Solidarität - Was ist das und wenn ja, wie viele?
Gibt es Solidarität überhaupt? Ist sie genetisch bedingt? Und gegenüber wem sind wir solidarisch? Das Thema Solidarität wirft viele Fragen auf. Unzählige Wissenschaftler , Politologen und Soziologen haben sich bereits mit diesen Fragen beschäftigt. Was ich darüber denke? - seht selbst!
Solidarität - Was ist das und wenn ja, wie viele?
Solidarisch sein gegenüber Flüchtlingen, sich mit Umweltaktivisten im Hambacher Forst solidarisieren, ein geeintes Europa retten. Das ist Solidarität, wie sie in der öffentlichen Debatte derzeit oftmals auftaucht. Das Thema ist viel diskutiert. Wie weit kann unsere Solidarität gehen? Gegenüber wem sind wir solidarisch? Doch vorerst stellt sich die Frage, die hinter all dem steckt: Sind Menschen von Geburt an solidarisch? Ist unsere DNA so programmiert, dass wir aus Instinkt altruistisch handeln? Und: Hat es sich im Laufe der Evolution als günstig herausgestellt, solidarisch zu sein?
Ein internationales Forschungsteam der Universität Utrecht stellte hierzu Untersuchungen an. Einer Studie zufolge, sei Handeln aus eigenem Kalkül empirisch und eine Neigung zu selbstlosem Verhalten genetisch bedingt. Die Forscher um den Psychologen Jack van Honk beziehen sich dabei auf ihre Untersuchung des Urbach-Wiethe-Syndroms. Sie beobachten den Zusammenhang des Syndroms mit solidarischem Handeln. Aus ihren Untersuchungen schließen die Forscher, dass das Gen „solidarisch handeln“ durch das Urbach-Wiehte-Syndrom“ negativ beeinflusst wird und dass dies die Annahme bestätigt, es gäbe grundsätzlich eine genetisch verankerte Solidarität. Auch Darwins Evolutionstheorie würde diese Beobachtung bestätigen. Es hat sich in der Menschheitsgeschichte oftmals als überlebenseffizient oder wohlstandssteigernd herausgestellt Kooperativen einzugehen. Ich zweifle die These dennoch stark an und glaube, dass Menschen charakterliche Tendenzen haben und je nach Entwicklung in ihrem Umfeld können sich diese Tendenzen entfalten oder nicht. Dasselbe gilt aber auch für egoistisches, egozentrisches Verhalten oder den Drang Macht über Andere auszuüben. Natürlich spielen bei dieser Entwicklung alle Einflüsse der Lebenssituation eine Rolle. Wie verhält es sich mit der Solidarität, wenn man nie die Möglichkeit hatte, sie auszuleben? Wenn man nie Solidarität erfahren hat? Kann ein Kind, das in Zeiten einer Diktatur und Unterdrückung geboren ist, von sich aus, die Initiative zu Solidarischem Handeln ergreifen? Dr. Josef König von der Ruhr-Universität Bonn sagt dazu, dass es zumindest möglich sei, Solidarität zu erlernen. Im Bereich der Zivilcourage geht es beispielsweise um die Förderung von Selbstbewusstsein und Mut in Sicherheitstrainings, was sich dann positiv auf das couragiertes Verhalten in Gefahrensituationen auswirken kann. Aber auch in diesem Fall wird dem Menschen gezeigt, was „Solidarität“ überhaupt ist.
Eigentlich kann man durch solidarisches Handeln doch nur gewinnen. Wie kommt es, dass dann trotzdem Menschen sich nicht solidarisieren? Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig. Wenn sich eine Welt so schnell entwickelt, wie es derzeit der Fall ist, sodass gesellschaftliche Gruppen oder gar ganze Staaten dem Trend nicht mehr folgen können, entstehen Parallelgesellschaften. Zudem kommt es zu Entfremdung zwischen schnell und hochentwickelten Ländern und dem Rest der Welt. Indem sie sich die Einen über Andere stellen, um nicht das letzte Glied der Nahrungskette zu sein, entsteht ein Rad aus Macht, das nur noch wenig mit dem Gedanken der Solidarität zu tun hat. Ist diese Entwicklung in allen Kulturkreisen vergleichbar? Oder sind Jordanier grundsätzlich solidarischer und gastfreundlicher als Deutsche? Hat es eher damit zu tun, wie sehr der*die Einzelne in das System eingebunden ist? Ist ein Großkonzernbesitzer grundsätzlich weniger solidarisch als der minijobbende Philosophiestudent? Die Empathie eines Menschen, der selbst geringeres Einkommen hat, kann unter Umständen höher sein, als bei einem Menschen, dem Existenzangst gänzlich fremd ist. Viele der Flüchtlingshelfer in Griechenland sind selbst aufgrund der Krise in einer schwierigen finanziellen Lage. Sie helfen gerade deshalb, weil sie sich von anderen Menschen dieselbe Solidarität erhoffe würden. Dennoch gibt es auch einzelne Gegenbeispiele wie Bill Gates, der einen Teil seines Vermögens in humanitäre Projekte seiner Privatstiftung „Bill und Melinda Gates Foundation“ investiert.
Man könnte sagen, jeder Mensch sei frei und könne für sich entscheiden, ob er solidarisch handle oder nicht. In Gewissem Maße stimmt das. Doch man darf nicht vergessen, dass insbesondere die Europäer ein Erbe in sich tragen, das nicht gerade danach schreit, getrost die Augen vor Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen zu verschließen. Viele Kriege, Abhängigkeiten und die Ungleichheit sind Spätfolgen des von ihnen initiierten Kolonialismus. Viele afrikanische Länder müssen noch immer Abgaben zahlen und werden sich so nie aus der Abhängigkeit lösen. Hinzu kommt, dass die Industrieländer mit Abstand den größten Teil der weltweiten Umweltverschmutzung ausmachen. Auch Deutschland ist dabei keine Vorzeigenation. Deutschland ist Europas größter Plastikproduzent! Und die, die am wenigsten produzieren, leiden am meisten. Anhaltende Dürreperioden in Afrika, die den Menschen die Existenzgrundlage entzieht, bieten den Einheimischen teils keine andere Möglichkeit, als den beschwerlichen Weg über Libyen und das Mittelmeer nach Europa zu nehmen. Somit ist offenkundig, dass bestimmte Nationen noch mehr als Andere in der Verantwortung sind, eine klimafreundliche Wirtschaft durchzusetzen. Auch das ist in gewisser Weise Solidarität.
In unserer heutigen Zeit kommt dazu oft die Aussage: „Hilfe nur für Bedürftige“. An sich ist es plausibel, mit einem Menschen solidarisch zu sein, der Hilfe benötigt. Doch was heißt denn bedürftig? Ist Einer, der Hartz 4 bezieht, bedürftig? Ist ein Freund, der von seiner Freundin verlassen wurde bedürftig? Und was ist mit einem Flüchtling, der aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommt? Wer kann denn schon beurteilen, wer „wirklich“ bedürftig ist? Eigentlich ist es ganz einfach. Sobald ein Mensch Hilfe erbittet, ist er es. Und dann muss ihm diese Hilfe auch gewährt werden.