On-Arrival-Training in Selbu
Vom 20.-26. September war ich zum On-Arrival-Training in Selbu bei Trondheim, um u.a. festzustellen, dass eine andere Freiwillige nur wenige hundert Meter entfernt von meinem Arbeitsplatz arbeitet.
Gleich vorab: Es wird ein langer Eintrag. Daher möchte ich das große Seminar in Lilleström für die neue Saison bei Oslo, welches am Wochenende vor meinem Seminar in Selbu stattfand, nur kurz umreißen: sehr informationsreich und kulinarisch durchaus zu genießen. (Doch selbst dort war ich nicht vor Hansi Hinterseer sicher, er und Vater Ernst kamen im Eröffnungsfilm des Seminars vor - wahrscheinlich hatte keiner einen blassen Schimmer davon, was Hinterseer jr. jetzt macht...)
Weil es jetzt so viel zu erzählen gibt, versuche ich ganz systematisch vorzugehen.
MONTAG - Leicht müde bin ich mit U-Bahn und Flughafenzug nach Oslo-Gardermoen getingelt, um mir dann sagen lassen zu müssen, dass mein Rucksack in die Kategorie "Oversized baggage" gehört (die Kollegen in Berlin-Schönefeld und später auch in Trondheim waren da anderer Meinung) und eine ganze Weile auf den Servicemann von Norwegian zu warten, während der von SAS die ganze Zeit da war - na ja, man will sich ja nicht beschweren. Mein Flug nach Trondheim verschob sich ja dann auch um eine geschlagene Stunde und ich bin der Meinung, dass kaum ein Flugzeug pünktlich die Rollbahn in Gardermoen verlässt. Im Flugzeug saß ich dann recht weit hinten, aber am Fenster. Mein Schnatterinchen (ja, genau, die kleine Ente aus dem "Sandmann"... :) musste den Flug im Rucksack überstehen, weil ich nicht mehr rauskonnte, vermutlich hätte ich es sowieso vor Nervosität zerquetscht. Diese Nervosität erhielt zusätzlichen Anschub, als ein kleines Flugzeug der Gesellschaft Wideröe nach bereits gestarteten Propellern abbrechen und alle Passagiere samt Gepäck wieder aussteigen mussten! Von Beginn des Startens bis zum Landen behielt ich die Tragflächen und Turbinen kritisch im Auge...so sehr, dass ich nach dem Startlooping, diversen Luftlöchern usw. einen kleinen Anflug von Panik bekam, als das Flugzeug sich plötzlich nach unten neigte und durch die Wolken hindurch, bis mich dann eine freundliche Durchsage aufklärte, man würde in 10min den Flughafen Trondheim-Vaernes erreichen.
Dort habe ich dann einige andere Frewillige getroffen, die anscheinend auch im selben Luftgefährt gesessen hatten wie ich und von denen eine (Annija aus Lettland) gar nicht weit von mir arbeitet, und dann wurden wir von Mimmi Solem abgeholt, die Internatsleiterin der Peder Morset Folkehögskole (PMF) ist. Auf so eine Volkshochschule kann man nach Schulabschluss gehen, um dort noch einmal ein Jahr lang freiwillig zu lernen, sei es mit Medien, Sport oder auch Pferden. Die PMF in Selbu nimmt außerdem seit ihrer Gründung immer (geistig) behinderte Menschen zu ca. 50% mit auf. Nach einer halben Stunde Fahrt hatten wir dann Selbu erreicht, das Wetter war strahlend schön und sehr warm. Danach ging es gleich los zur Vorstellungsrunde mit Trainer Nils aus Vinje in der Telemark: Kennenlernspiele und Präsentation der Projekte. Ganz zum Schluss kam dann noch die Freiwillige Zsófia aus Ungarn dazu, die aus Mandal angereist war und dank Norwegian ihr Gepäck erst am nächsten Tag bekam.
Einige Mädels und alle Jungs (4) haben im Haus der Freiwilligen übernachtet, die an der PMF arbeiten und ich wurde mit 5 weiteren Mädels in den zu einer Disko umfunktionierten Feuerschutz- bzw. Zufluchtsraum einquartiert - ein sehr abenteuerlicher Schlafplatz, aber am schwersten war es, morgens aufzustehen, wenn alles noch dunkel ist, denn der Raum hatte ja keine Fenster.
DIENSTAG - ab 7h45 gab es Frühstück, aber ich hatte mir den Wecker natürlich wieder viel zu früh gestellt... Nach dem Frühstück mussten wir uns immer ein Matpakke (Esspaket) für den Lunsj machen, wie es in Norwegen Brauch ist. Anschließend ging es weiter mit Nils und auch einer Dame aus Oslo von der Nationalagentur BUFDIR, die aber nicht wirklich viel zum Geschehen beitrug.
Am Abend sollten wir uns dann Gedanken über ein kleines Programm für Sonnabendabend machen, unterhaltsam, aber nicht zu kompliziert, damit es auch die behinderten Schüler verstehen und wir haben uns dann am für Gierdres Energizer (Auflockerungsübungen) zu Beginn entschieden, sowie ein lebendiges Theater (ähnlich dem zu Silvester manchmal gebräuchlichen, in dem jedes Ding/Tier von einem Schausteller verkörpert wird, sei es das Fenster oder der Hirsch) und eine umgedichtete Version von "In the jungle". Manch einer kennt von diesem Theater vielleicht die übliche Geschichte von der Prinzessin, die vom Unhold geraubt und dann vom tapferen Recken errettet wird - daher drehte sich unsere Geschichte um eine Prinzessin irgendwo zwischen Alicante und Malaga, die vom Torero (natürlich verkörpert von Antonio) vor dem Stier (Carlos) errettet wird. Am Anfang waren die Bemühungen aber eher bescheiden...
MITTWOCH - Da hieß es dann zum ersten Mal "Norwegian language, culture and history", zuerst mit Direktor Einar über die Geschichte Norwegens und dann mit unser aller Lieblingslehrer Torger Sprachkurs. Er erinnerte mich irgendwie an einen großen Zwerg, mit seinem Spitzbärtchen und dem lichten Haar, wir haben ihn alle sehr gemocht!
DONNERSTAG - Vormittags war wieder Sprachunterricht, eigentlich war aber ein Großteil davon als Fjelltur gedacht, da aber der zuständige Lehrer krank war, sind wir dann am Nachmittag eine kleine Runde mit Torger gegangen und aufgrund des ständigen Tröndelag-Nieselregens erwies sich meine neue Regenhose als wahrer Segen.
Am Abend war dann die immer am Donnerstag stattfindende Party in der Bomba (unserem Schlafquartier), sodass wir dafür unsere Matratzen räumen mussten. Das Motto war "Bad Hair Day", für mich ja kein großes Problem, ich brauche nur meine Haar im trockenen Zustand zu kämmen und schon habe ich das "worst hair ever seen". Nur Antonio sah an dem Abend mit Abstand schlimmer aus als ich...
Da es mir dann aber zu bunt und laut wurde, bin ich dann mit einigen anderen in den Pool (oder wie der Norweger sagt: basseng) geflüchtet, das war echt eines der besten Dinge des Seminares. :)
FREITAG - TRONDHJEM!!!! (auf nynorsk, eigentlich heißt es Trondheim) Nach dem Lunsj sind wir ca. eine Stunde mit einem etwas holprigen Bus in die Innenstadt gefahren - und Trondheim gefällt mir wirklich, schöne alte Häuser, eine große Fußgängerzone und nicht so viel Verkehr. Wir sind zuerst mit Mimmi in den Nidarosdom gegangen, sehr beeindruckend! Danach habe ich Christian getroffen, den Dresdner Mitbewohner meines Bruders, der in Trondheim zwei Semester Physik studiert - das war noch schöner! Aber es war auch schwer, ihn wieder gehen zu lassen, es war ja auch nur so kurz und doch jemand großes Vertrautes in der Fremde.
Rückzu sind wir auch am Heimstadion des RBK (Rosenborg Ballklub) Trondheim vorbeigefahren, die zuvor gegen eine Mannschaft aus der 2. Liga verloren hatten, was ungefährt einem Sieg Dynamo Dresdens gegen Bayern München gleichkommt - entsprechende Gesichter sah man auch am Tag nach dem Spiel in der Schule...
De facto haben wir auf der Rückfahrt gleich 3 (!) Elche gesehen, als Mimmi plötzlich "ELG!!!" rief und der Bus fast eine Vollbremsung machte, aber eigentlich waren es drei unförmige Schatten am Waldrand kurz vor Sonnenuntergang und noch dazu einige Meter entfernt, man konnte also nicht wirklich was erkennen.
SAMSTAG - Zum Frühstück gab es nicht wie üblich neben Brot u.ä. Havregröt (Haferbrei, war aber eher wie Milchreis) mit Zucker und Zimt (und Marmelade), denn das würde es zum Lunsj geben und so sind wir nach dem Frühstück ins Heimatmuseum nach Selbu gefahren, wo wir über die lokale Stricktradition aufgeklärt wurden, deren Markenzeichen die achtblättrige Rose ist. Ich habe mir in der Schule dann auch ein Paar Handschuhe gekauft, denn dort kosteten sie statt den 300NOK des Museums nur 100NOK und Midori meinte, in Oslo kosten sie bestimmt 600NOK.
Am Abend haben wir dann unser Programm vorgeführt, welches uns mit Bravour gelang und das Publikum hat es uns auch gedankt. Da Stephan außerdem seinen 23. Geburtstag feierte, sind einige mit ihm los in die Waldhütte, in der wir schon am Donnerstag gewesen waren, während die, denen es zu dunkel, kalt und unheimlich war (also auch ich) mit Inbrunst Ligretto bis halb eins spielten - das Spiel der Spiele unseres Seminars, man kann wirklich nicht mehr damit aufhören, wenn man einmal damit angefangen hat. Anna und Annija wagten sich sogar noch zum frühmorgendlichen Sonntagsschwimmen im Basseng.
SONNTAG - Abreise. Nach einem Brunch ging es dann auch schon Richtung Trondheim-Vaernes. Das Komische war, dass wir alle 4, die wir nach Oslo mussten, 4 verschiedene Flüge genommen hatten - Victoria halb 2, Annija kurz nach 2, ich halb 5 und Zsófi um 5. Das heißt, ich sollte eigentlich halb 5 starten und halb 6 in Gardermoen ankommen - aber es ist ja Norwegian und langsam bekomme ich das Gefühl, diese Fluggesellschaft ist in etwa so wie die Deutsche Bahn. Da muss ich gleich an meinen lieben Physiklehrer Herrn Wobst denken, der einst so weise sagte: "Der Einsteinzug in der Praxis? Bloß nicht, dann wäre die Deutsche Bahn ja pünktlich!" So habe ich dann Zsófi verabschiedet und nicht sie mich, der letzte von vielen quälenden Abschieden dieses Tages. Grund der Verspätung des Flugzeuges waren Probleme im spanischen Alicante, wahrscheinlich weil die Stadt sich wegen der vom Stier entführten Prinzessin noch in völligem Ausnahmezustand befunden hatte. Aber so böse konnte ich Norwegian dann doch nicht sein, oder eher dem Flugzeug, denn auf dessen Heck prankte ein großes Foto von Roald Amundsen (mit Geburtsdaten)! Im Flugzeug erwartete mich dann ein überfreundlicher Steward, der besonders zu den weiblichen Gästen äußerst zuvorkommend war und an eine Mischung aus Lucas Kazzer (ja, Luci, so vom Aussehen [nur mit Locken] und Temperament her) und meinem Kollegen John-Olav erinnerte (in punkto Frauen). So hatte er sich denn zwei spezielle Freundinnen eingeladen, die er abwechselnd mit Kaffee und anderen Dingen beköstigte. Aber anscheinend wollte er dann eine loswerden, denn die quartierte er dann kurzerhand in die Pilotenkabine um. - Schnatterinchen fest in den Händen, galt mein kritischer Blick nach hinten (ich saß diesmal in der 2. Reihe am Fenster) wieder den Tragflächen und Turbinen, deren Geräusche mir manchmal die Haare zu Berge stehen ließen. Mag das Fliegen für viele wie Bus und Bahn sein, für mich wird es das nie, es ist auf der einen Seite sehr aufregend und natürlich viel schneller, auf der anderen Seite ist es aber auch ziemlich unbehaglich für mich, tausende Meter über der Erde zu sein und nicht einfach ohne Konsequenzen aussteigen zu können. Schließlich war ich dann ca. um 7 zu Hause und war einfach nur kaputt, denn in der U-Bahn hatte ich meinen großen Rucksack (ja, er war etwas größer als ich, Jule) aufgrund tausender teilweils grölender Vaalerenga-Fans nicht absetzen können. Vaalerenga spielt zu Hause immer im Ullevaal Stadion und ich fühlte mich etwas wie mit Dynamo-Fans in der Straßenbahn.
Bis zum nächsten Mal,
Henriikka