Über die Situation von RomNija in Spanien
Ein Beitrag, der die Lebensrealität von RomNija in Spanien beleuchtet und aufzeigt, wie wichtig es ist Bestehendes zu hinterfragen.
„Sie sind es gewohnt diskriminiert zu werden, getreten zu werden und schikaniert zu werden.“
(Pfarrer Pucher, 2016, S.69)
Seit beinahe zwei Monaten mache ich mein Erasmus-Praktikum bei einem Gemeinwesensprojekt in einer Stadt im Norden Spaniens. Diese Initiative richtet sich an die Bewohner*innen des benachteiligten Viertels M. und versucht diese - beispielsweise durch Alphabetisierungsmaßnahmen, Lernunterstützung, Freizeitaktivitäten und Vernetzungstreffen - zu stärken. Hierbei unterstütze ich die Mitarbeiter*innen vorwiegend bei den Alphabetisierungskursen für Frauen sowie bei der Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Ein Großteil der Zielgruppe dieses Projekts besteht aus RomNija1, die im Vergleich zu anderen ethnischen Minderheiten von der Mehrheitsgesellschaft am wenigsten akzeptiert werden. In Spanien leben etwa 700.000 Angehörige von Romani Gruppen, die vermutlich ab dem 15. Jahrhundert von Nordafrika auf die Iberische Halbinsel gewandert sind (vgl. García; Burgenland-Roma). Die spanischen RomNija wurden seit jeher unterdrückt, verfolgt und zur Assimilierung gezwungen, was sich insbesondere unter der Diktatur Francos und während des 2. Weltkrieges zuspitzte (vgl. ebd.). Auch wenn sich die Lebenssituation der RomNija in den letzten Jahren verbessert hat, so werden diese nach wie vor an den Rand der Gesellschaft gedrängt, benachteiligt, diskriminiert, unter Generalverdacht gestellt und vorverurteilt. Manchmal bestätigen sich Vorurteile, wie zum Beispiel jenes über die schlechte Ausbildung und die mangelnde Qualifikation der zumeist älteren Generation. Hierbei ist es aber stets von großer Wichtigkeit zu hinterfragen, warum das so ist. Vielen von ihnen bleibt - insbesondere in Rumänien - aufgrund der ungesicherteren Lebenslage kein Geld für den Schulbesuch oder sie sind geografisch exkludiert oder sie werden im Bildungsbereich diskriminiert, weswegen viele Kinder nicht in die Schule gehen können und später somit schwieriger einen Arbeitsplatz finden, was wiederum die höhere Arbeitslosenquote erklärt.
Oder das Vorurteil, dass alle RomNija betteln und Teil der Bettelmafia sind, was selbst eine spanische Kollegin von mir behauptet hat. Ich wage es nicht zu beurteilen wie die Situation diesbezüglich in Spanien ist, aber ich möchte darauf hinweisen, dass es in meiner Heimatstadt Graz, wo diese vermeintlichen kriminellen Strukturen auch teilweise Grundlage eines allgemeinen Bettelverbotes waren, 2006 nicht nachgewiesen werden konnte. Das bis dahin geltende allgemeine Bettelverbot wurde daraufhin 2013 vom Verfassungsgerichtshof wegen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention gekippt. Hier zeigt sich wieder einmal wie wichtig es ist, zu hinterfragen warum etwas behauptet wird und ob das tatsächlich stimmt oder vermeintliche Tatsachen beispielsweis nur geschaffen werden, um gezielt gegen eine Gruppe vorgehen zu können.
Letztens wurde der junge Rom Florin beim Klauen erwischt. Als seine Mutter davon erfuhr, brüllte diese laut los, klatschte sich mit beiden Händen ins eigene Gesicht bis es knallte und machte die anderen Kinder für das Fehlverhalten ihres Sohnes verantwortlich. Manchmal kommt es vor, dass RomNija klauen, manchmal kommt es auch vor, dass Österreicher*innen und Spanier*innen und sonstige Bewohner*innen dieser Welt stehlen oder anderen Menschen weh tun. Das passiert. Ich will damit niemanden in Schutz nehmen und ich finde es gerecht, dass der junge Rom seine Konsequenzen daraus ziehen muss. Trotzdem darf es zu keinem weiteren Generalverdacht kommen, vielmehr sollte hinterfragt werden, warum Florin die 50 Euro aus dem fremden Portmonee geklaut und sich damit Süßigkeiten gekauft hat? Vielleicht ist das Leben als Rom manchmal einfach viel zu bitter….
1RomNija: In Anlehnung an Benedik u.a. (2013, S.7) wird in dieser Arbeit der Terminus RomNija als geschlechtergerechtes Wort für Angehörige von Romani Gruppen verwendet. In Romani bedeutet Romni Ehefrau, wohingegen Rom das männliche Pendant meint.
Literatur- und Quellenverzeichnis:
Benedik, Stefan & Tiefenbacher, Barbara & Zettelbauer, Heidrun (2013): Die imaginierte "Bettlerflut". Temporäre Migrationen von Roma/Romnija-Konstrukte und Positionen. Klagenfurt/Celovec-Wien/Dunaj: Drava-Verlag.
García, José Antonio Platon: Zur Situation der Roma in Spanien. Verfügbar unter <//http://heimatkunde.boell.de/2007/11/18/zur-situation-der-roma-spanien>.18.03.2017
<http://www.burgenland-roma.at/index.php/roma-in-europa/spanien-und-portugal/spanien>.25.03.2017
Pfarrer Pucher (2016): Interview wurde am 5. April 2016 von Julia Maria Pettinger mit Pfarrer Wolfgang Pucher, der sich für RomNija in Österreich engagiert geführt.