Theaterspielen und Aufführungsvorbereitung
Drei Ferientage lang spielt kleiner und großer Theaternachwuchs Geschichten und Aufführungen
In der Mitte der Bühne steht eine Staffelei mit irgendeinem Bild darauf. Zwei Jugendliche, ein Mädchen und ein Junge, sitzen links und rechts davon und betrachten das Stück interessiert. „Déchirée“, sagt das Mädchen mit bodenlangen blonden Haaren und blauen Strähnen, und setzt dabei eine betont pseudo-interessierte Kunststudentenmine auf, während der Junge in schwarzen Docs, Dreads und Band-T-Shirt interessiert nickt. Und als er nochmal verstohlen auf seinen Theatertext schaut, kriegt er plötzlich einen Lachanfall, obwohl ihm eigentlich ein Wutausbruch zugeschrieben ist, und beginnt verschiedene Vorschläge herauszusprudeln, wie man das doch bildlich umsetzen – nämlich zerreißen – könnte. Zusammen mit den anderen Jugendlichen im Publikum, die sich auf diversen Stühlen und Sesseln lümmeln, muss ich grinsen, als unsere Theaterlehrerin Anne-Marie begeistert aufspringt und sich zu den zwei Nachwuchsschauspielern auf die Bühne des kleinen Theaters stellt. Während unseren Theatertagen in der ersten Woche der – französischen – Osterferien ist für uns einiges los.
Wir beginnen montags mit den Kleinen. 11 Kinder zwischen sechs und elf Jahren kommen, einige kenne ich schon aus den Theaterkursen oder dem letzten Theaterprojekt, ein paar sind aber auch ganz neu. Anne-Marie, die Theaterlehrerin, und ich stellen uns vor und das Programm des Tages. Und dann legen wir einfach los mit dem Theaterspielen. Wir wärmen uns auf, üben ruhig zu stehen, laut zu reden, deutlich zu artikulieren. Am Anfang spiele ich noch mit, damit es aufgeht – und weil es lustig ist –, wir gehen im Takt des Redens, erfinden Phrasen und gesprochene Musik. Und kriegen unsere neuen Jungs auch dazu, weniger schüchtern zu sein.
Weiter geht es mit Emotionen. Wir tragen zusammen, was wir kennen – und probieren aus. Und da beginne ich mit meinen Fotos, denn die Kleinen sind wirklich ausdrucksstark. Deswegen gehen wir auch bald weiter zum „richtigen Spielen“, den Sketchen. In kleinen Gruppen denken sie sich Geschichten aus und bringen sie auf die Bühne, toben sich in ihren Rollen und Erzählungen aus. Oder sie stellen lebendige Bilder da, während jemand anders erzählt. Oder lachen ausgelassen im Publikum. Ausgepowert schieben wir mittags einige Tische zusammen und picknicken mitten in unserem kleinen Theater. Ich öffne 100 Flaschen und bekomme 100 Süßigkeiten von allen Seiten angeboten. Später finden dich die Kinder selbst in einem eigenen Spiel wieder, die überforderte Mama mit Super-Nanny und abgedrehten Kindern. Und sie sind richtig in ihrem Element. Rollenspiele sind auch schon ein Theaterbeginn. Und so lassen wir sie sich austoben. Zusammen spielen wir dann „Qui aime“, wobei einer jeweils sagt, was er mag und die, die das auch mögen, kommen in seine Gruppe. Und in unserem „Ping-Pong de mots“, Wörterwerfen, bei dem man jeweils abwechselnd zu einem Thema ein Wort sucht, bis einer zu langsam ist, gewinnt dann eine unserer Jüngsten. Fertig von dem Tag verabschieden wir uns zufrieden am Abend.
Die nächsten beiden Tage arbeiten und planen wir mit den älteren im Theater in La Chapelle de Brains, einem Dorf weiter. Mein erstes Abenteuer am Morgen ist meine erste Fahrt mit dem Kleinbus von La Fédé, mit dem ich die Jugendlichen, alle samt heute aus unserer Jugendtheatergruppe, abhole. Wir sehen uns zusammen das Theater an, weil hier im Juli unser Theaterfestival stattfinden wird. Dann setzen wir uns zusammen und planen die Inszenierung des Theaterstücks, das wir auf unserem nächsten Theaterfestivalbesuch im Mai und dann im Juli aufführen wollen. Es spielt in einem Theater, aber hinter der Bühne – und ist genial getextet. Wir schaffen uns einen roten Faden durch die kurzen Szenen und gehen ans Proben. Mittags picknicken wir zusammen und feiern ein bisschen Lalous Geburtstag. Dann arbeiten wir weiter – und als die Sonne rauskommt, laufen wir raus in den Garten, wo wir auf Schaukeln und Wippen wieder kleine Kinder werden.
Am nächsten Tag kommen ein paar unbekannte Gesichter dazu. So spielen wir Taktelaufen und bringen kurze Erzählungen auf die Bühne. Und planen zusammen, wie wir den Empfang für das Festival jugendlich-theatermäßig gestalten können. Keine Stunde später treffe ich auf den Stufen vor dem Eingang dann Handleserinnen, die wunderschöne Aufführungen vorhersagen, Ritter, die sich mit Schwimmnudeln – die in Frankreich allerdings Schwimm-Pommes sind – bekämpfen und die Besucher herausfordern, und einen Verrückten aus der Zukunft, der von seinem verschollenen Volk erzählt. Nachmittags arbeitet die Truppe wieder an ihrem Stück, während sich die neuen an einen Sketch über das Theater setzen, den sie auf der „Offenen Bühne“ des Festivals aufführen wollen. Müde, aber glücklich lade ich die Jugendlichen abends wieder in Redon ab. Echte Schauspieler haben wir da auf die Bühne gebracht.