Lo Sbarco - die Landung
Die Ankunft geflüchteter Menschen in Palermo
Am Montag, den 13 Juni, war es für mich zum ersten Mal soweit: Ich bekam die Nachricht, dass ein Schiff mit Flüchtlinge im Hafen erwartet wurden. „Lo Sbarco“ nennen sie es hier - die Landung. Ich sollte dabei helfen Nahrung und Kleidung an die Menschen auszugeben sobald sie festen Boden unter den Füßen hatten. Meine Gefühle waren durchaus gemischt, weil ich keinerlei Vorstellung vom Ablauf und der Organisation eines Sbarcos hatte.
Wie ich dann beobachten konnte ist der Ablauf normalerweise wie folgt: Nachdem das Schiff mit den Flüchtlingen an einer vom Militär und der Polizei, durch einen Zaun gänzlich abgeschirmten Stelle des Kai anlegt, gehen Ärzte gemeinsam mit Dolmetschern und Sicherheitskräften an Bord, um sich nach dem Zustand der Menschen zu erkundigen, die eventuelle Einfuhr einer Epidemie vorzubeugen und Tote zu bergen (was zum Glück bei diesem Sbarco nicht der Fall war). Sie tragen Schutzanzüge und sind vermummt um sich selbst vor Krankheitserregern zu schützen. Wenn die Ärzte das Boot als unbedenklich freigeben, folgt ihnen die Polizei, auch in Schutzkleidung gewandt. Diese befragt die Leute um mögliche Schleuser und Menschen ohne Anrecht auf Asyl ausfindig zu machen (da sie aus einem „sicheren Herkunftsland" wie zum Beispiel Ägypten kommen). Daraufhin bekommen alle Geflüchteten mehrere Markierungen in Form farbiger und beschrifteter Papierarmbänder, anhand welcher unter anderem die Ordnung festgelegt ist, in der die Menschen das Boot verlassen dürfen. Außerdem geben die Armbänder Auskunft über den Gesundheitszustand und die Herkunft.
Zuerst wird ein einzelnes Kind mit seiner Mutter vom Boot geschickt und offiziell von Palermos Bürgermeister willkommen geheißen – für die Presse. Danach kommen, immer in Gruppen von etwa zehn Personen, weitere Frauen und Kinder, später dann einige Männer in polizeilichem Geleit, von denen vermutet wird, dass es sich um Kriminelle, sprich Schlepper oder anderweitig Verantwortliche handelt. Zum Schluss dürfen auch die restlichen Männer und Jungen das Schiff verlassen. Manche werde von Sanitätern begleitet, einige sind zu schwach zum Laufen und müssen im Rollstuhl geschoben werden. Sie alle müssen diverse „Stationen“ hinter sich bringen, bevor sie den Hafen verlassen dürfen und in ihre Unterkünfte gebracht werden.
1. Sobald die Menschen festen Boden unter den Füßen haben, bekommen sie einen Sack mit frischer Kleidung, ein Paar Schuhe (da viele von ihnen Barfuß über das Meer kommen) und eine Tüte mit Nahrung. zugeteilt, welche einen Apfel, Gebäck, Wasser und kleines Spielzeug für die Kinder enthält.
2. Danach folgt eine weitere Gesundheitskontrolle, bei der jede Person einzeln von einem Arzt nach Schmerzen oder anderen Leiden befragt wird. Macht die Person auf den Arzt den Eindruck, nicht gesund zu sein oder klagt über eine Beschwerde, wird sie von der Gruppe separiert und in einem geschlossen Zelt behandelt. Diese Untersuchung ist allerdings oft nicht ganz unproblematisch, weil viele entweder ihre Probleme aufgrund einer Sprachbarriere nicht mitteilen können oder aber nicht von ihren Krankheiten berichten wollen, weil sie die direkte Abschiebung als Konsequenz fürchten.
3. Nach der Untersuchung werden nicht nur die Kranken und Verletzten von der Gruppe getrennt, sondern auch Minderjährige die offensichtlich ohne Eltern oder andere Familienangehörige angekommen sind, werden von Mitarbeitern der Kinderrechtsorganisation „Save the children“ separiert. Insgesamt handelt es sich bei diesem Sbarco um fünfzig bis sechzig Kinder und Jugendliche, die ohne jede Begleitung nach Europa gekommen sind. Alle anderen müssen sich weiteren Befragungen unterziehen und werden letztendlich, wenn sichergestellt wurde, dass es sich bei Ihnen um Flüchtige aus einem Kriegsgebiet handelt, registriert.
4. Sie werden dann, anders als die Kinder und Jugendliche, welche erstmal in Palermo untergebracht werden, in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien gebracht. Die mutmaßlichen Schleuser kommen in Untersuchungshaft und alle Menschen ohne Anrecht auf Asyl werden so schnell wie möglich zurück geschickt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich dieses Mal um eine relativ kleine Landung handelt: Ungefähr 300 Leute waren an Bord, normalerweise sind es 800 bis 1200. Die Reaktionen der Flüchtlinge gingen ziemlich weit auseinander. Die meisten waren sehr dankbar für die Unterstützung durch die mitwirkenden Hilfsorganisationen wie zum Beispiel Caritas oder das Rote Kreuz. Der Großteil wirkte verunsichert und eingeschüchtert, oder einfach nur überfordert, einige weinten und waren komplett aufgelöst. Auf der anderen Seite gab es aber auch einige die beinahe gehetzt wirkten und den Eindruck machten, als wüssten sie genau wie die Prozedur abläuft und diese auch schon einige Male mitgemacht haben.