Niederländisch-Deutsch Deutsch-Niederländisch
Seit 10 Monaten bin ich in den Niederlanden jetzt schon zu Hause. Und obwohl ich relativ nah an der Deutschen Grenze lebe, ist der Unterschied zu Deutschland deutlich spürbar. Über die größten Unterschiede die ich wahrnehme und darüber wie einige der berühmtesten Markenzeichen der Niederlande eigentlich ihre Berühmtheit erlangten.
Viele sagen ja, egal wohin man in Europa reist, irgendwie sind die Unterscheide zwischen den einzelnen Ländern meistens gar nicht so extrem zu spüren. Klar durch die Globalisierung gibt es eigentlich wirklich alles überall und die Kulturen vermischen sich immer mehr, doch umso erstaunlicher finde ich eigentlich wie groß dennoch die Unterscheide manchmal sein können.
Ich lebe nun schon seit 10 Monaten in den Niederlanden und habe mich hier ziemlich gut eingelebt. Doch vor allem dadurch, dass wir in unserer Begegnungsstätte sowohl mit deutschen als auch mit niederländischen Gruppen zusammenarbeiten, wird mir sehr häufig bewusst, dass es auf jeden Fall sehr viele Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern gibt.
Man sollte meinen, dass so ein kleines Land direkt neben Deutschland, mit einer Sprache die auch der deutschen Sprache sehr ähnelt, auch von der Kultur und den Gewohnheiten sehr der deutschen Bevölkerung ähnelt. Dass es in vielen Dingen aber gerade nicht so ist, habe ich hier immer wieder festgestellt.
Jeder kennt von sich selbst wahrscheinlich auch am besten das klassische Bild, das jeder Deutsche von den Niederlanden hat. Fahrräder, legaler Marihuana Konsum, Käse, Windmühlen und Holzschuhe prägen meist unser Bild von diesem Land. Darüber hinaus erzählen Niederländer immer wieder schmunzelnd, dass für die Deutschen die Niederlande eigentlich nur aus Amsterdam besteht.
Klar als Hauptstadt und zudem auch einwohnerreichste Stadt ist es nicht unüblich, dass sich besonders diese Stadt großer Berühmtheit erfreut aber viele andere Städte von den Niederlanden sind uns Deutschen dann auch nicht so bekannt.
Was wissen wir eigentlich wirklich über unseren kleinen Nachbarn? Welche Klischees stimmen und welche sind schon längst überholt? Und was sind eigentlich die größten Unterschiede?
Bevor ich darüber schreibe, welche kulturellen Unterschiede mir persönlich echt zu schaffen gemacht haben, wollte ich erstmal klären was es eigentlich mit ein paar der Stereotypischen Sachen so auf sich hat.
Beginnen wir vielleicht am besten erst einmal mit der allgemeinsten und vielleicht auch wichtigsten Sache. Heißt es nun Holland oder Niederlande?
Die offizielle Bezeichnung des Landes lautet Königreich der Niederlande, denn im Gegensatz zu Deutschland ist die Niederlande eine Monarchie mit König Willem Alexander als Staatsoberhaupt (Der Staatsitz ist übrigens nicht in Amsterdam sondern in Den Haag). Die Niederlande setzt sich insgesamt aus 12 Provinzen zusammen. Holland besteht dabei nur aus den Provinzen Noord-Holland und Zuid-Holland, ist also nur ein Gebiet in den Niederlanden selbst. Dieses Gebiet leistete früher den Großteil zur Wirtschaft und zum Wohlstand des gesamten Landes bei, weswegen Holland vermutlich auch im Ausland die Bezeichnung für die Niederlande wurde.
Wie vielen wahrscheinlich bekannt ist, ist dass die Niederlande ein sehr flaches Land ist. Ungefähr die Hälfte des Landes liegt weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel und rund ein Viertel des Landes sogar darunter. Der höchste Punkt des niederländischen Festlandes liegt bei 322,5 Metern im Vergleich zur deutschen Zugspitze mit 2962 Metern eher ein kleiner Hügel. Doch durch diese Begebenheit lassen sich zwei weitere stereotypische Merkmale von den Niederlanden erklären.
Zum einen die so bekannten Windmühlen. Heute meist nur noch Touristenattraktion erfüllten viele Windmühlen damals einen wichtigen Zweck, nämlich das Wegpumpen von Wasser aus den Tiefebenen, zurück in die Flüsse hinter den Deichen, um das Land nutzbar zu machen.
Und noch ein Stereotyp verdankt das Land dieser Begebenheit.
Ich konnte es kaum glauben, aber in den Niederlanden wurde der holländische Holzschuh vor allem wegen seiner Schwimmfähigkeit getragen, denn die Bevölkerung hatte des Öfteren mit Überschwemmungen zu kämpfen. Außerdem hielten die Holzschuhe die Füße der Bevölkerung deutlich trockener und waren auch robuster, stabiler und vor allem günstiger als Lederschuhe. Deshalb wurden sie von Arbeitern auch oft als Schutzschuhe getragen.
Heutzutage findet man immer noch überall Holzschuhe allerdings nicht an den Füßen der Holländer sondern größtenteils in Souvenirshops. Getragen wird der Holzschuh doch eher selten.
Und auch die Fahrradkultur profitiert natürlich von dem flachen Land. Denn im Gegensatz zum hügligen Deutschland kann man hier fast das ganze Land durchqueren ohne jemals an einen Hügel vorbei zu kommen. Kein Wunder also, dass es in Holland fast mehr Fahrräder gibt als Menschen. Hinzu kommt, dass es in der gesamten Niederlande etwa 29.000 km Radweg gibt und man von fast jeden beliebigen Punkt aus eine gut ausgeschilderte Fahrradroute finden kann. Fahrradfahren gehört hier einfach dazu, am liebsten mit einem typischen Hollandrad.
Interessant ist auch wie die Tulpe ihren Weg in den niederländischen Stereotyp gefunden hat. Das hat sie nämlich den Niederländern selbst zu verdanken. Die sind nämlich im 17. Jahrhundert geradezu einem Tulpenwahn verfallen.
Anfänglich waren die Tulpen nur Bestandteile der Gärten der gehobeneren Gesellschaft. Tulpen wurden damals aufgrund mehrerer Eigenschaften geschätzt. Sie waren neu, exotisch, exklusiv, dekorativ und anspruchsvoll. Ende des 16 Jahrhunderts kam dann der kommerzielle Handel hinzu und die Preise für Tulpenzwiebeln stiegen enorm. Die Beliebtheit der Tulpen ging sogar so weit, dass sie zum Spekulationsobjekt der Wirtschaft wurde. Solange bis 1630 der Markt zusammenbrach. Dieses Phänomen nennt man Tulpenmanie und seither ist die Tulpe nicht mehr aus der Niederlande wegzudenken. Übrigens werden die Blumen hier größtenteils nicht wegen ihrer schönen Blütenpracht sondern wegen ihrer Zwiebel angebaut. Die Blüten werden meist einfach weggemäht und die Zwiebel wird dann verkauft.
Neben den typisch Stereotypischen Unterschieden gibt es noch die Dinge die mir nicht bewusst waren über dieses Land und die ich teilweise bis heute nicht ganz verstehe.
Den ersten großen Kulturschock hatte ich glaube angesichts des Themas Brot.
Denn wenn man das gute deutsche Brot gewohnt ist und schätzt steht man schnell vor der Frage wie man das jetzt ersetzen soll. Von unserem deutschen Brot halten die Niederländer nämlich gar nix, das ist ihnen zu trocken und zu fest und zu sauer. Hier wird fast ausschließlich Brot gegessen, das unserem Toastbrot von der Konsistenz wohl am ehesten kommt. Das gibt es dafür in den verschiedensten Ausführungen in hell und dunkel mit Körnern und als „normales“ Brot getarnt mit etwas härterer Rinde. Übrigens haben die Niederländer es nicht sonderlich gerne wenn man dieses Brot als Toast bezeichnet, denn getoastet wird dieses Brot hier auch nicht. Gegessen wird es schlabbrig wie es ist. Auch wenn man sich nach einer Weile daran gewöhnt so wirklich damit angefreundet konnte ich mich in meiner Zeit hier auch nicht damit.
Das gilt auch für den typischen Belag dieses Brotes. Hagelslag. Sieht aus wie Schokostreusel, schmeckt wie Schokostreusel und ist zu Beginn ein etwas gewöhnungsbedürftiger Anblick auf einem Brot. Aber, eins muss man dem ganzen lassen, schmecken tut es. Zumindest wenn man es süß mag und ich empfehle jedem eine Vorliebe für süßes und frittiertes Essen, wenn er sich gerne in der Niederlande für längere Zeit aufhalten will.
Lebensmittelkulturschock Numero zwei war bei mir nämlich, dass man das Gefühl nicht loswird es kann gar nicht süß genug sein. Beispiel dafür Ranja. Ein sehr beliebtes Getränk gemischt aus Leitungswasser und Sirup den es in allen verschiedensten Ausführungen gibt, sogar klein portioniert für die Handtasche. Gewöhnungsbedürftig aber immer noch besser als die große Vorliebe für Lakritz in diesem Land, der ich bis zum Schluss echt nix abgewinnen konnte.
Auch um Frittiertes kommt man in den Niederlanden nicht wirklich herum. Zum einen muss man sagen, dass zum Beispiel die Pommes hier einfach um ein vielfaches besser schmecken als in Deutschland und zu allem Überfluss auch noch wirklich an fast jeder Ecke verkauft werden.
Zum anderen weil man unbedingt einmal Kroketten oder Frikandelle Spezial probiert haben sollte bevor man dieses Land wieder verlässt. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären, was es genau ist, denn was wir uns unter Frikadellen zum Beispiel vorstellen, hat wenig mit dem gemein was man am Ende in den Niederlanden auf den Tisch bekommt. Generell kann man sagen, dass man als fleischverwöhnter Deutscher anfangs ganz schön mit dem Fleisch hier zu kämpfen hat. Und Würstchen oder Bratwürste so wie wir sie kennen hab ich in meiner Zeit hier auch noch nicht gefunden.
Es sieht alles verdächtig ähnlich aus aber vom Geschmack ist es doch etwas völlig anders.
Generell ist der Geschmack der Niederländer was essen angeht schon etwas speziell, eine Sache die auch immer großes Gesprächsthema bei den Treffen mit anderen Freiwilligen war.
Besonders amüsant fand ich es immer, wenn ich etwas aus Deutschland mitbrachte oder erwähnte und niemand wusste was ich meine. Pfannkuchen zum Beispiel findet man hier nirgendswo (habe später welche ganz neu im Sortiment bei Lidl in der Backabteilung gefunden) und kennt auch keiner so wirklich. Genauso wie Brezeln. Zwar sind die schon eher bekannt vom Oktoberfest das mittlerweile auch in ähnlicher Form in den Niederlanden zu finden ist (Gefeiert wird hier nämlich sehr gerne) aber wie genau so eine Brezel eigentlich schmeckt wusste niemand. Auch Eierschecke zum Beispiel hat große Fragezeichen aufgeworfen. Ein wenig überrascht hat es mich schon aber es zeigt auch heute hat jede Kultur etwas, dass noch nicht wirklich überall hin durchgedrungen ist. Auch nicht an unsere Nachbarn.
Doch nicht nur die Essgewohnheiten sind anders.
Das was ich besonders an diesem Land lieben gelernt habe sind die Menschen und ihre Mentalität. Man hat das Gefühl alle nehmen das Leben ein bisschen gelassener und stressen sich nicht so, ob es bei der Arbeit ist (weshalb an normalen Tagen fast Läden einfach mal ab 18:00 geschlossen sind) oder im Allgemeinen betrachtet. Auch die Offenheit der Menschen hier ist unglaublich angenehm. So viele hilfsbereite aufgeschlossene und gutherzige Menschen, die jederzeit bereit sind einem zu helfen und sich mit Freude und ohne Scheu auch eine anderen Sprache mit dir unterhalten. Das werde ich definitiv vermissen.
Genauso wie die gut ausgebauten Fahrradwege die gefühlt wirklich überall in den Niederlanden zu finden sind, über die man bequem wirklich fast jeden Punkt hier erreichen kann, werde ich schmerzlich vermissen, das und die kleinen Backsteinhäuser mit ihren super gepflegten Vorgärten und die Landschaft. Ich glaube wirklich, dass das das perfekte Land ist zum Fahrradfahren.
Was ich trotz allem nicht vermissen werde ist der Regen. Ich wusste nicht, dass es überhaupt so viel so lange und so ausdauernd regnen kann aber nach diesem Jahr schätze ich jetzt wirklich jede sonnige Woche in der es einmal nicht wie aus Eimern schüttet.
Trotz all der doch vorhandenen kulturellen Differenzen und auch der kleinen Dinge die ich bis heute nicht verstehe ist dieses Land wie eine zweite Heimat für mich geworden und auch wenn die Niederlande vor meinem EFD echt nicht unbedingt das Traumland Nummer eins auf meiner Reiseliste war, habe ich es nicht einen Tag bereut mein Jahr hier in diesem wundervollen Land verbracht zu haben.
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