ziemlich übel riechender Leim oder Lack verwendet. Auf jeden Fall hat nachher das gesamte Gebäude gestunken. Obwohl wir uns noch nicht mal beschwert hatten, kam Natalia Petrowna zu uns und sagte, dass wir uns den Nachmittag frei nehmen sollten, da man in diesem Gestank sowieso nicht arbeiten könnte. Also war zumindest der Samstagnachmittag frei und ich konnte mich in Ruhe auf meine Fahrt nach Petropavlovsk vorbereiten.
Sonntag, 14.11.2010:
Am Sonntag Morgen um 7.30 Uhr fuhr der Bus nach Petropavlovsk los. Fahrtdauer wie immer so um die neun Stunden. Ich stellte mich also auf eine lange und langweilige Fahrt ein. Glücklicherweise war ich ziemlich müde, so dass ich lange Zeit schlafen konnte und mich so nicht allzu sehr langweilen musste. Nach zwei Raucher - und/oder Pinkelpausen, einer Mittagspause in Milkovo mit Mittagessen in einer kleinen Kantine, einer Rast an einem Parkplatz mit Möglichkeit sich leckere Piroschki zu kaufen und “nur” acht Stunden Fahrt kam ich in Jelisowo, einem Vorort von Petropavlovsk, an. Dort musste ich einen Schleichweg zu einer Bushaltestelle finden und dort die Buslinie 7 nehmen. Da ich diese Bushaltestellt aber nicht wirklich fand, ging ich wieder zurück ins Zentrum und stieg dort in die Linie 7. So kam ich auch an, musste aber länger fahren. Nachdem ich dann glücklicherweise die Haltestelle, an der ich aussteigen musste erkannt hatte und ausstieg musste ich noch fünf Minuten zu der Pension laufen, in der ich auch schon übernachtet hatte, als ich Anfang Oktober auf Kamtschatka ankam.
Dort konnte ich dann mein Zimmer beziehen und am Abend kam Judith mir zwei Bekannten, die alle auch hier übernachteten. Ich sprach dann noch mal die genauen Abläufe meines Behördenganges durch und mir wurde noch mal erklärt, wie ich zur Universität finde, wo ich mich dann mit der Angestellten Anna Dawidowa treffen sollte.
Danach ging es dann zeitig ins Bett, um für den nächsten Tag fitt zu sein.
Montag, 15.11.2010:
Mein Tagesplan sah folgendermaßen aus: Als erstes das Treffen mit Anna Dawidowa in der Universität. Danach mit einigen Dokumenten, die sie mir geben sollte wieder zurück nach Jelisowo in das Büro eines anderen Naturparks Kamtschatkas (Nalychevo Naturpark) Dort brauchte ich einige Unterschriften und weitere Dokumente. Damit sollte ich dann wieder in die Stadt fahren und mit Anna Dawidowa zum Migrationsamt gehen.
So weit der Plan. Die Realität begann zuerst mal mit einer zweistündigen Busfahrt nach Petropavlovsk. Laut der Erklärungen, die ich von Susan, Vera und Judith bekommen habe, musste ich solange fahren, bis der Bus an einem goldenen Haus und einem Panzer vorbeifährt. Die Stelle war wirklich nicht zu übersehen, obwohl die Fensterscheiben beschlagen waren. So ein Panzer auf einem Steinsockel in der Innenkurve fällt einfach auf. Ist typisch russisch, dass man gerne seine militärische Stärke zeigt, durch Panzerdenkmäler, Kanonen, und Plakate, auf denen der Sieg über das dritte Reich angepriesen wird (Tag des Sieges/denh pabedi) Naja wie dem auch sei. Auf jeden Fall bin ich an der richtigen Stelle ausgestiegen und hab mich dann auf die Suche nach dem Technikum, in dem Anna Dawidowa arbeitet, gemacht. Nachdem ich eine Weile durch den Schneesturm, der gerade durch Petropavlovsk wehte, gelaufen war, fand ich das Technikum und ging zum Büro von Anna Dawidowa. Dort angekommen legte ich ihr meine gesammelten Dokumente vor. Sie gab mir einen Stapel anderer Dokumente, ich musste ein paar Dinge unterschreiben, sie sprach am laufenden Band irgendwelche bürokratischen Dinge, von denen ich nur die hälfte verstand, was aber wahrscheinlich auch ausreichte. Danach musste ich zur Post um einige Dinge zu bezahlen (Hier bezahlt man seine Rechnungen auf der Post, die buchen das dann für einen). Ich sollte einmal die Gebühr für die Verlängerung des Visums und die Gebühr für die Registrierung zahlen. Allerdings hatte ich das nicht richtig verstanden und zahlte nur eine Gebühr, für die ich auch eine Rechnung hatte, für die andere Gebühr hatte ich keine Rechnung und dachte deshalb, ich hätte bereits alles bezahlt. Naja, Anna Dawidowa erklärte sich dann bereit die nächsten Tagen noch mal zur Post zu gehen und die zweite Gebühr zu bezahlen.
Nach der Post musste ich dann mit den Dokumenten, die mir Anna Dawidowa gegeben hatte, wieder zurück nach Jelisowo fahren. Zum Glück war die Hauptverkehrszeit inzwischen vorbei und ich brauchte nur etwas mehr als eine Stunde.
In Jelisowo angekommen lief ich zum Bürogebäude des Nalychevo Naturparks und erkundigte mich, wo der Direktor ist. Da dieser nicht da war fragte ich nach dem Stellvertreter. Der war zum Glück in seinem Büro. Zuerst suchte er die Dokumente, die er mir geben sollte (Ja richtig, noch einmal ein Stapel neuer Dokumente, irgendwelche Papiere, die klarstellten, wem das Haus gehört, in dem ich wohne, Behördenkram eben). Gefunden hat er sie nicht, aber glücklicherweise wusste die Sekretärin, wo sie sind. Erster Schritt war also erfolgreich. Dann sollte er noch die Dokumente, welche ich von Anna Dawidowa bekommen hatte, unterschreiben. Allerdings meinte er, dass er als Stellvertreter die Dinge nicht unterschreiben darf. Das bedeutete für mich, dass ich an diesem Tag nicht mehr zum Migrationsamt gehen konnte. Nach einem Telefonat auf russisch und englisch mit Anna Dawidowa war klar, dass ich morgen noch mal zum Nalychevo Naturpark werde gehen müssen. Na toll!! Das bedeutete, dass ich länger als geplant in Petropavlovsk bleiben musste. Denn eigentlich wollte ich am Dienstag Morgen wieder zurückfahren.
Also ging ich halt zurück zu meiner Pension und wartete auf den nächsten Tag. Die einzige Beschäftigungsmöglichkeit war Lesen und sich über die russische Bürokratie aufregen.
Dienstag, 16.11.2010:
Nachdem ich morgens per Telefon von Judith erfahren hatte, dass der Direktor des Nalychevo - Naturparks gegen 10.30 Uhr im Büro anzutreffen sei, machte ich mich auf den Weg zum Bürogebäude des Nalychevo - Naturparks. Dort wusste der Direktor zum Glück gleich, was ich wollte und setzte seine Unterschrift unter meine Dokumente.
Dann hieß es wieder Bus fahren, eine Stunde ins Zentrum von Petropavlovsk. Wieder zum Technikum und Anna Dawidowas Büro. Dort überreichte ich ihr die unterschriebenen Dokumente. Dann mussten wir einmal durch das ganze Technikum laufen, um in der Buchhaltung weitere Gebühren zu bezahlen.
Auf dem Weg dorthin fiel mir schon auf, dass Anna Dawidowa wohl ihre Freude daran hatte (oder dachte ich hätte sie??) allen Leuten freudig zu sagen, dass sie hier gerade einen Freiwilligen aus Deutschland bei sich hatte. Ich hab dann nur nett gelächelt und gehofft, dass dieses zur Schau gestellt werden bald zu Ende wäre. Dabei hatte das erst angefangen.
Nachdem wir in der Buchhaltung eine weitere Gebühr bezahlt hatten ging Anna Dawidowa geradewegs auf eine ihrer Schülerinnen zu, fragte sie kurz etwas und dann sagte in etwa: “ Und schau mal, dass ist David aus Deutschland” Aha, das zur Schau stellen ging weiter. Ich sagte dann artig “Hallo” und vermutlich dachte die Schülerin genauso wie ich: “Nanu, was soll denn das? Naja sagen wir halt mal artig hallo”
Als dieses “Gespräch” beendet war schob mich Anna Dawidowa in die Mensa des Technikums. Dort ging es genauso weiter, diesmal prahlte sie vor dem Küchenpersonal.
Dann hab ich mir was gutes zum Mittagessen gekauft. Danach wollte ich dann eigentlich gehen, da nun alles geklärt war. Auf dem Weg nach Unten (wir waren gerade im 5. Stock) erfuhr Anna von einigen Schülern, dass in wenigen Minuten ein kleines Konzert im Saal des Technikums stattfinden sollte. Sie fragte mich, ob ich Lust hätte mir das Konzert anzuhören. Da es erst gegen 14 Uhr war und noch der ganze Nachmittag vor mir lag, sagte ich ja.
Kurz vor dem Eingang zum Saal schob mich Anna Dawidowa noch in den Raum in dem gerade die Musiker ihre Instrumente stimmten. Und wieder erzählte sie, wer ich bin und schob mich vor die Musiker, dann verschwand sie kurz und ich stand da und fragte mich was ich jetzt sagen sollte. Ich stammelte dann ein paar Worte auf Russisch und dann rief Anna Dawidowa mich schon wieder und schob mich in den kleinen Konzertsaal. Da mir die Aufmerksamkeit, die ich in der letzen halben Stunde bekomme hatte genügte, wollte ich eigentlich einen Platz in den hinteren Reihen nehmen. Anna Dawidowa wollte mir aber anscheinend einen Gefallen tun und beorderte mich in die erste Reihe. Na gut, dann sitzen wir halt mal ganz vorne.
Die Musiker spielten auf traditionellen russischen Instrumenten (Balalaika, Ziehharmonika, Bass-Balalaika…) Die Lieder waren überwiegend volkstümlicher Natur und gefielen mir sehr gut. Als das Konzert nach 50 Minuten zu Ende war, hatte ich das zur Schau stellen beinahe vergessen. Dann kam aber noch der Höhepunkt. In kleineren Mengen, tut einem etwas Aufmerksamkeit ja manchmal gut, was aber hier stattfand, war doch zu viel: Eine Moderatorin, die anscheinend von Anna Dawidowa informiert wurde, bedankte sich kurz bei den Musikern und dann erzählte sie vor den Schülern und Schülerinnen, dass ja gerade ein deutscher Freiwilliger da sei. Sie fragte mich noch etwas, ich verstand die Frage nicht, das Publikum lachte und begab sich schon auf den Weg nach draußen. Anna Dawidowa wollte mich aber noch weiter im Mittelpunkt halten und erzählte noch mehr. Wahaaaa… Ich wäre am liebsten unsichtbar geworden. Als ich dann endlich das Technikum verlassen konnte war ich heilfroh.
Inzwischen war es gegen 15 Uhr. Wenn ich schon mal in der Nähe des Pazifischen Ozeans war, dann wollt ich ihn auch sehen. Also lief ich durch die Stadt. Nach einer halben Stunde war ich an der “Uferpromenade” und stand am Strand des Pazifiks. Die Uferpromenade Bestand aus einem Kiesstrand mit Schnee und Müll und einer Hot-Dog-Bude. 10 Meter hinter dem Wasser fuhren die stinkenden Autos vorbei. Ich schaute mir dann noch eine Statue der Namensgeber von Petropavlovsk an. Die Stadt wurde von dem dänischen Entdecker Vitus Beering gegründet und der hat sie nach den heiligen Aposteln Peter und Paul (auf russisch Pjotr und Pavel) benannt. Deshalb Petropavlosk. Außerdem konnte ich noch eine riesige Statue des Stadtpatronen aus sowjetischer Zeit betrachten: Lenin wacht heute noch immer über die Stadt.
Danach begab ich mich auf den Weg zurück zu meiner Pension in Jelizow. Dort kam ich dann nach einem halbstündigen Fußweg und einer 1,5-stündigen Busfahrt an.
Den Rest des Tages verbrachte ich dann mit Lesen, denn sonst kann man hier nicht viel machen.
Mittwoch, 17.11.2010:
Da das Migrationsamt ja nur Montag und Donnerstags offen hat, beschloss ich mit Anna Dawidowa und Judith, dass ich heute zurück nach Esso fahren würde. Endlich!!! Am Donnerstag wollte Anna Dawidowa versuchen ohne mich meine Unterlagen auf dem Amt einzureichen, damit meine Angelegenheit schon bearbeitet wird und ich am Montag der folgenden Woche mein Visum abholen könnte.
Also fuhr ich um 9.30 Uhr in Jelizowo mit Bus wieder in Richtung Esso. Nach den übliche Raststationen und einer nicht enden wollender Busfahrt von neun Stunden kam ich dann wieder in meinem geliebten Esso an. Ich war wirklich froh, als ich in Esso aus dem Bus stieg und mich wieder das Hundegeheul und die frostige Temperatur, aber auch die Ruhe, die Natur und vielen kleinen Holzhäuschen empfingen.
Noch 15 Minuten laufen, dann war ich daheim. Ich rechnete damit, dass ich vier Tage hier bleiben kann. Dann, am Sonntag wieder nach Petropavlovsk fahren, mein Visum abholen und gemeinsam mit den anderen Parkmitarbeitern eine Ausstellung anlässlich des 15-jährigen Parkjubiläums anzusehen.
Da hatte ich mich aber mal wieder zu früh gefreut.
Als ich zu Hause in den Flur trat, kam Juri Nikolajewitsch, der Inspektor, der bei uns im Haus wohnt, schon auf mich zu und fragte, warum ich denn zurück gekommen wäre, denn am Freitag, also in zwei Tagen, würden wir ja schon wieder fahren. Ich wollte dem noch nicht ganz glauben. Aber dann erzählten mir Susan und Vera, dass sie heute erfahren hätten, dass sie morgen schon nach Petropavlovsk fahren müssten und der Rest dann am Freitag fahren würde.
Na toll!! Also bin ich umsonst nach Esso zurückgefahren und hab umsonst die 25 Euro für das Ticket bezahlt. Ich konnte mir nun überlegen, ob ich am Donnerstag mit Vera, Susan, Larissa und dem Parkdirektor Igor Anatolewitsch oder am Freitag mit dem Rest des Parks in die Stadt fahren würde. Ich entschied mich für Donnerstag, also morgen, da ich mir dachte, dass ich dann am Donnerstag doch gemeinsam mit Anna Dawodowa zum Migrationsamt gehen könnte. Dann, so dachte ich, wird mein Visum am Montag auf jeden Fall fertig sein.
Also schnell die Dreckwäsche aus dem Rucksack raus, frische Wäsche rein und dann fiel ich leicht frustriert ins Bett.
Weiter geht's im nächsten Bericht!
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