Mein Jahr in Reykjavík, Island! (Interview Teil 1)
Der erste Teil einer Interviewreihe über mein Leben als Frewilliger in Island!
Vorwort: Dieses Interview mit mir ist in Zusammenarbeit mit der Seite www.allthingsicelandic.blogspot.com entstanden, auf deren Seite ihr auch ein Version in Englisch findet! Dies ist der erste Teil des Interviews ueber meinen EVS in Reykjavík, der Hauptstadt von Island. Mehr Infos zu mir findet ihr auch auf meinem privaten Fotoblog, www.minreykjavik.tumblr.com.
Ausserdem habe ich vor kurzem ein Video fuer den Wettbewerb hier auf Youthreporter eingereicht, welches ihr hier auf meinem Profil findet: http://www.youthreporter.eu/wettbewerb-2011-2012/killed-time-or-filled-time-evs-in-iceland.8600/
Viel Spass beim Lesen!
1. Wieso gerade Island (speziell Rvk)?
Bevor ich mich ueberhaupt auf Island festgelegt hatte, gab es für mich erst mal nur den Wunsch ein Jahr in einer europäischen Hauptstadt einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Ich war ein halbes Jahr vor meinem Abitur und habe angefangen nach einem Projekt zu suchen. So kam es, dass ich zuerst ein Angebot in England bekam. Nachdem ich allerdings eine positive Antwort aus Island bekommen habe, war mir klar dass ich etwas „exotischeres“ suche. Ich wollte gerne eine neue völlig neue Sprache lernen und gleichzeitig mein Englisch verbessern, wozu sich Island als hervorragend herausgestellt hat.
Ich interessiere mich sehr viel für Musik und auf kurz oder lang kommt man auch an populärer isländischer Musik wie von Sigur Rós und Múm nicht vorbei. Ich hatte bereits die DVD „Heima“ von erstgenannter Band gesehen, welche mir schon vor ein paar Jahren absolut Lust gemacht hat, das Land zu besuchen.
Dass es speziell Reyjavík werden musste, lag an meinem Wunsch in einer grösseren Stadt zu leben. Reyjavík ist bekannt für seine interessante Konzerkultur und das wilde Nachtleben und genau dahin hat es mich nach 20 Jahren in der Provinz auch hingezogen. Rückblickend kann ich jetzt sagen, dass ich die für eine Kleinstadt typischen kurzen Wege in Reykjavík sehr zu schätzen weiss, in naher Zukunft aber auch nicht mehr auf das reiche kulturelle Angebot der Stadt verzichten will.
2. Wie kamst du genau an den Job?
An den Job kam ich über die Projektdatenbank des Europäischen Freiwilligendienstes. Dort waren einige Projekte im Angebot, dennoch interessierte ich mich für dieses am meisten. Ich hatte bereits in Deutschland in einer Einrichtung für drogensüchtige Menschen gearbeitet und wollte gerne neue Erfahrungen in einer ähnlichen Richtung machen. Die Bewerbung lief sehr reibungslos, da nur wenige andere sich für das Projekt interessieren. Ich weiss allerdings noch genau, wie sehr ich mich ueber die finale Email mit dem Titel „grate News!“ gefreut habe. Ein EVS läuft in der Regel zumindest aus bürokratischer Sicht sehr reibungslos ab und genau so war es bei mir zum Glück dann auch.
3. Wie sieht ein normaler Tag für dich aus? Und wie ist es mit psychisch kranken Menschen zu arbeiten, noch dazu mit Isländern?
Mein normaler Tag beginnt um neun Uhr beim Frühstück im Clubhaus. Dort essen Angestellte und „Mitglieder“ gemeinsam, denn das Clubhaus folgt einem ganz bestimmten Konzept.
Grundsätzlich funktioniert das Clubhaus wie ein Bindeglied zwischen der Therapie der Menschen und dem Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Im Clubhaus selbst wird keine Therapie im klassischen Sinne angeboten und stattdessen versucht, eine möglichst realitätsnahe Arbeitsstätte zu bieten, in welcher sich die Menschen ohne Druck von oben frei entfalten können.
Alle Arbeit wird dabei für das Clubhaus selbst geleistet. Am wichtigsten ist, dass die Menschen nicht dazu gezwungen werden das Clubhaus zu besuchen. Dementsprechend sind die meisten in einer guten Verfassung und in guter Stimmung. Wer einmal als Aussenstehender im Clubhaus vorbeischaut wird deshalb ein ganz anderes Bild bekommen, als der Begriff „psychisch Krank“ es einem im ersten Moment vermittelt.
Zusätzlich soll kaum ein Unterschied zwischen Angstellten und „Mitgliedern“ bestehen und auch nicht von „Patienten“ oder „Klienten“ die Rede seien. Das heisst in der Realität, dass so viele Aufgaben wie möglich zusammen bewältigt werden und die Mitglieder immer da mithelfen, wo ihre Stärken liegen. Jeder darf jeden Computer benutzen, jedes Meeting ist offen für alle und es gibt auch keinen getrennten Mitarbeiterbereich. Der Kontakt ist dadurch sehr nah, was für diese Form der Einrichtung aber auch unerlässlich ist.
Meine Aufgabe war es dann zunächst, in der Küche mitzuhelfen, wo das Mittagessen und andere Mahlzeiten zubereitet werden. Dabei wird auch dort Hand in Hand mit den „Mitgliedern“ gearbeitet und ich konnte aus erster Nähe Kontakt mit den Isländern aufnehmen. In meinem Projekt sind es die Leute gewohnt, Freiwillige aus dem Ausland dabei zu haben, sodass sie mich von Anfang an sehr wohlwollend aufgenommen haben. Insgesamt sind über 300 Leute im Clubhaus angemeldet, davon Aktiv ungefähr 100. Das heisst, ich habe über Wochen hinweg jeden Tag neue Gesichter gesehen und konnte immer wieder neue Kontakte schliessen. Und das geht gerade beim gemeinsamen Kochen ungemein gut. Ein grosser Teil der Menschen spricht fliessend Englisch, sodass ich mich immer irgendwie ausdrücken konnte, was besonders am Anfang total wichtig war, denn schliesslich wollte ich so viel wie möglich wissen.
Mittlerweile arbeite ich überwiegend im Büro der Einrichtung, im Team mit den „Members“. Dort geht es besonders darum, Daten zu pflegen und auszuwerten, Werbung für die einmal in der Woche anstehende Events des Hauses (Kaffetrinken, Museumsbesuch, Kino...) zu erstellen oder auch den monatlich erscheinenden Newsletter vorzubereiten. Dank meines fortgeschrittenen Isländisch war ich von Anfang an vorne mit dabei und bin sehr glücklich, da ich mich beispielsweise auch mal kreativ am Computer austoben kann. So planen wir gerade die europäische Clubhaus Konferenz (dieses Jahr in Island!), an der über 100 Leute teilnehmen werden und für die ich gemeinsam mit Mitgliedern das Logo entworfen habe.
Im Allgemeinen finde ich die Leute vom Gemüt her schon merklich entspannter als in Deutschland, wobei sich beide Kulturen auch in vielen Punkten ähnlich sind.