Um eine Gitarre reicher
Rumänen allen Alters, Geschlechts und Sexualitäten sind so unfassbar liebe Leute. Äh, und Salz hab ich mir auch angeschaut.
Here comes the sun? Wohl kaum. Die Sonne ist mittlerweile weg, von einem Tag auf den anderen wurde es kalt hier in Cluj. Aber das tut meinem Glück keinen Abbruch, nach wie vor ist jeder Tag ein Abenteuer.
Der erste Monat ist so gut wie vorbei. Ich kann mich auf der Skala des Kulturschocks gar nicht einordnen, dazu sind die Gefühle zu unterschiedlich. Und das nicht nur bei mir, sondern auch bei den Kindern. Ratet mal, wer die ganze Woche fröhlich spielt, viel lacht und rennt und beim Mittagessen mehr isst als alle anderen Kinder der Gruppe... richtig, Petru! Der Junge, der die ersten zwei Wochen durchgeweint hat... ich erkenne ihn gar nicht wieder. Er gewöhnt sich langsam an die Erzieher und die anderen Kinder, aber wenn er weint, bin ich immer noch die einzige, die ihn trösten darf. Aber es ist purer Balsam für die Seele, ihn lächeln zu sehen.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!
Der Rest der Kinder spielt sich auch ein und kriegt so langsam keinen Nervenzusammenbruch mehr, wenn Csilla (die Erzieherin) mal kurz den Raum verlässt. Na ja, außer Ivett. Die hängt wirklich mit Herz und Seele an ihr, aber ich glaube bzw. hoffe, dass sie mittlerweile zumindest keine Angst mehr vor mir hat. Mit dem Rest der Kinder komme ich einigermaßen bis gut zurecht, am meisten mag mich aber immer noch Floris. Mindestens einmal pro Tag zerrt er mich am Finger auf den Korridor, lernt Wörter die ich sage und versucht mich zu beeindrucken. Auch er weint manchmal, aber sobald ich bei ihm bin hört er auf, und er reitet mir immer ganz stolz auf einem Plastikpferd vor oder kommt einfach bei jeder Gelegenheit zu mir. Alle Kinder sind mir mittlerweile ans Herz gewachsen, selbst in so jungem Alter haben sie schon kleine Persönlichkeiten ausgebildet.
Csilla hat Emoke gegenüber behauptet, dass die Kinder mich mehr mögen als sie, aber das halte ich abgesehen von Petru für sehr übertrieben. :D Mit den Kindern aus der anderen Gruppe hat man wenig zu tun, aber ab und an spiele ich mit ihnen wenn alle draußen sind, um zumindest eine lose Vertrauensbasis aufzubauen... klappt ganz okay. Ich gebe mein Bestes, manchmal reicht das, manchmal nicht, aber ich möchte möglichst allen Kindern bei der Charakterbildung und bei ihrer Entwicklung helfen, und das geht nur wenn sie mir vertrauen.
Ich bin schon groß und vier...
Und mit der großen Gruppe muss ich sowieso bald klarkommen, denn – Trommelwirbel bitte – ich werde das Krippenspiel leiten! Auf englisch!Ahhhh! War meine Idee, ich bin so nervös... besonders, da der Ungarischkurs erst in zwei Wochen losgeht. Aber es ist eine positive Nervosität. Auch wenn ich nicht religiös bin, freue ich mich sehr drauf – als Kind hat mir das Krippenspiel immer total Spaß gemacht!
Dienstag musste ich mit Johanna eine Präsentation über Deutschland in der großen Gruppe machen, das war schonmal ein Vorgeschmack. Auch wenn ich das Ganze etwas unangenehm fand. Ich bin nicht stolz auf mein Land und tue ungern so, bin lieber Europäerin als Deutsche. Patriotismus liegt mir ganz fern, aber na ja, was muss, das muss... wir haben einen Hefezopf zum Probieren gebacken, ich habe von Bibi Blocksberg, dem Kölner Karneval, der Nordsee und dem Kanalfest in Datteln erzählt, und es hätte schlimmer sein können.
Gays & guitars (aka: meine Person in zwei Worten)
Am selben Tag habe ich auch ein supernettes Mädchen kennengelernt – supernett ist eine Untertreibung, sie ist unfassbar! Irina heißt sie. Ich bin ja jeden Dienstag in der deutschen Bibliothek, und sie saß dort und lernte. Mit dem Gedanken „Du bist hier um Leute kennenzulernen, make it happen!“ fasste ich mir ein Herz und sprach sie an, noch unwissend, dass ich die netteste Person der Stadt gefunden hatte. Wir quatschten so eine Dreiviertelstunde, dann wollte ich gehen, weil jemand zu mir kommen wollte, um meine Gitarre zu reparieren. Und, kein Witz, sie schenkte mir spontan ihre eigene – mit Tragetasche und Stimmgerät. Ich bin immer noch komplett sprachlos?! Aber auch abgesehen davon ist sie einfach super lieb und faszinierend – sie arbeitet in der IT Branche und lernt Deutsch, um nach Stuttgart zu ihrem Freund ziehen zu können. Deswegen wollen wir uns gegenseitig mit der Sprache helfen. Womit ich es verdient habe, so jemanden nach nur einem Monat kennenlernen zu dürfen, ich weiß es nicht!
Freitag machte ich mir erst die beste Pasta der Welt und ging dann mit Alkie zu einer Jam Session in einem Pub – nunja, die war jetzt nicht so besonders. :D Aber auf dem Rückweg kamen wir am einzigen Gay Club der Stadt vorbei, riefen Freunde an und gingen spontan noch tanzen. Es war einfach nur traumhaft. Zu Hause war ich nie in einem Gay Club, ich hatte weder die Freunde noch die Location dafür – es ist ganz anders als normales Clubbing. Gut, vielleicht liegt es daran, dass ich mich dort akzeptiert fühle, aber auch für Alkie war es toll. Viel entspannter, viel weniger Druck, viel... authentischer. Man merkte, dass alle wirklich Spaß hatten und sich nicht verstellten, die Leute waren offen, besonders ein Mann, der sich sein Flanellhemd hochband und dann mit ALLEN tanzte. Er gab mir zum Abschied zwei dicke Schmatzer auf die Wangen. :D Einem Mädchen habe ich meine Nummer gegeben, aber ich bezweifle, dass sie schreibt... und trotzdem, so viel Spaß hatte ich beim Tanzen noch nie!
Man nehme: einen Teelöffel Salz
Und Sonntag schließlich ging es mit den anderen Freiwilligen aus Ungarn in die Salzmine in Turda – super, da wollte ich sowieso hin und spare so Fahrtkosten. ;) Es war wirklich nice, sehr sehr tief runter (habe beim Treppenaufstieg sicher fünf Kilo Beinmuskeln gewonnen), und ein bisschen unbeschreiblich. Alles war glitschig vom Salz, und die schwere Luft roch nach Meer – dabei war es eisig kalt und in schummrige Dunkelheit getaucht. Wenn man dann unten im „Salzzylinder“, sag ich mal, stand und die Ornamente an den Höhlenwänden betrachtete, war das beinahe erdrückend. Im Kontrast dazu gab es einen großen Freizeitpark unten :D Ich Genie hab da erst mal mein Stativ zerbrochen. Prima. Mit Fotos kam man dann im Dämmerlicht nicht weit. Alkie, ich und Tibea mieteten uns ein Boot, und ich erinnerte mich wieder dran, dass Rudern gar nicht so einfach ist! Hinterher gingen wir noch Pizza essen, die ich mir mit Tibea teilte. Ich werde die drei total vermissen wenn sie nächste Woche gehen, vielleicht weil sie in meiner Gruppe waren... trotz Verständigungsprobleme waren sie alle so lieb und lustig.
Ach, übrigens: ich wurde zur Fotografin befördert. :D Soll die Kinder ab nächster Woche fotografieren, für den Kalender und die Facebook-Seite. Yeah! Nächstes Wochenende kommt endlich die Portugiesin an, Juliana heißt sie, ich freu mich auf sie! Und SPÄTESTENS übernächste Woche möchte ich im Naturpark Apuseni gewesen sein. Freue mich riesig drauf. Es ist noch mehr geplant, aber das seht ihr dann ja! Wir hören uns nächste Woche, Freunde - gleiche Zeit, gleicher Ort!