Soll man Nazis in Deutschland marschieren lassen?
Am 1. Mai versuchen die Rechtsradikale in Deutschland Demos zu machen. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. In diesem Artikel geht es darum, wie es dieses Jahr in Erfurt war. Anblick von drinnen.
Am 1. Mai dieses Jahres hat eine Nazi-Demonstration in Erfurt stattgefunden. Dort waren aber auch ganz viele Leute, die diese Veranstaltung verhindern wollten, und unteranderem euer Korrespondent. Ich bin nur früh am Morgen zum Bahnhof gegangen, um einer Freundin beim Tragen eines schweren Koffers zu helfen. Am Bahnhof waren überraschend ganz viele Menschen und Polizei. Die Leute sahen unterschiedlich aus: von Punks mit bunten Irokesen bis ganz “normalen” Menschen. Ich habe keine Ahnung gehabt, was los war, habe aber dann einen Bekannte getroffen, der erzählt hat, dass er vor hat mit einer Gruppe nach Erfurt zu fahren, um eine Nazi-Demo zu verhindern. Dann wurde ich neugierig und habe entschieden auch teilzunehmen. Der Zug von Jena nach Erfurt war so voll, dass die Fahrradfahrer auf dem Bahnsteig bleiben mussten und auf den nächsten Zug warten mussten. Im Waggon waren auch Polizisten. Als die Bahn in Erfurt angekommen ist, konnten die Fahrgäste so ein Bild sehen: es gab keinen Mensch auf dem Bahnsteig, außer den Polizisten in schwarzer Uniform. Sie haben alle Fahrgäste mit der Kamera gefilmt. Meine Gruppe von fünf Personen ist hinabgestiegen und zusammen mit anderen Gruppen haben wir einige Durchgänge im Bahnhof gesperrt. Nach 10 bis 15 Minuten wurde entschieden, in die Stadt zu gehen, um dort die Straßen zu blockieren, durch die die Nazis marschieren wollten. Die Stadt war voller Menschen, die ich zuvor am Bahnhof in Jena gesehen habe. Mit den meisten von denen ist unsere Gruppe zu einer Kreuzung gelaufen. Dort standen aber schon ganz viele Leute und die Kreuzung war komplett blockiert. Deswegen haben wir entschieden, die Orte auszusuchen, wo die Blockade weicher war. Dann sind wir entlang einer Straße gelaufen, die von beiden Seiten mit den Barrieren gesperrt war. Da sind viele Polizisten in schwarzer Uniform, Panzerwesten und Helmen gewesen. Unter anderem haben wir gesehen, dass die Polizisten sich in zwei Linien von beiden Seiten der Straße gestellt haben und ein großer Bus langsam auf der Straße gefahren ist, begleitet von zwei oder drei Polizeiautos. Als der Bus vor uns war, haben wir gesehen, dass er voll aggressiver Gesichter war. Der Bus hat vor uns angehalten und die Nazis sind ausgestiegen. Und dann hat sich ein Chaos ausgebreitet: Beleidigungen von Nazis und von unserer Seite wurden ausgeschrien, einige von den Nazis haben versucht, durch die Sperre zu brechen. Jemand von unserer Seite hat einen Milchkarton in die Nazimenge geworfen und das war ein Signal für die Polizisten. Sie haben uns sehr aggressiv mit Schreien angegriffen. Ich vermute, dass einer sogar leicht verletzt wurde. Wir haben keine Wahl gehabt und sind schnell gelaufen. Die Polizisten haben uns ungefähr 15 Meter verfolgt. Die Polizisten haben ca. 5-10 Minuten dort gestanden, um uns nicht zur Straße durchkommen zu lassen. Als sie gegangen sind, sind wir in die Richtung schnell gelaufen, in die die Nazis gegangen sind. Auf der nächsten Kreuzung saß schon eine Gruppe von Menschen, um eine Blockade zu machen. Dort waren aber mehr Polizisten als Aktivisten. Aber rund um die Kreuzung waren richtig viele Leute und nachdem die Polizisten die Kreuzung teilweise verlassen hatten, sind fast alle, einschließlich meine Gruppe, zur Kreuzung gelaufen und haben sich hingesetzt. Eine lustige Situation hat dort stattgefunden: ein Junge und ein Mädchen, die auf gegenüberliegenden Seiten standen, haben sich gesehen und sehr laut gegrüßt. Sie haben sich schon seit Jahren nicht gesehen! Natürlich haben sie Applaus vom Publikum gekriegt. Nach einigen Minuten wurde es dort richtig laut: eine Samba-Gruppe mit zahlreicher Perkussion ist als Unterstützung gekommen. Meine Gruppe ist noch für kurze Zeit dageblieben und danach wieder losgegangen, um weichere Blockaden zu finden. An einigen Gebäuden konnte man die Plakate sehen, wie zum Beispiel “Nazis essen heimlich Döner”, aus den Fenstern konnte man die Anti-Nazi Songs hören. Die Leute, die wir zufällig getroffen haben, waren zu uns sehr freundlich und haben uns geholfen, den Weg zu finden. Wir haben aber keine weichen Barrikaden gesehen. Bei jeder sind viele Leute gewesen, deswegen hat in Erfurt keine richtige Nazi-Demo stattgefunden. Als alles zu Ende war, ist meine Gruppe zufrieden zurück nach Jena gefahren.
Am 15. Juni soll ein Nazi-Fest in Kahla, einer Stadt in der Nähe von Jena, stattfinden. Bürgerschaftlich engagierte Menschen bereiten sich wieder vor, um dies zu verhindern.
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