Pask laouen - God påske!
Typisches Ostern in den norwegischen Bergen, eine schöne Außentoilette und man übt sich im Bretonisch lernen.
Zu guter letzt: Danke an Kay für den Tipp bezüglich æ, ø und å - tusen hjerteleg takk!
Oder God påske (Frohe Ostern), wie der Norweger sagen würde. Ich übe mich aber gerade fleißig im Bretonischlernen, aber da habe ich mir was vorgenommen...! Die Satzstellung völlig verdreht, Zungenbrecher (Februar heißt z.B. c'hwevrer) und Mutationen jeweils in den Kategorien hart, weich, gehaucht und gemischt - herrlich! Aber ich beiß mich durch. Alles Gehirntraing.
K wie Kino- und Kündigungsrausch.
In der Woche nach Beitostølen hat sich eigentlich nicht viel zugetragen, ich hatte am Montag und Dienstag danach frei, wie gesagt, und dann hatte ich eine ganz normale und unauffällige Woche im Büro. Am Freitag haben Bjørn, Marit und ich uns den neuen Varg-Veum-Film "Dødens trabanter" angesehen, den wir alle ganz bis sehr gut fanden und die harsche Kritik der Zeitung "Aftenposten" nicht immer nachvollziehen konnten. Am Samstag habe ich mir den Film "Kongens Tale" (The King's Speech) über den stotternden britischen König Georg VI. angeschaut, sehr beeindruckend und einfühlsam. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, mir ein Drama über sieben Flüchtlinge eines sibirischen Gulags anzuschauen, aber der war nach nur 10 Tagen wahrscheinlich aufgrund schlechter Publikumszahlen eingestellt worden, dabei hatten sie zuvor noch groß die Werbetrommel gerührt. Montag rauschte ich auch noch mal ins Kino, um mir "Ørnen" (The Eagle) anzusehen, den fand ich wirklich gut - was ja fast bei jedem Film für mich der Fall ist, der im alten Rom spielt, in diesem Fall als die Römer die britische Insel besetzt hielten. Seit diesem Film habe ich auch einen schönen Namen gefunden: Esca (ist übrigens männlich). Ich habe jetzt auch eine Lieblingskinowerbung, die klar, von Volvo stammt: http://www.youtube.com/watch?v=Z0ynjmdhki4
Am Montag kam auch Karianne, meine Gastschwester, von ihrem eineinhalbmonatigen Aufenthalt aus Tansania zurück. Dort hatte sie in einem Kinderheim und einer Schule gearbeitet und war außerdem auf den Kilimandscharo gestiegen. Eine lange Ruhepause gab es für sie nach der Ankunft daheim aber nicht, denn am nächsten Tag wollten wir schon zur Hütte im Jotunheimen Gebirge aufbrechen.
In Norwegen ist es sehr üblich, dass man über Ostern zu seiner Hütte in den Bergen fährt, wobei die Tendenz wohl zum Ferienhaus im Süden tendieren wird, da der Schnee in den Bergen im April nicht mehr lange hält. Denn zu einem richtigen norwegischen Osterurlaub gehört auch Skifahren. Das dachte sich auch mein Gastvater Bjørn, der voller Optimismus die Skiausrüstung einpackte und sich von den Informationen seines älteren Bruders Geir, wenig Schnee, nicht beirren ließ: "Wir müssen unser Gepäck auf Skiern zur Hütte raufschleppen."
Meurzh - Tirsdag - Dienstag
Dienstagnachmittag ging es dann los und je höher wir kamen, umso weniger Schnee wurde es, könnte man sagen. Es blieb jedenfalls grün, grün, grün bzw. gelb. In Beitostølen zeigten sich erste zaghafte Schneefleckchen, die Hütte lag ungefähr eine Dreiviertelstunde nördlich von Beitostølen, über den Pass Valdresflya, welcher glücklicherweise geöffnet war, aber aufgrund von weiterhin schwierigen Straßenverhältnissen von 20 bis 8 Uhr morgens geschlossen bleibt. Über die Ankunft freute sich wohl am meisten Timo, dem wie üblich im Auto schlecht geworden war und ständig frische Luft durch das geöffnete Autofenster schnappen musste - und das war kein Witz mit seinen ungekürzten Krallen, die sich schön in den Oberschenkel graben, wenn er sich darauf stemmt, um aus dem Fenster zu sehen.
Timo als Buchstütze
Und wie sich dann herausstellte, war es nicht einmal in Ansätzen möglich, mit Skiern zur Hütte hinaufzufahren, denn von Schnee nur vereinzelt Spur, aber sehr sehr spärlich; Marit meinte, so wenig habe es seit 30 Jahren nicht gegeben, auch wenn dieses Ostern relativ spät im Kalender lag. Die Hütte lag nicht weit vom See Gjendevatn und der Touristhütte Gjendesheimen am Hang und fast direkt unter der Bergkette Veslefjell - Besseggen - Besshøe. Alles, was in und an der Hütte ist, diese selbst eingeschlossen, hat Bjørns Vater Hans, der Architekt war, gebaut. Die Hütte stammt aus den 1960er Jahren, hat ein Wohnzimmer mit Gasherd und Kamin, zwei Zimmer mit jeweils einem Doppelstockbett drin, einen angebauten Werkzeugschuppen und eine später zusätzlich angebaute Hütte, in der noch einmal vier Schlafplätze sind. Besonders schön ist der Wohnzimmertisch, den man gleichzeitig als Schachtisch benutzen kann und auch die Schachfiguren sind alle von Bjørns Vater gemacht - auch wenn ich kein Schach spielen kann. Das Beste aber ist die Außentoilette, ein Glanzstück, das in Norwegen seinesgleichen sucht, konstruiert und gebaut von Bjørns Bruder Geir, ebenfalls Architekt, wie übrigens auch der jüngste Bruder Gunnar.
Merc'her - Onsdag - Mittwoch
Dieser ging sehr ruhig los, ausschlafen bis halb 10. Bjørn wollte mit Karianne und mir zu seinem Bruder Gunnar fahren, der zum geselligen Lunsj eingeladen hatte. Marit blieb auf der Hütte, um mit Timo eine Tour zu gehen und das große Abendessen mit der Familie vorzubereiten. Gunnars Hütte liegt am See Tessevatn, zu dem wir eine gute Stunde fahren mussten. Zuvor bestiegen Karianne und ich jedoch den sogenannten Trollstuhl, auch wenn ich als heidnische Deutsche natürlich nicht so ganz an die Mär vom Troll glaube, fast schon Blasphemie in Norwegen...
Bei Gunnar - dessen Frau es sich nicht nehmen ließ, mich als (wievielte?) "Frau" von Bjørn zu bezeichnen, da es vor mir ja auch schon zwei Austauschschülerinnen gegeben hatte - trafen wir dann auf den kompletten Rest der Grinde-Familie: Großmutter Turid, Gunnars Frau Anne Grethe, deren Sohn Kai, Geir samt Frau Inger und Sohn Erik. Nach einem Spaziergang am See haben wir zusammen Lunsj gegessen und uns dann draußen in der Frühlingssonne gesonnt!
Mit Kai konnte ich sogar Deutsch reden, er war ein halbes Jahr lang in Berlin und ist jetzt angehender Dirigent. Und Erik versuchte mich die ganze Zeit zu überreden, mit auf die morgige "ekspedisjon" auf den Berg Kalvehøgda zu kommen, aber ich wusste von Bjørn schon so ungefähr, was mich dort erwarten würde (tiefer, weicher und nasser Schnee samt einer nicht ganz ungefährlichen Abfahrt) und habe seinen hartnäckigen Überredungskünsten standgehalten. Bjørn, Karianne und ich fuhren dann schon eher wieder zur Hütte zurück, um Marit bei den letzten Vorbereitungen für das Abendessen zu helfen. Zu diesem kamen dann Turid, Geir mit Familie und zur ganzen Gesellschaft waren noch mein Gastbruder Steinar und Geirs zweiter Sohn Magnus gestoßen. Magnus war ganz lange in Afghanistan als Soldat der ISAF, dabei ist er gerade mal 25 Jahre alt, außerdem hatte er entdeckt, dass er fast sein ganzes Leben lang mit einer gebrochenen Nase herumgelaufen war und hatte sie erst kürzlich operiert.
Yaou - Torsdag - Donnerstag
Der Tag begann mit einem Jaulkonzert von Timo, der einen Lemming über das Schneefeld vor der Hütte hatte rennen sehen.
Expediton für die einen, Expediton für die anderen. Während Geir&Co. sich auf den Kalvehøgda quälten (zuvor hatte sich das Auto von Bjørn festgefahren und mussten freigeschoben werden und Magnus musste bereits früh aufgrund seiner frischoperierten Nase umkehren), unternahmen Marit, Timo und ich unsere ganz eigene kleine Expediton auf die hinter der Hütte liegenden glatten Felshügel. Ein nicht ganz so einfaches Unternehmen, wie gedacht, denn es wehte ein sehr scharfer Wind und schlussendlich stellte sich uns ein riesiger Sumpf in den Weg, sodass wir unsere letzten Etappenziele streichen mussten. Die echten Expeditonsgeher kehrten mit gemischten Erfahrungen heim: Bjørn total begeistert wie immer, Karianne geteilter Meinung aufgrund der vereisten Abfahrt und Steinar total platt.
Gwener - Fredag - Freitag
Wir unternahmen einen Ausflug zu Geirs Hütte, die nicht so weit entfernt lag und aus sibirischen Baumstämmen gebaut worden ist. Dann sind wir weiter den Berghang hochgestiegen in den Birken- und Kiefernwald, um dort ein Lagerfeuer zu machen, mit Wurst (pølse - sehr verbreitet), Röstzwiebeln und anderen Leckereien. Bjørn braute sich sogar einen Tee aus Bergkräutern, den ich aber wohlweislich nicht trank, hatte er diese doch zufällig ausgewählt und einfach in den Kessel geworfen.
Hier noch etwas über einen Mann namens Jo Gjende: Das war ein Rentierjäger, der ein Mädchen heiraten wollte, es aber aufgrund seines niedrigen Einkommens und Standes nicht durfte. Seitdem verschanzte er sich in einer kleinen Hütte am Gjendesvatn, die heute noch steht und schoß nur noch Rentiere, man sagt, bevorzugt weibliche. Die Rentiere gab er an andere Familien weiter, er selbst lebte nur von Käse, Butter und Flachbrot.
Sadorn - Lørdag - Samstag
Der Osterhase war da! Der kommt in Norwegen nämlich schon am sogenannten Osterabend (Påskeaften) und verteilt ein großes Osterei für jeden. Im Stile einer Schnitzeljagd fanden Karianne und ich unsere Ostereier - natürlich kein Zufall, dass die Handschrift des Osterhasen mit der Bjørns übereinstimmte...
Endlich sollte Ski gefahren werden! Dachten wir jedenfalls. Wir fuhren also hoch zur Passhöhe Valdresflya und schnallten uns die Skier unter. Aber oje und ach! Ständig sanken wir ein, manchmal bis zu den Oberschenkeln und als es hoch ging, konnte man nicht einmal im Grätenstil hochlaufen, weshalb ich immer wieder nach vorne fiel und es so geschafft habe, mir den Nagel meines rechten großen Zehs zu quetschen, das tut echt weh, kann ich euch sagen und der Nagel ist jetzt immer noch blau! Schlussendlich kamen alle nicht mehr weiter und wir mussten die Skier abschnallen, Gott sei Dank, hätte mein Zeh gesagt. Timo schien auch sehr erfreut darüber zu sein, denn er konnte nun ungehindert auf Lemmingjagd gehen und dieser Tag markierte den Todestag von mindesten fünf Lemmingen, von denen vier im Magen von Timo landeten. Es war Lemmingjahr, das heißt Timo war eigentlich so etwas wie der nachhaltige Jäger, nur bereiteten ihm die Tierchen zwei Tage lang Verdauungsprobleme... Glücklicherweise schaffte ich es, auch einen lebenden Lemming zu erspähen, was nicht ganz einfach ist, da sie sehr klein sind. Wir schafften es dann bis zum Berg Fisketjernnuten (Fischseespitze) und machten uns dann auf die wackelige Rückfahrt.
Sul - Søndag - Sonntag
Rückfahrt hieß das Stichwort auch am Sonntag, obwohl natürlich zuerst die Gaben des deutschen Osterhasen, sprich von meiner Line, geöffnet wurden. Jetzt habe ich wieder einen guten Vorrat an Süßigkeiten, denn meine 2kg Geburtstagsdaimschokolade ist bald alle, aber mein Bauch ist auch etwas reicher an Fett geworden... :) Dann wurde aufgeräumt und wir machten uns auf den Rückweg nach Oslo, Timo bekam eine Anti-Übelkeitstablette verabreicht.
Zu Hause wartete eine schöne heißkalte Dusche - war es auf der Hütte doch lediglich bei der Katzenwäsche geblieben.
Lun - Mandag - Montag
Der Ostermontag (2. Påskedag) ist auch in Norwegen ein Feiertag. Diesen verbrachten wir alle ruhig zu Hause, ab dem Nachmittag konnte man dann auf dem Balkon in der Sonne sitzen. Marit, Timo und ich haben außerdem einen langen Waldspaziergang gemacht.
Am Donnerstag soll's nach Geilo zum Tourrennen Skarverennet gehen, aber ich bin mal gespannt, wie die Organisatoren das anstellen wollen bei so wenig Schnee. Innerhalb einer Woche kann dieser komplett wegschmelzen, wenn sie Pech haben. Also mal schauen, ob was draus wird.
Ken bremaik (bis bald),
eure Henni
P.S.: Ich hatte ganz vergessen, das mit dem Kündigungsrausch zu erklären. Ganz einfach: Im Skiverband und anderen Institutionen grassiert das Kündigungs- und Umstrukturierungsfieber. Im Skiverband werden alle möglichen Arbeitsstellungen umbenannt, Åge war vorher Sportchef, ist jetzt Langlaufchef. Dass Frauensprinttrainer Jon Arne Schjetne aufhört, war bekannt, neu und überraschend hinzu kam Herrentrainer Morten Aa Djupvik, der ebenfalls mehr Zeit für seine Familie haben will. Im Sportverlag Akilles hörte meine Zusammenarbeitspartnerin Tove ebenfalls auf. Ja, die Zeiten sind hart, auch für einen Petter Northug jr, der jetzt nicht nur trainer-, sondern auch beziehungslos ist, seine Freundin hat sich von ihm getrennt oder er von ihr, wie auch immer, dieses Thema beherrschte für eine Woche die "Sport"schlagzeilen der norwegischen Medien und beim nächsten Mal muss der arme Kerl sich nicht für die Nacktbilder seiner Freundin rechtfertigen (wie zur Saisonseröffnung in Beitostølen im November), sondern für die Trennung. Neidisch kann man da nicht sein.