Nordischer Karneval
Ferien, Karneval, Rudolf Steiner und eine Logenversammlung - passt das zusammen? Für Alessa_auf_Fyn schon, denn in den letzten Wochen in Dänemark erlebt sie all das und noch viel mehr.
Und schon wieder Ferien! Wie das sein kann? Ich hatte schließlich nur eine Woche Weihnachtsferien, die zweite gibt’s jetzt in Kalenderwoche acht, damit die Dänen auch die Möglichkeit haben, in Norwegen einzufallen und sich im Ski fahren zu erproben.
Nach dem inspirierenden Midterm-Meeting in Kopenhagen hat mich in Aarslev der ganz normale dänische Alltag erwartet, mit Sprachschule und Arbeit im Husmandsstedet. Trotzdem muss ich sagen, dass immer noch jeder Tag hier etwas Besonderes ist. Auch nach fünf Monaten probiere ich noch neue Dinge aus, lerne neue Menschen kennen und entdecke ganz Nebenbei die verblüffenden Gemeinsamkeiten, aber auch die gravierenden Unterschiede der dänischen und der deutschen Kultur.
So konnte ich erst neulich Einblick in eine Loge gewinnen. Wikipedia sagt dazu Folgendes: "Eine Logenvereinigung grenzt sich gegenüber der Öffentlichkeit mehr oder weniger stark ab. Die Mitglieder werden in der Regel erst nach einer Phase gegenseitiger Prüfung aufgenommen. Sie haben über bestimmte Interna nach außen hin Stillschweigen zu bewahren. Die Loge ist meist eine lokale Gemeinschaft, häufig in der Form eines Vereins. Je nach Entstehungsgeschichte und Philosophie der Logenvereinigung reicht das Spektrum des Gedankenguts von aufklärerisch-humanistischen Idealen bis zu esoterischen und quasi-religiösen Geheimlehren."
Mitglied einer solchen geheimnisvollen Vereinigung ist nämlich niemand anderes als meine dänische Gast-Großmutti! Aus Anlass ihres 25-jährigen Logenjubiläums war die ganze Familie, sowie die ganze Schwesternloge zum Brunch im Theater Odense eingeladen. Soviel habe ich über 'Schwesterloge Nummer 3 Freja' herausfinden können: Es handelt sich vornehmlich um gutbetuchte Damen jenseits der 60, die sich in regelmäßigen Abständen versammeln, um wohltätige Zwecke zu unterstützen. Meine Gast-Oma war besonders in deren Strick-Abteilung aktiv. Grundsätzlich also eine gute Sache, das einzig Verwirrende sind die strikten Regeln und Aufnahmebedingungen, die für so einen Verein gelten. Es ist eben ein sehr traditionsreiches Hobby, so eine Loge. Aber ganz und gar nichts Bedrohliches oder Sektenartiges, so wie uns Wikipedia das einreden wollte.
Die nächsten kulturellen Unterschiede konnte ich in der Faschingszeit konstatieren. Karneval heißt hier 'fastelavn', so viel wie Fastabend und wird auch mit bunten Kostümen und vielen Süßigkeiten gefeiert. Als Spezialität gibt es 'fastelavnsboller': Süße Brötchen mit Schokoladenglasur und Cremefüllung. Und dann wird die Katze aus der Tonne geschlagen. Ja, ihr habt richtig gehört. Früher wurde in Dänemark tatsächlich eine Katze in ein Holzfass gesteckt, das Holzfass mit einem Knüppel zerschlagen und die Katze (oder das, was noch von ihr übrig war) aus der Stadt gejagt. Unsere Tonne war zwar mit Katzen bemalt, enthielt aber jede Menge Süßigkeiten. Die Kinder mussten sich in einer Reihe aufstellen und durften jeder einmal auf die Tonne hauen, solange bis nur noch das letzte Brett übrig war und alle Süßigkeiten auf den Boden fielen - dann hieß es schnell sein… Zusätzlich gehen die dänischen Kinder in der Karnevalszeit von Haus zu Haus, singen das Fastelavns-Lied und bitten damit um Süßigkeiten oder ein paar Öre. Ähnlich also unserer Sankt-Martins-Tradition.
Des Weiteren konnte ich hier mal einen Blick hinter die Kulissen einer Rudolf-Steiner-Schule werfen (in Deutschland besser bekannt als Waldorfschule). Unsere Klasse in der Sprachschule wurde von der 12. Klasse der Rudolf-Steiner-Schule eingeladen, mit ihnen einen gemütlichen Vormittag inklusive Frühstück zu verbringen und dabei über unsere Erziehung und den Einfluss, den die jeweilige Kultur darauf hatte, zu sprechen. Und das waren wirklich gewinnbringende Unterhaltungen. Wir erzählten über unsere Heimatländer und wie wir die Dänen wahrnehmen, und die Waldorfschüler erzählten uns über ihre Schule und die Pädagogik und Philosophie Steiners. Wir haben uns alle wirklich gut verstanden und gingen mit einem etwas weiteren Blick für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kulturen auseinander.
Gestern habe ich übrigens original lippischen Pickert zubereitet und meine Gasteltern waren restlos begeistert, obwohl sie erst sehr skeptisch gegenüber der Mischung von Rosinen und Leberwurst waren. Auf jeden Fall soll es hier jetzt öfter deutsche Spezialitäten geben.
Morgen fangen für mich übrigens die Ferien richtig an: Fabian, Judith, Paula und ich (alles EVSler aus Deutschland) machen uns auf den Weg zur Westküste Jütlands, um für vier Tage ein kleines Sommerhaus zu beziehen...
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