"Opá"! Oliven & Ouzo
Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten. ~ Demosthenes
In Griechenland werden oft und gerne Einladungen ausgesprochen. In den meisten Fällen geschieht dies äußerst kurzfristig und ohne große Vorbereitung.
An einem Freitag nach getaner Arbeit wurden wir als Unterstützer bei einem Orientierungslauf von der einen auf die andere Minute erst einmal zum Kaffee und dann doch zum Mittagessen eingeladen - um kurz nach 11! Natürlich lehnt man so eine Gelegenheit nicht ab. Hierfür gibt es zwei Gründe: 1. In Griechenland gilt es als eher unhöflich eine Einladung auszuschlagen, da man unterstellt, den potenziellen Gastgeber nicht sonderlich gut zu kennen bzw. zu mögen. 2. Wäre eine Absage eine vertane Möglichkeit, die griechische Kultur, neue Menschen und Sitten kennenzulernen. Somit ist es wohl mehr als verständlich, dass der erste und wichtigste Rat unserer Mitbewohner lautete: "Sagt niemals ab!".
So kam es, dass wir nach dem Abbau sämtlicher Utensilien mehr oder weniger bepackt einen kleineren Anstieg hochstapften, der jedoch auf Grund der Tatsache, dass einige von uns ein wenig kränkelten und kaum durch die Nase atmen konnten, deutlich erschwert wurde.
Oben angekommen, standen wir vor einem weißen Haus, umgeben von Olivenbäumen und einem Garten, der sich links und rechts um das besagte Haus erstreckte. Umgehend wurden wir von der Frau unseres Gastgebers, der Mutter des Veranstalters des Laufes, empfangen. Diese begab sich ohne Umschweife in die Küche um Kaffee, Wasser und Saft für ihre unangekündigten Gäste bereitzustellen. Währenddessen gab Kosta uns eine Führung durch seinen geliebten Garten und erklärte uns die meisten der angebauten Kräuter und Pflanzen. Von manchen riss er sogar einige Äste ab, um uns Gewürze mitgeben zu können.
Anschließend setzten wir uns auf seine Terrasse, wo wir von herrlich duftendem Kaffee und zuckersüßem Orangen-Pfirsichsaft empfangen wurden. Dazu gab es Biskuit und auf eine eigentlich scherzhaft gemeinte Nachfrage seitens Killian hin sogar Bugatsá (gefüllte Blätterteigtaschen, in diesem Fall mit Spinat). Gerade als die meisten von uns ihre Getränke geleert hatten, wurde uns hausgemachter Likör angeboten, welcher zwar stark war, aber vielleicht gerade deshalb unseren kranken Hälsen und Nasen guttat.
Kurze Zeit später verwandelte sich unser Kaffeekränzchen wie bereits erwähnt in ein durchaus umfassendes Mittagsessen. Kostas Frau brachte zunächst einen Korb mit Brot, welches zehn Minuten zuvor frisch vom Bäcker geliefert worden war. Passend hierzu wurde eine Platte, bedeckt mit typisch-griechischem Fetakäse, Salami, Oliven und Zwiebeln, gereicht. Unsere Likörgläser waren noch nicht einmal leer, da wurde zum Essen auch schon das Nationalgetränk "Ouzo" eingeschenkt. Die meisten von uns vermischten dieses Anisgetränk mit Wasser, sodass es seine milchig-weiße Farbe erlange und nicht ganz so brannte. Kaum war das erste Essen verspeist, erschien Kostas Frau erneut und brachte eingelegte Kartoffelecken und später auch noch Fritten. Regelmäßig füllte man den Brotkorb wieder auf.
Als wir größtenteils alle bereits satt waren, kam Kostas Mutter von ihrem Balkon im oberen Teil des gemeinsamen Hauses zu uns und brachte Mandarinen mit sich. Während der gesamten Zeit hatte sie über unseren Köpfen gesessen, unseren Gesprächen gelauscht und dem Treiben in ihrem Garten zugeschaut.
Man unterhielt sich über Religion, Länder, Herkunft, über's Reisen, das Altwerden, wie sich Generationen verändern, Essen, Sprachen und das Heiraten. Dem entsprechend entstanden teils Diskussionen zwischen jüngeren griechischen Gästen, Kosta, dessen Frau und Mutter. Ihr Sohn, bereits über 40, ist "noch" nicht verheiratet und sie verstehen nicht so ganz warum, da sie selbst schon sehr jung geheiratet haben. Auch seine Freunde sind häufig noch single und so entsteht ein Gespräch, in dem auch wir als gerade mal 19 bis 26 Jahre alte junge Erwachsene uns der Frage stellen müssen, wie und warum sich unsere Gesellschaft entwickelt.
Die Scheidungsrate in Griechenland liegt bei um die 80%. Dies ist unglaublich hoch, wenn man bedenkt, dass viele die ca. 50% in Deutschland schon als "zu hoch" ansehen.
Trotz allem ging niemand in Streit oder Unmut auseinander. Viel eher war es ein warmer, gar herzlicher Abschied. Es gab zahlreiche Umarmungen, Händeschütteln und Glückwünsche, aber auch eine "Drohung": Wir dürfen in ferner Zukunft nur zu Besuch kommen, sollten wir unsere gesamte Familie und ausdrücklich unsere Kinder mitbringen. Eine Mitfahrgelegenheit zurück in die Innenstadt von Serres wurde uns angeboten, jeder von uns bekam einen Granatapfel als Abschiedsgeschenk und wir waren bereits erneut für später am selben Tag verabredet. Vier Stunden haben wir dort in der wärmenden Herbstsonne verbracht.
Scherze gab es natürlich auch, vor allem als es seitens einiger von uns hieß sie müssten aufbrachen, da sie nachmittags zu einem Wochenendtripp aufbrechen und könnten nicht so lange bleiben. Die Antwort hierauf war, man könne natürlich gehen wann man wolle, vor allem falls man arbeiten musste, doch sie würden den Großteil ihrer Zeit lieber in diesem Garten verbringen, als sich im "Winter" irgendwo abrackern zu müssen. Eine Anspielung auf die Wirtschaftskrise konnten sie sich also doch nicht verkneifen. ;)