Mapuche – Menschen der Erde
Wer sind eigentlich die Mapuch in Chile, welche Rolle spielen sie und was ist ihre aktuelle Situation? Ich habe versucht mich dem Thema "Mapuche" etwas anzunähern und zu verstehen, wie das Urvolk Chiles heute lebt.
Seit gut einem Monat bin ich nun in Santiago de Chile. Immer wieder höre ich von den Mapuche, von den Ureinwohnern Chiles. Aber so wirklich kann mir keiner sagen, wie die Situation der Mapuche in Chile heute ist. Nur, dass es, wie in so vielen anderen Teilen Amerikas auch, große soziale Probleme unter den aus ihren Ländern vertriebenen gibt, wird immer wieder unterstrichen. Weil mich Urkulturen schon immer interessiert haben, habe ich versucht, mich ein bisschen über die Mapuche in Chile schlau zu machen.
Die Mapuche sind das größte indigene Volk Chiles. Über 1,5 Millionen Menschen in Chile und etwa 30.000 in Argentinien, fühlen sich der Mapuchekultur zugehörig. Ungefähr die Hälfte der in Chile lebenden Mapuches leben südlich des Flusses Bío Bío bis hin zur Insel Chiloé. Die andere Hälfte ist in und um die Hauptstadt Santiago angesiedelt. Unter den Mapuche gibt es, je nach Wohnort, verschiedene Stämme. Die Huilliche, sind die Menschen aus dem Süden, die Lafkenche, die Mapuche aus dem Westen, Nagche, die aus dem Tal oder die Pehuenche, die in den Anden und am Fluss Bío Bío leben.
Heute gehören die Mapuche in der, in Chile stark ausgeprägten Klassengesellschaft zur untersten Schicht und Saat, sowie Kirche versuchen die Mapuche in die chilenische Gesellschaft zu assimilieren. So ist die Ethnische Minderheit beispielsweise nicht in der chilenischen Verfassung erwähnt.
Unter der Diktatur von August Piochet 1973-1989 wurde der traditionelle Kollektivbesitz der Mapuche abgeschafft und das Land verkauft. Dieser Landverlust trieb viele Mapuche in die Städte, wo sie mit alltäglichem Rassismus und Stigmatisierung konfrontiert waren. Um dem aus den Weg zu gehen und auf der sozialen Leiter aufzusteigen, tauschten die meisten ihren Mapuche-Nachnamen durch einen typisch chilenischen, verweigerten ihre Sprache Mapudungun und verloren so nach und nach ihre Kultur. Heute haben die Mapuche gut 90% ihres Landes und einen Großteil ihrer Kultur verloren. Und nur noch wenige leben in kleinen Dörfern in traditionellen Häusern, den „Ruka“. Die Ruka sind aus Holz, Lehm und Schilf gebaut haben keine Fenster, eine Feuerstelle in der Mitte und die Türöffnung weist immer Richtung Osten. Sie haben keinen Fußboden, denn die Mapuche wollen nichts zwischen sich und der Erde haben.
Heute gibt es zwar viele Regelungen, die den Mapuche helfen sollen, wie zum Beispiel das 1993 verabschiedete Gesetz Ley Indigena, dass das Zwangsumsiedelungen offiziell legalisiert und eine Umsiedelung nur unter beidseitigem Einverständnis und einem fairen Terretoriumstausch möglich macht. Oder die Institution CONADI, welche von der Kommission für die Entwicklung der Indigenen ins Leben gerufen wurden und in der Chilenen, wie Indigene Repräsentanten zusammen arbeiten, um den kulturellen Erhalt und die Entwicklung sicherzustellen. Doch der Wille Chiles, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben, behindert die Regelungen, Gesetze und Projekte, die die Kultur der Mapuche eigentlich schützen sollen. So werden den Organisationen, die für die Mapuche arbeiten, sehr geringe Mittel zur Verfügung gestellt, es werden weiterhin Straßen durch Mapuchegebiete gebaut und Land aufgrund von zum Beispiel Holz-Wirtschaft (der Anbau von Holz auf ehemaligem Mapuche-Territorium ist eine große Einnahmequelle des Landes) nicht zurückgegeben.
Die Mapuche sind eins der wenigen Völker, die die Einwanderung der Weißen überstanden und sogar besiegt haben. Vor gut fünf Jahrhunderten hatte sich der Mapuchekriegshäuptling Lautaro die militärischen Techniken der Spanier abgeguckt und so im Krieg sein Volk verteidigt. Was würdest du tun, wenn jemand in dein Haus kommt und sagt: Von jetzt an wohnst du in dieser Ecke und ich im Rest. Wärst du einverstanden?
Die sogenannten „Maporbe“ oder urbane Indios, die in den städtischen Ballungsräumen leben, ihr Land und oft auch ihre Perspektive verloren haben, sind heute oft die Impulsgeber für den Kampf der Mapuche. Auf verschiedenste Wege, versuchen Mapuche Aktivisten Land zurückzubekommen, ihre Kultur zu erhalten, die Bildung, sowie den Status der Mapuche in Politik und Gesellschaft zu verbessern. Sprachrohre der Aktivisten sind neben Protestparaden und politische Aktionen auch Musik, Literatur und Kunst. Aber auch Besetzungen von ehemaligen Mapuche Territorien, die in der Vergangenheit oft sehr gewaltsam endeten, sowie Brandstiftungen kommen nicht selten vor. Durch das Antiterrorgesetz gegen die Mapuche ist es möglich, die Mapuche-„Straftäter“ für kleine Delikte hart zu bestrafen. So kommt es zum Beispiel vor, dass ein Mapuche dafür, dass er einen Holztransporter in Brand setzt, der auf ehemaligem Mapuche-Territorium operiert, mit einer lebenslangen Gefängnisstrafe belangt wird. Mapuche Aktivisten fordern daher die Aufhebung des Antiterrorgesetzes gegen die Mapuche und stattdessen vor Gericht den Status von politischen Gefangenen.
Der Kampf der Mapuche ist sicherlich nicht immer friedlich und in den Städten gehen Kriminalität und Perspektivlosigkeit oft Hand in Hand miteinander. Und trotzdem klingt immer wieder durch, dass die Mapuche vieles verstanden haben, was die vom Kapitalismus geprägte Gesellschaft schleunigst lernen muss. Wir dürfen die Natur nicht ausbeuten! Wir müssen rücksichtsvoller mit Natur, Kultur und Mitmenschen umgehen. Der Mensch nimmt sich viel zu viel, ohne zu fragen, ohne an die Konsequenzen zu denken, ohne das Leide der anderen Seite zu sehen.
Mit den Mapuche scheint es also ähnlich zu sein, wie mit anderen Völkern, die dem Kapitalismus weichen müssen. Ich finde es erschreckend, wie viele Völker, die im Einklang mit der Natur leben, in verschiedensten Teilen der Erde unserer Vorstellung von Zivilisation weichen mussten. Und wie wenig realisiert wird, dass wir so viel von diesen Kulturen lernen können und sollten, wenn wir unseren Planeten erhalten wollen. Ich hoffe, dass ich auf meiner Reise in Chile der Mapuche Kultur begegnen werde und davon lernen kann.