Nächste Woche, letzte Woche
Vom Entdecken neuer Orte und einer neuen Stille
Gerade aus dem Urlaub, vom Meer, zurück. Die neuen Eindrücke und fotoshooting-reife Kulissen enden dennoch nicht. Leider wird es jeden Tag etwas früher dunkel und die Tage werden immer kürzer und kälter. Das schränkt meine Freizeitmöglichkeiten mehr ein als erwartet. Trotzdem ist es bisher keine große Herausforderung meinen Tag so zu füllen, dass ich abends müde ins Bett falle.
Kulinarisches:
Eine starke Errungenschaft der letzten Woche ist eine große Pfanne, die ich spontan auch zum Topf umfunktioniere. Das bedeutet: Ich kann KOCHEN und BRATEN! Ihr könnt euch nicht vorstellen, was es bedeutet nach 6 Wochen erstmals wieder etwas Selbstgekochtes zu essen. Meine Wahl viel auf Möhren. Einfache Möhren mit etwas Salz und Pfeffer. Ich habe jeden Bissen genossen. Ehrlich.
Das 2. kulinarische Highlight dieser Woche war ein deutsche Buffet im Shangri-La Hotel. Ich hatte die Ehre an einer Veranstaltung des deutschen Konsulats teilzunehmen. Überall wichtige Geschäftsleute in Anzug oder Kleid. Mittendrin ich, Apfelstrudel mampfend. Der deutsche Konsul wies nach 1.000 Begrüßungen auf den Anlass der Veranstaltung hin: der vergangene deutsche Nationalfeiertag. Anscheinend waren die folgenden 2,5 Stunden jedoch nur zum Netzwerken und Essen gedacht. Das war wieder mal einer der Momente, in denen ich merke, dass ich noch jung und relativ unerfahren bin und gerne esse. Das Netzwerken übernahmen nämlich die anderen, ich übernahm das Essen.
Trotz dieser Erkenntnis hatte ich einen schönen Nachmittag, konnte die wunderschönen Kronleuchter im Hotel bewundern und mich über den starken deutschen, unverkennbaren Akzent amüsieren, den ein junger Mann bei einer englischen Übersetzung zum Besten gab. Gut, dass die wenigsten Chinesen in Shenyang gutes Englisch sprechen.
Sportliches:
Meinen Freitagabend füllte ich mit meiner persönlichen Fitnessstudio-Premiere auf dem Campus. Das Studio wird eindeutig von Männern dominiert. Zu Erkennen an der Auswahl der Geräte, der Häufigkeit an Oberkörper-Kleidung und der anwesenden Personen. Dadurch kam ich mir (wie so häufig) beobachtet vor. Einige mangelhafte Geräte (mangelhaft im Sinne von schlecht verstellbar und verschwitzt) überzeugten mich: Trotz dem unschlagbaren Preis von 80 ct werde ich das Studio wohl nur nutzen, wenn ich im kalten Winter ein Laufband brauche.
Kulturelles:
Der eindrucksvollste Tag der Woche: Samstag. Natürlich, wir alle lieben Samstage. Mein Samstag begann mit meinem Rosinen-Haferbrei und dem Begutachten meiner wunderschönen, neuen Mückenstiche im Gesicht. Am Mittag ging ich zum interkulturellen Festival der Uni. Bei schönem Wetter konnten ich ein tolles Bühnenprogramm samt Gesang, Tanz, Modenshow und Kampfvorführungen bestaunen. An zahlreichen Ständen wurden Länder und Kontinente präsentiert. Allerdings wurden die Darstellungen, sagen wir mal, einfach gehalten. Die ausländischen Besucher hätte man bei der Vorbereitung der Veranstaltung an einigen Punkten mehr miteinbeziehen sollen.
Die chinesischen Studenten, die Spiele leiteten, Essen und Kalligraphie präsentierten, waren alle sehr freundlich und engagiert. Wir konnten japanische und chinesische Kalligraphie ausprobieren, unsere Esstäbchen-Fähigkeiten testen, verschiedene Snacks kosten und den deutschen Stand besuchen. „Deutschland“ enthielt einen Schminkstand, ein Wort-Rate-Spiel, „deutsches“ Bier und ein Pärchen in Rotkäppchen- und Böser-Wolf-Kostüm. Eigentlich müsste ich langsam daran gewöhnt sein, aber die vielen Anfragen für Fotos überraschten mich. Ich würde auf 10 schätzen, in einer Stunde. Ein Mann bat mich auf Deutsch die Namen einiger vertretener Länder zu notieren, zwei Germanistikstudenten fragten mich nach Musikempfehlungen, eine Englisch-Studentin suchte Hilfe bei einer Hausaufgabe. Ich hatte an diesem Mittag also reichlich Austausch.
Schönes:
Nach einer kleinen Stärkung ging es mit zwei Freundinnen (chinesisch und deutsch) zum östlichen Kaisergrab. Dort liefen wir durch einen hübschen Wald, auf den höchsten Berg (eher Hügel) Shenyangs in eine kleine Grabanlage. Unsere chinesische Begleitung gab uns dabei eine kleine geschichtliche Einführung in die Qing-Dynastie. Wir genossen die außergewöhnliche Ruhe, den Blick auf die sich verfärbenden Bäume hinter wunderschöner chinesischer Architektur. Um noch mehr Sonne, Stille und Waldluft genießen zu können, spazierten wir im anliegenden Park. Wir entdeckten ein Kunstwerk mit Totempfählen, ein kleine Moschee und einen buddhistischen Tempel. In diesem Tempel lebten Mönche. Die Atmosphäre dort war unbeschreiblich schön. Es roch nach brennenden Räucherstäbchen. Die Stille hätte mich an jedem anderen Ort beängstigt, doch dort mitten im Wald beruhigte sie mich. Ein perfekter Nachmittag.
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