Nach der Wahl ist vor der Wahl
Ungarn zwischen Parlaments- und Europawahlen
Schon über einen Monat ist es her, als die Menschen in Ungarn am 6. April sich auf den Weg zur Wahlurne machten. Damals ging es um die Parlamentswahlen. Das Ergebnis fiel eindeutig aus. Mit 44,87 Prozent holte Fidesz-KDNP mit Abstand die meisten Stimmen und bleibt so eine weitere Legislaturperiode an der Macht. Und mit ihr der Ministerpräsident Viktor Orbán. Mit 133 Sitzen im Parlament hat sie auf den Sitz genau die notwendige 2/3-Mehrheit erreicht und ist alleinige Regierungspartei.
Die Oppostition wird aus der rechtsradikalen Partei Jobbik (der Name bedeutet sowohl die Rechten als auch die Besseren) mit 20,22 Prozent und der Összefogás 2014 mit 25,57 Prozent gebildet. Die Összefogás bildet sich aus vier verschiedenen links-liberalen Parteien, die in der letzten Legislaturperiode in der Oppostition vertreten waren.
Wie auch in Deutschland haben die Wähler eine Listen- und eine Direktstimme. In seiner vorherigen Legislaturperiode nahm Orbán einige Änderungen am Wahlgesetz vor, dass bei den Parlamentswahlen jetzt erstmals zum Einsatz kam. So wurde davor beispielsweise bei den Wahlkreisen eine Stichwahl unter den drei besten Kandidaten durchgeführt, vorausgesetzt keiner kletterte über die 50%-Marke. Diese Stichwahl entfällt nun jedoch. Der Kandidat mit den meisten Stimmen geht automatisch als Gewinner hervor. Die Wahlkreise wurden wiederum von insgesamt 176 auf 106 reduziert und auch die Sitze im Parlament nahezu halbiert.
Neu eingeführt wurde auch, dass man sich für die Wahlen vorab registrieren lassen muss. Entweder beim Gemeindeamt oder per Internet. Auslandsungarn können sich per Brief registrieren. Die Registrierung hält vier Jahre und ist auch für lokale und Europawahlen gültig, sowie für Volksabstimmungen. Das wurde unter anderem für die ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern eingeführt. Die rund 128.000 Stimmen der Auslandsungarn (überwiegend aus Rumänien) gingen zu 95,5 % an Fidesz-KDNP. Auslandsungarn wählen jedoch nur die Partei, haben somit nur eine Stimme.
Kritiker werfen Orbán und seiner Partei vor, sich durch die Änderungen des Wahlgesetztes Stimmen zu „erkaufen”. Er solle die Neueinteilung der Wahlkreise Fidesz-freundlich gestaltet haben und das Wegfallen der Stichwahl würde hauptsächlich große Parteien begünstigen. Die Registrierung wird von Gegnern als unnötig bezeichnet, da es bereits ein Melderegister in Ungarn gibt. Sie kritisieren, dass besonders ärmere und weniger gebildete Schichten sich nicht registrieren lassen, politisch Uninteressierte und Menschen, die weitab von Städten auf dem Land leben. Diese Bevölkerungsgruppen seien weitgehend keine Fidetz-Wähler, meinen die Kritiker.
Zur Europawahl wirbt die Regierunspartei Fidesz mit dem Slogan „Respekt den Ungarn”. Schon vor den Parlamentswahlen hat Orbán in seiner Rede gefordert, Ungarn bräuche einen Präsidenten, der nach Brüssel gehe und dort endlich mal sage, was die Ungarn wollen.
Die Stimmen zur Regierungspartei in meinem Bekanntenkreis sind jedoch hauptsächlich negativ. „Ich weiß nicht, warum er die EU so boykottiert, das hat uns doch nur Gutes gebracht”, ist eine der Stimmen. Andere wiederum meinen, das die Auswahl an Parteien sowohl bei der Parlamentswahl als auch bei der kommenden Europawahl alles andere als zufriedenstellend ist bzw. war. „Ich wähle eigentlich nicht die andere Partei, ich wähle nur gegen Orbán.”
Am Sonntag wird wahrscheinlich doch wieder Fidesz die Oberhand behalten. Und wer sich bis dorthin fragt, wen er als Ungar eigentlich wählen würde, dem empfehle ich den deutschsprachigen Wahl-o-mat http://www.vokskabin.hu/de/Main/Index. Dort könnt ihr euch mal mit den Themen Euroeinführung, Erdgaspolitik, die Bedrohung der EU für die ungarische Souverenität oder die Ukraine-Krise auseinandersetzen.