Meine erste Woche in Gdynia
Nach einer langen Anreise ist Julika endlich wohlbehalten im polnischen Gdynia angekommen. Schon in der ersten Woche begibt sie sich auf einen abenteuerlichen Waldausflug.
Da bin ich also. Meine zehn Quadratmeter habe ich gegen ein wunderschönes Doppelzimmer eingetauscht und das Dorf, in dem jeder jeden kennt, gegen die Anonymität der Großstadt Gdynia. Meine Familie und Freunde habe ich natürlich nicht wirklich „eingetauscht”, aber ich glaube, ich habe wirklich netten „Ersatz” gefunden: Jani aus Ungarn, Nadiya aus der Ukraine, Enguerran aus Frankreich und Katharina aus Deutschland. Alle kümmern sich hier schon fast „mütterlich” umeinander :-)
Wie erwartet, stellte sich meine 13-stündige Reise hierher als ein wenig abenteuerlich heraus. Ich musste feststellen, dass es unmöglich ist, allein einen Koffer, einen Rucksack und einen Geigenkoffer Treppe rauf, Treppe runter, in den Zug, durch den Zug und aus dem Zug zu tragen. (Und das Ganze dann wieder von vorn, schließlich musste ich drei Mal umsteigen.) Glücklicherweise haben sich die polnischen Männer als ausgesprochen hilfsbereit und aufmerksam erwiesen.
In Berlin habe ich einen neuen Weltrekord im Umsteigen aufgestellt. In nur fünf Minuten habe ich mitsamt meinem Gepäck einen Fußweg von offiziell acht Minuten zurückgelegt (vom zweiten Obergeschoss ins zweite Untergeschoss). Die Türen meines Anschlusszuges haben sich exakt in dem Moment geschlossen, als ich drin war.
In unserem Appartement, das übrigens mitten im Zentrum von Gdynia liegt und nur zehn Minuten vom Wasser entfernt ist (ja, schwimmen war ich auch schon :-D), erwartete mich gleich ein ganzes Empfangskomitee.
Nadiya spricht zwar kein Englisch, aber das Polnische fällt ihr sehr leicht, weil es dem Ukrainischen stark ähnelt. Inzwischen haben wir eine Art Deal abgemacht: Ich bringe ihr Englisch bei und sie mir Polnisch. Oft sind wir bis weit nach Mitternacht damit beschäftigt, uns mit Händen, Füssen und „An-die-Wand-Malen“ zu verständigen. Nadiya ist wirklich unglaublich wissbegierig und macht schnelle Fortschritte. Und mich macht es glücklich, einen Gedanken in Polnisch ausdrücken zu können, und sei es nur: “Czy lazienka jest zajeta?” (Ist das Bad frei?) oder “Idziesz na pracy?” (Gehst du zur Arbeit?) oder „Jestem glodna” (Ich habe Hunger!). Eine Sprache in dem jeweiligen Land und nicht in der Schule zu lernen, ist so viel schöner! Man ist viel wissbegieriger und mutiger, das Gelernte sofort anzuwenden.
Für die Kinder in Witawa bin ich „Pani Julia”, was soviel wie „Frau Julia” heißt. Die Lieblingsbeschäftigung der Mädchen: Pani Julias Haare flechten, ihren Schmuck anprobieren und ihre Wildlederschuhe anfassen. Oder aber auch: Auf den Tisch klettern und sich von Pani Julia auffangen lassen. Oder: Einen Spaziergang im Wald machen. Wobei sich Spaziergang wahrscheinlich ein wenig harmloser anhört, als dieser tatsächlich ist. Die Disziplinen: Auf Bäume klettern, Kastanien sammeln, Verstecken spielen, durch einen unterirdischen Tunnel klettern, steile Abhänge hinunterklettern, auf Baumstämmen balancierend einen Fluss überqueren… Beim zweiten Mal war ich immerhin vorgewarnt, was das passende Schuhwerk betraf.
Gestern waren wir mit allen Kindern (also auch der Jungengruppe) in einem Schwimmbad. Leider sprechen die Kinder kein Englisch. Der Ansporn Polnisch zu lernen steigt also. Es ist wirklich schwierig für mich, mich nicht verständlich machen oder die Fragen der Kinder nicht beantworten zu können.