Privilegien sind Pflichten. Rückblick auf 5 Jahre UNICEF Juniorteam.
Warum Engagement wichtig ist, was mir durch die Zeit im UNICEF Juniorteam bewusst wurde und warum Du Dich bei UNICEF mitengagieren solltest.
Warum ist UNICEF so wichtig?
Bevor es richtig losgeht, zu Beginn erst einmal eine kurze Info zu meiner Person. Ich bin Helena, 18 Jahre alt und habe diesen Sommer mit dem Abitur die Schulzeit beendet. Mit etwa 13 Jahren kam ich durch meine Cousins und Cousinen zu den UNICEF Juniorbotschaftern unserer Stadt Lörrach. Es hat mich beeindruckt, wie die anderen jungen Menschen in der Gruppe sich für Kinderrechte einsetzten. Zudem habe ich mich gefragt, warum manche Kinder in Armut, Hunger oder Krieg aufwachsen müssen. Im Juniorteam mitzumachen erschien mir eine sinnvolle Möglichkeit. Zunächst war mir nicht ganz klar, wieso diese schlimmen Probleme nicht einfach behoben werden können. Wieso können Menschen nicht aufhören sich zu bekriegen? Weshalb können nicht Schulen gebaut werden, sodass mehr Kinder lernen und später einen Beruf ausüben können?
Im Laufe der Zeit wurde mir klar: Es handelt sich um komplexe globale Probleme, die vielschichtig sind und häufig aus wirtschaftlichen, ideologischen oder politischen Interessen heraus entstehen. Aber auch der voranschreitende Klimawandel, dessen Folgen bereits spürbar sind und der zu immer knapperen Ressourcen führt, verschlechtert die Lebensbedingungen weltweit zunehmend.
So scheint ganz klar, dass man nicht warten kann, bis sich die Lage für Kinder von alleine verbessert. Es braucht humanitäre Organisationen wie UNICEF, um das Überleben von Kindern in Konfliktgebieten zu sichern, denn als verletzlichste Glieder der Gesellschaft leiden sie unter Krisensituationen ganz besonders.
Welche Aufgaben hat das UNICEF Juniorteam?
Nicht warten, bis jemand anderes etwas tut, sondern selber Initiative ergreifen um zu einer Veränderung beizutragen – das ist der Kern eines jeden Engagements, auch bei UNICEF.
Im Juniorteam haben wir Jugendlichen die Aufgabe, Kinderrechte bekannter zu machen. Das heißt, durch Aktionen wollen wir von der Kinderrechtskonvention erzählen und diese auf verschiedensten Wegen in die Öffentlichkeit tragen. Sei es durch Aktionen auf der Straße, über die sozialen Medien, das Radio oder die Presse.
Ziel ist es, ein Bewusstsein zu schaffen für die bedrohlichen Situationen, in denen Millionen Kinder leben müssen. Alle sollten wissen: Jedes Kind hat Rechte. Recht auf Bildung, Recht auf Unversehrtheit, Recht auf gewaltfreie Erziehung...
Nur wer seine Rechte kennt, kann diese einfordern
Doch nur wer seine Rechte kennt, kann diese einfordern, richtig? Darum ist es enorm wichtig, dass gerade Kinder von den Kinderrechten erfahren, sodass sie wissen, was ihnen zusteht. Nun stellt sich die Frage: Was kann man tun, um die Kinderrechte bekannter zu machen?
Um dies zu beantworten, möchte ich gleich erzählen, was wir im Juniorteam Lörrach an Aktionen gestartet haben. Ich werde vor allem auf die zwei vergangenen Jahre eingehen, in denen meine beste Freundin und ich das Team in unserer Stadt geleitet haben.
Parallel zu unserem ersten Jahr in der Leitung habe ich die UNICEF Juniorteamer*innen Ausbildung mitmachen dürfen. In diesem Rahmen konnte ich mich toll vernetzen, mehr über die Arbeit von UNICEF lernen sowie spannende Einblicke in die internen Prozesse der Organisation erhalten, wie z.B. die Arbeit in der Kölner Zentrale, der politischen Advocacy-Abteilung oder dem Bereich Philanthropie.
Viele wunderbare Menschen kamen neu in unser Juniorteam, enge Freundinnen haben sich mitengagiert und auch andere Menschen aus der Schule wurden auf unsere Gruppe aufmerksam.
Ein Highlight war ein Präsenztreffen im Frühjahr 2020 nach dem ersten großen Lockdown. Viele neue und alte Gesichter kamen zusammen und bei einer Vorstellungsrunde, in der alle von ihrer Motivation zum Engagement erzählten, wurde mir klar, wie viele wundervolle junge, aktivistische Menschen es doch gibt. Das war bestärkend und gab Hoffnung und Zuversicht.
Lokal und international aktiv
Die Aktionen in unserem Juniorteam lassen sich grob in zwei Bereiche einteilen. Einer davon sind die internationalen Aktionstage. So hatten wir beispielsweise einen Straßenstand zum Weltmädchentag oder auch eine Aktion zum Red Hand Day, dem Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten.
Weiterhin haben wir uns bei der #leavenoonebehind Kampagne für die Evakuierung minderjähriger Flüchtlinge im griechischen Moria positioniert.
Besonders aufregend war der Tag der Kinderrechte 2019, an dem wir in der SWR Radiozentrale in Lörrach einen Beitrag gestalten durften.
In den letzten beiden Jahren haben wir uns aufgrund der Pandemie viel im digitalen Raum bewegt. Wir haben zum Beispiel ein Instagram Profil erstellt, mit dem wir mehr und mehr junge Menschen erreichen können. Immer wieder haben wir uns überlegt, welche Fragen junge Menschen in unserem Umfeld gerade beschäftigen. So kamen wir auf Themen wie mentale Gesundheit. In dem Kontext hatten wir ein Interview mit einer Schulsozialarbeiterin, über das wir auf Instagram berichteten, um das Thema mentale Gesundheit zu enttabuisieren.
Der andere Bereich sind die lokalen Aktionen. Hierbei sind wir besonders stolz auf zwei Projektinitiativen. Zum einen haben wir die Idee eines trinationalen Kinderrechtsweges durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz vorgeschlagen, denn unsere Stadt Lörrach liegt im Grenzgebiet. Diesbezüglich hatten wir Gespräche mit dem Kulturbeauftragten unserer Stadt sowie unserem Oberbürgermeister.
Ebenfalls in Rücksprache mit der Stadt haben wir die „Kinderfreundliche Kommune“ ins Gespräch gebracht. Das ist ein Siegel, welches eine Stadt erhält, wenn sie die Bedürfnisse der Kinder besonders berücksichtigt. Aus finanziellen Gründen ist die Umsetzung momentan zwar schwierig, aber prinzipiell hat sich die Stadt in unseren Gesprächen offen und kooperationsbereit gezeigt, was uns gefreut und in unseren Forderungen bestärkt hat.
Keine Kinderrechte ohne Klimaschutz
Allgegenwärtig präsent in unserer Aktionsplanung war und ist das Thema Klimakrise. Man kann sich fragen: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Kinderrechten und dem Klimawandel? Und ob! Denn...
... der Klimawandel hat schwerwiegende Folgen für unsere Umwelt und damit logischerweise für uns Menschen als Bewohner*innen der Erde.
Er betrifft uns alle, aber am härtesten trifft die Klimakrise die Bedürftigsten unserer Gesellschaft, vor allem Kinder.
Die drastischen Auswirkungen des Klimawandels erschweren den Zugang zu Nahrung, sauberem Trinkwasser, Gesundheit, Bildung und Schutz. Dadurch werden auch die Kinderrechte gefährdet, wie zum Beispiel das Recht auf Kindeswohl (Art. 18Kinderrechtskonvention), Gesundheit (Art. 24) und angemessene Lebensbedingungen (Art. 27). Ohne Klimaschutz können also keine Kinderrechte be- und geschützt werden.
Daher haben wir als Juniorteam Lörrach die Fridays for Future Ortsgruppe unserer Stadt unterstützt, indem wir beispielsweise bei den Schulstreiks Baumpflänzchen oder regional geerntete Äpfel verteilt, mitorganisiert sowie Redebeiträge gehalten haben. Zuvor habe ich von der essentiellen Rolle humanitärer Organisationen wie UNICEF gesprochen. Eine ebenso wichtige Bedeutung kommt FFF zu. Fridays for Future als gesellschaftliche Gruppierung, die „von unten“ durch v.a. Schulstreiks Druck auf die Politik ausübt.
Zwar kann UNICEF die Lage vor Ort verbessern und versuchen, das Überleben zu sichern. Allerdings braucht es für langfristige Veränderungen politische, multilaterale Maßnahmen und eine entschlossene Bereitschaft zum Wandel von Seiten der Entscheidungstragenden. UNICEF wirkt auf die politischen Entscheidungstragenden ein und unterstützt zum Beispiel ehemalige Kindersoldaten bei der Reintegration ins Leben. Aber der Stopp von Waffenlieferungen aus Deutschland muss auf einer politischen Ebene passieren. Analog kann Klimagerechtigkeit nur erreicht werden, wenn neben dem gesellschaftlichen Veränderungswillen konkrete politische Entscheidungen und Regelungen zum Erreichen des 1,5 Grad-Zieles von Paris getroffen werden.
Deutschland könnte eine Vorreiterrolle einnehmen, sowohl was die Umsetzung der Kinderrechte als auch die Verlangsamung der Klimakatastrophe angeht. UNICEF und Fridays for Future spielen eine wegweisende Rolle in diesem gesellschaftlichen und politischen Bewusstseins- und Wandelprozess.
5 Dinge die ich in 5 Jahren bei UNICEF gelernt habe
Welche Bilanz ziehe ich jetzt aus meiner bisherigen Zeit im UNCIEF Juniorteam? Was habe ich aus den fünf Jahren gelernt und mitgenommen? Hier die fünf für mich bedeutsamsten Erfahrungen.
1. Vernetzung
Sowohl durch das Juniorteam, aber auch durch die Juniorteamer*innen Ausbildung konnte ich gleichgesinnte Menschen kennenlernen, mich zu interessanten Themen austauschen, gemeinsam kreativ sein und als Gruppe Projekte umsetzen. Das gab Inspiration und ein Gefühl von Zusammenhalt und Zugehörigkeit. Mit tollen Menschen zusammen zu arbeiten macht einfach Spaß.
2. Kommunikation, Organisation und Projektdurchführung
Bei der Planung von Aktionen habe ich viele nützliche Skills gelernt und konnte mich vielseitig ausprobieren.
3. Positives Selbstwertgefühl
Das Gefühl, Energie in etwas Sinnstiftendes zu stecken, hat mich total bestärkt und im Engagement motiviert.
4. Geduld und Durchsetzungsvermögen
Die Umsetzung größerer Projekte braucht Zeit. Auf politischer Ebene habe ich das gemerkt, als wir mit unserer Stadt ins Gespräch kamen, um Lörrach zur „Kinderfreundlichen Kommune“ zu bewegen. Prinzipiell ist der Wille der Stadtverwaltung vorhanden, aber es gibt immer Hürden und Verzögerungen. Gleiches gilt auf bundesweiter Ebene, wie zum Beispiel für die Initiative „Kinderrechte ins Grundgesetz“, oder auch die Ausrichtung der Bundesregierung auf einen klimafreundlichen 1,5 Grad-Pfad. Umwälzungsprozesse, politische sowie gesellschaftliche, erfordern Geduld, aber auch einen gewissen Biss, weiterhin Druck auf die Entscheidungstragenden auszuüben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jungen Menschen weiterhin mit Fridays for Future und anderen Gruppierungen auf die Straße gehen. Es hat sich bisher gezeigt, dass viele Politiker*innen nicht in der Lage sind, konkrete Maßnahmen für eine lebenswerte Zukunft zu ergreifen. Deshalb müssen wir aktiv werden und daran erinnern: Hey, wir sind noch da und geben nicht auf. Was wir fordern ist wichtig für die ganze Menschheit. Hört auf die Wissenschaft und handelt dementsprechend.
5. Privilegien sind Pflichten
Als in Deutschland aufgewachsene junge Frau fühle ich mich durchaus privilegiert in meinen freien Entwicklungschancen. Das ist nicht überall selbstverständlich und ich weiß mein sicheres, unterstützendes Lebensumfeld zu schätzen.
Deshalb finde ich es wichtig, die eigenen Möglichkeiten zu nutzen, um für diejenigen die Stimme zu erheben, die es selber nicht können. Es ist eine Frage moralischer Verpflichtung.
Wieso solltest Du Dich engagieren?
Zusammenfassend kann ich nur dazu ermutigen, bei UNICEF aktiv zu werden.
Ehrenamtliches Engagement kann persönlich bereichernd sein und trägt gleichzeitig zu einer größeren Veränderung bei.
Wie es das afrikanische Sprichwort, das einen Teil der Berliner East Side Gallery ziert, schön zusammenfasst:
„Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“
Sidenote: Diesen Blogbeitrag habe ich für die UNICEf Deutschland Homepage verfasst. Den Artikel findest du auch hier: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/unicef-juniorteamerin-loerrach-erzaehlt/258492