Offenes Rodeo, Kyle
Am Samstag haben unsere Nachbarn ein offenes Rodeo organisiert - das erste Rodeo des Sommers in dieser Gegend.
Kleines Rodeo, großes Publikum
Der Sommer ist für die Ranch-Bevölkerung normalerweise für zwei Dinge reserviert: Ernte, und Rodeo. Fast jede kleinere Stadt veranstaltet einmal im Jahr ein Rodeo, bei dem sich Cowboys und Rodeo-Reiter in verschiedenen Disziplinen messen können.
Doch Corona hat auch durch die Rodeo-Saison einen dicken, fetten roten Strich gezogen - praktisch alle Veranstaltungen sind abgesagt worden, wegen der Zuschauermassen, die ein Rodeo in der Regel anzieht.
Einer der Nachbarn von George hat jedoch beschlossen, streng unter Corona-Auflagen ein kleines Rodeo zu organisieren - mit maximal 150 Zuschauern, und so vielen Teilnehmern, wie sich anmelden (denn diese Zahl muss nach Vorschrift nicht begrenzt werden).
Und da es das einzige Rodeo der Saison in dieser Gegend ist, haben sich einige Teilnehmer angemeldet. Die acht Disziplinen kamen gemeinsam auf über 160 Anmeldungen, einige davon Sieger oder Finalisten der Kanadischen Meisterschaften der letzten Jahre, einige sogar aus Übersee (Australien), die für die Saison nach Kanada gekommen waren.
So konnte man also im kleinen Kyle ein Rodeo mit richtig guten Reitern und scharfem Wettbewerb sehen - es sind die kleinen Dinge, über die man sich in Zeiten wie diesen am meisten freut.
Die Disziplinen im Überblick
Aufgrund der vielen Anmeldungen, gab es vor dem offiziellen Rodeo ein Slack, das heißt, dass eine gewisse Anzahl an Teilnehmern schon vor dem Rodeo ihre Ergebnisse erreitet und beim Rodeo selbst von jeder Disziplin eine vergleichbare Anzahl an Teilnehmern zu sehen ist - denn einige Disziplinen ziehen mehr Teilnehmer an als andere.
Barebacking
Angefangen hat das Rodeo mit Barebacking. Dabei versucht ein Rodeo-Reiter sechs Sekunden lang auf einem bockenden, ungesattelten Pferd zu bleiben. Schafft er das, werden sowohl Pferd als auch Reiter von einer Jury mit jeweils 1-50 Punkten bewertet - denn man kann sich entweder festklammern oder versuchen, cool mit nur einer Hand auf dem Rücken zu bleiben.
Tiedown Roping
Die nächste Disziplin war Tiedown Roping. Das ist eine der klassischeren Cowboy-Disziplinen - man fängt ein Kalb mit dem Lasso, springt vom Pferd und bindet drei der Beine des Kalbs zusammen, geht zurück zum Pferd, reitet etwas nach vorne (das Lasso ist am Sattelknauf festgemacht) und hofft, dass die Beine für sechs Sekunden fest verbunden bleiben.
Hier wird die Zeit gemessen, die der Cowboy zwischen dem Öffnen des Gatters für das Kalb und dem Vorreiten auf seinem Pferd benötigt - und die Disziplin wird scherzhaft “die sechs längsten Sekunden im Leben eines Kalbs” genannt.
Breakaway
Breakaway ist quasi die verfraulichte Version des Tiedown Ropings. Hier treten eigentlich nur weibliche Rodeo-Reiter an. Auch beim Breakaway ist das Ziel, ein Kalb oder einen jungen Stier mit dem Lasso zu fangen, das Pferd muss dabei auch anhalten, aber das Lasso ist nicht festgemacht und wird nach Anhalten des Pferdes einfach hinter dem Kalb hergezogen.
Das macht Breakaway zu einer der schnellsten Disziplinen des Rodeo - die schnellste Teilnehmerin war eine Australierin, die ihr Kalb in 3.1 Sekunden gefangen und ihr Pferd gestoppt hat.
Bucking Horses
Bucking Horses klingt im ersten Moment wie Barebacking, und das ist auch nicht ganz falsch - auch hier ist das Ziel, sechs Sekunden lang auf dem Rücken eines buckelnden Pferdes zu bleiben und dabei cool auszusehen. Allerdings tragen Bucking Horses einen speziellen Sattel, der das Oben-Bleiben deutlich vereinfacht. Cool sieht es trotzdem aus.
Steer Wrestling
Steer Wrestling ist wahrscheinlich die Disziplin, die mich am meisten beeindruckt hat. Ziel hierbei ist es, einen jungen Stier zu Boden zu ringen und auf den Rücken zu drehen. Dabei springt der Rodeo-Reiter von seinem galoppierenden Pferd auf den rennenden Stier, greift die Hörner und versucht, mit dem eigenen Gewicht, Geschick und Technik den Stier umzuwerfen.
Hier zählt die Zeit, die der Ringer braucht, um den Stier auf den Rücken zu drehen - und es gibt auch hier Reiter, die das in unter fünf Sekunden schaffen.
Barrelracing
Barrelracing (zu Deutsch Fassrennen) ist eine weitere Disziplin für vornehmlich weibliche Teilnehmer. Das Ziel hierbei ist es, möglichst schnell um drei im Dreieck aufgestellte Fässer zu reiten, wobei jedes Fass einmal vollständig umrundet werden muss.
Das ist eine Disziplin, bei der die Quarter Horses zeigen können, was für großartige Kurzstreckensprinter (ihr Name kommt ja von den Quarter-Mile-Rennen) sie sind. Wobei in den engen Kurven und im trockenen Sand das ein oder andere Paar auch mal wegrutscht und dann ohne eine registrierte Zeit vom Platz reitet.
Team Roping
Teamroping ist die Disziplin, die ich auf der Hauptranch in unserer Arena auch regelmäßig zu sehen bekomme, und daher die Disziplin, die ich wahrscheinlich am besten verstehe.
Hierbei reitet ein Cowboy-Duo aus, um einen Stier zu fangen und zu Fall zu bringen. Dabei gibt es den Header, der den Kopf des Stieres fängt und die Signale gibt, und den Heeler, der, nachdem der Header den Kopf gefangen hat, die Füße des Stiers fängt.
Der Heeler verwendet dafür ein steiferes Lasso, damit die Schlaufe länger offen bleibt und auch bei einem Misswurf die Chance offenlässt, dass der Stier in die Schlaufe hineintritt.
Beim Teamroping zählt die Zeit, bis Kopf und Beine in der Schlinge und die Schlingen zugezogen sind - wirft man eine Acht um die Hörner, zählt der Lauf nicht, fängt man nur eines statt zwei Beine gibt es fünf Sekunden Strafzeit dazu.
Es ist eine anspruchsvolle Disziplin, die viel Koordination und ein eingespieltes Team verlangt, aber ich werde nicht müde, dabei zuzusehen, mit welchem Geschick die Reiter gemeinsam einen fliehenden Stier stoppen.
Bullriding
Die letzte Disziplin des Tages ist die wohl ikonischste des Rodeo - das Bullenreiten. Es ist ähnlich wie Barebacking, und doch so ganz anders. Denn: Nicht nur muss ein Bullenreiter acht statt sechs Sekunden auf dem Bullen bleiben um eine Wertung zu erhalten, ein wütender Bulle ist auch deutlich gefährlicher - und deutlich massiger - als ein buckelndes Pferd.
Die Bullenreiter sind in voller Panzermontur unterwegs, und zwei “Clowns” mit Fetzen an der Kleidung und in bunten Farben sind auch mit in der Arena um den Bullen abzulenken, nachdem der Reiter abgeworfen ist.
Bullenreiten ist auch als die Acht gefährlichsten Sekunden im Leben eines Rodeo-Reiters bekannt, und das durchaus zu Recht.
Einige der Bullen, die beim Bullenreiten verwendet werden, erreichen sogar einen gewissen Ruhm und können genauso studiert werden wie Gegner im Fußball oder Tennis - sie haben ihre Eigenarten und Hinterlisten, und eine ganze Menge Erfahrung im Loswerden ihrer Reiter.
Auch hier werden Reiter und Bulle auf einer 50-50 Skala bewertet, aber von dem guten Dutzend Bullenreitern, die sich angemeldet haben, haben gerade einmal drei die Acht-Sekunden-Marke erreicht.
Für mehr Bilder und die, die über Zeiten und Ergebnisse neugierig sind, die Facebook-Gruppe zum Rodeo ist für alle offen und einsehbar, und die Fotos echt sehenswert!
After-Party im Camp
Nachdem die meisten Rodeo-Teilnehmer ihre Sachen zusammengepackt und die Gäste auch wieder nach Hause oder ins Restaurant gegangen waren, machten auch unsere Nachbarn, einige Freunde von ihnen und wir uns zurück zu den Ranches auf - zur Feier des erfolgreichen Rodeos gab es für alle Pizza und Bier, und um den Abend schön ausklingen zu lassen fuhren wir nach dem Essen noch runter zum Camp, um im Saloon Party zu machen.
Denn was gibt es Schöneres, als Samstagabends unter einem weiten Sternenhimmel gute Musik zu hören, mit Freunden zu lachen und Dart, Tischkicker und Billiard zu spielen?