Probieren geht über Studieren!
Das erste Mal allein im Bus, in der Kirche und nicht zum ersten Mal im Fitnessstudio
Letzte Woche entstand bei mir der Wunsch in die Kirche zu gehen. Das wundert mich eigentlich, da ich in Deutschland wirklich selten in die Kirche gehe. Unter Kollegen, Bekannten und Freunden fragte ich also herum, wo und wann ich denn eine christliche Messe besuchen könne. Die meisten Chinesen sind konfessionslos, nur wenige besuchen die Kirche. Ich erfuhr dennoch von einer bilingualen Gemeinde (chinesisch-englisch), 7 Busstationen von meiner Uni entfernt. Eine chinesische Freundin begleitete mich zum Bus, um dem Busfahrer zu erklären, er solle mir doch bitte Bescheid sagen, wenn ich aussteigen müsse. Als wir an der entsprechenden Haltestelle hielten, guckte er mich blöd an und sagte natürlich nichts. Nur gut, dass ich die Haltestellen mitgezählt hatte und auch so wusste, dass ich aussteigen muss. Verrückt: Nach 2 Monaten Aufenthalt war das das erste Mal, dass ich alleine ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt habe. Schließlich ist es, wenn man die Namen der Haltestellen nicht lesen oder verstehen kann (zumindest bei den Bussen), mit einem gewissen Risiko verbunden.
Aus dem Bus ausgestiegen, hielt ich Ausschau nach Passanten, die sympathisch und nicht allzu gestresst aussahen. Ein junges Mädchen, das sogar Englisch konnte, und eine weitere Frau erklärten mir den Weg zur Kirche. Ganz ehrlich: Ich war echt stolz auf mich. Es klingt vielleicht albern, aber mit geringen Sprachkenntnissen hätte das schließlich auch in die Hose gehen können.
Vor der Messe setzten sich mehrere ältere Personen zu mir, versuchten etwas Chinesisch mit mir zu sprechen und fragten mich, woher ich käme und ob ich das erste Mal da sei. Eine freundliche Frau erzählte mir, sie sei jeden Sonntag in der Kirche. Es sei wirklich traurig, wie wenige Chinesen christlichen seien. Dann zeigte sie mir ein paar Bilder von ihrer Reise nach Deutschland. Sie sei schon in Düsseldorf und Köln gewesen und liebe Deutschland. Sie freute sich so sehr, dass sie mir, einer Deutschen begegnete, dass sie gar nicht mehr aufhören konnte zu strahlen und mich umarmte.
Unser weiteres Gespräch verschoben wir auf später, weil die Band zu laut probte. Und damit meine ich keine Klavier-Cajon-Triangel-Band, sondern mit Akustik- und E-Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Sänger. Die Messe wurde also mit einem kleinen Rockkonzert eingeleitet. Der chinesische bzw. englische Text wurde auf Leinwände projiziert, sodass alle mitsingen konnten und echt Stimmung aufkam. Anschließend wurde bilingual eine lange Rede gehalten, wobei die unterschiedlichsten Themen angeschnitten sind: Was sind Wunder? Wieso sind wir heute hier? Woran erkenne ich einen Christen?
Ich muss sagen, die Botschaft „es gibt nur eine richtige Art den Christentum auszuleben“ sagt mir nicht zu. Der Ablauf der Messe war ganz anders als mir bekannt. Ich fand es nicht weiter schlimm, nur halt anders. Das Einzige, dass mir persönlich wirklich fehlte, waren ein paar ruhige Minuten, für ein persönliches Gebet.
Nach der Messe kam die Frau auf mich zu, mit der ich schon vor der Messe gesprochen hatte. Sie sagte mir, sie wolle demnächst mit einer Englischlehrerin der Universität über den Christentum sprechen und lud mich ein, sie zu begleiten. Ich kann nicht einschätzen, was mich dabei erwartet (Missionierung?!), aber ich habe zugesagt. Außerdem wurde ich noch zwei jungen Männern vorgestellt, die sich schon lange in der Kirche engagieren. Einer gehörte zu der „Rock-Band“ und lud mich zu einer Probe nächsten Mittwoch ein. Mal sehen, ob das was für mich ist. Eigentlich hatte ich mehr an einen Kirchenchor gedacht, aber vielleicht ist das ja das Richtige für mich. Probieren geht über Studieren!
Apropos ausprobieren – gestern habe ich das Fitnessstudio ausprobiert. Eine chinesische Freundin hatte mich in ihr Studio mitgenommen und uns eine Stunde mit ihrem Trainer gebucht. Ich hatte auf ein etwas ausgeglicheneres Frauen-Männer-Verhältnis gehofft – es war ernüchternd: Auf 30 Männer kamen vielleicht 5 Frauen. Ich versuchte, die Blicke der Männer so gut wie möglich zu ignorieren. Das Training hatte trotzdem viel Spaß gemacht. Ich bin mit dem Studio zufrieden: 10 min von meinem Wohnheim entfernt, gute und saubere Geräte, ordentliche Sanitäranlagen. Meine Freundin muss mir demnächst noch den Vertrag übersetzen, aber ich denke, ich werde mich für ein Semester für 400 Yuan (<50€) anmelden. Das hat die Vorteile: Ich bleibe über den Winter fit, obwohl es draußen zu kalt ist, um lange spazieren zu gehen oder Fahrrad zu fahren. Ich habe einen Grund abends noch mein Zimmer zu verlassen, trotz Kälte und Dunkelheit. Ich habe schon eine Trainingspartnerin. Und ich kann weiterhin viel leckeres chinesisches Essen genießen!
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