Lange Nächte im Museum
Die Tage in Estland sind bereits 18 Stunden lang und die ersten Sommerurlauber finden ihren Weg in unser Museum. Wo für viele die Sommerferien beginnen, fängt bei uns die Arbeit erst richtig an.
Meine Arbeit im Estonian Print and Paper Museum hat sich in den letzten Monaten ebenso sehr verändert, wie das Museum selber. Letzten September habe ich meinen EVS in einem sehr chaotischen, aber auch sympathischen Museum begonnen, dessen Direktor ein Kater namens Johannes Gutenberg war und wo alles überbleibende Geld in sein Futter investiert wurde. Durch Unterstützung der Stadt und einer Kickstarter Kampagne konnten wir mittlerweile zwei neue Mitarbeiter einstellen, die uns alle sehr entlasten. Während im Winter alle überarbeitet waren, blieb keine Zeit um unsere Workshops und Touren zu überdenken und diese sowohl für uns effizienter als auch für die Besucher interessanter zu gestalten. Wir haben bisher jedem Besucher eine private Tour gegeben, die uns eine Stunde und viele Nerven kostet, jedoch nur 2/5€ einbringt. Unsere Vision ist es, dass wir mit Hilfe von Video, Audio und Textmaterial den Besucher durch das Museum führen und selber nur bei den praktischen Teilen assistieren. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber bei unseren Workshops für Schulgruppen haben wir schon einiges verändert. Besonders für die jüngeren Schüler war es immer schwer, während der Führung ruhig zu bleiben und während des Workshops zu warten, bis jeder etwas gedruckt hat. Nicht zuletzt haben wir gemerkt, dass es uns mittlerweile selber langweilt, immer wieder denselben Workshop zu wiederholen. Gemeinsam haben wir daher eine Museum-Quest entwickelt, bei der die Schüler in kleinen Gruppen an verschiedenen Stationen Aufgaben lösen und Fragen beantworten müssen und so das Museum sehr viel aktiver kennenlernen können. Nach einigen „Vision Meetings“ haben wir uns darauf geeinigt, dass wir in Zukunft den Fokus mehr auf Bildung und Forschung legen wollen und weniger auf Tourismus. Daher arbeite ich mit Agnieszka im Moment an Workshopformaten, die verschiedenen Altersklassen ansprechen. Wir wollen mit Grundschülern ABC Bücher drucken, älteren Schülern den Lebenszyklus eines Buches zeigen und selber eines binden und für Designstudenten Seminare über Typografie anbieten. Es ist spannend, solche Ideen zu entwickeln und es macht viel Spaß sie auch gleich auszuprobieren und einzuführen.
Neben dem mittlerweile spannenderen Museumsalltag fanden auch mehrere große Events statt, bei denen ich mittlerweile Workshops leiten kann anstatt zu assistieren. Von einer unserer Artist in Residence habe ich beispielsweise den Cyanotype kennengelernt. Dabei können Bilder übertragen werden, indem ihr Negativ auf eine, mit Chemikalien bestrichenen, Oberfläche gelegt wird und dem UV Licht ausgesetzt werden. Da bisher keiner von uns die Technik ausprobiert hat, habe ich damit herumexperimentiert und bin seitdem verantwortlich für die Cyanotype Workshops. Während eines großen Straßenfestes in unserem kreativen Viertel habe ich einen Cyanotype Workshop gegeben und viele haben sich bei den Flohmarktständen noch schnell Kleidungsstücke und Jutebeutel gekauft, die sie dann mit Cyanotype gestaltet haben.
Während der langen Nacht der Museen hatten wir dieses Jahr doppelt so viele Besucher und auch ein größeres Angebot an Workshops. Lena und ich haben mit Kindern auf Seidenpapier gedruckt und daraus Laternen gebastelt. Viele Eltern haben ihre Kinder bei uns gelassen und sich das Museum angesehen. Daher mussten wir mit ihnen so gut es ging auf Estnisch sprechen und haben uns gefreut, wie gut das bereits funktioniert.
Mein eigenes Projekt war es in den letzten Wochen eine Reihe von Drink & Draw Events im Museum zu organisieren. Dabei kommt man in entspannter Atmosphäre zusammen, bringt etwas zu trinken mit und skizziert ein Aktmodell, das alle 10 Minuten die Pose ändert. Die Drink & Draw Events fanden früher in einer Bar statt und sind bereits sehr beliebt in Tartu. Daher haben eine Kunststudentin und ich den Veranstalter angeboten unsere hellen und großen Räume zu nutzen. Dadurch kommen viele kunstinteressierte Menschen in unser Museum und wir werden bekannter. Vor allem machen die Events aber einfach Spaß, da viele der Teilnehmer jedes Mal kommen und man sich schnell besser kennenlernt. Vorerst sind die Drink & Draw Events in die Sommerpause gegangen, aber im Herbst werden sie vermutlich weiterhin im Museum stattfinden. Es ist schön zu wissen, dass somit auch etwas von einem selber zurückbleibt.
Mit den vielen Projekten könnte jetzt jedoch auch wieder Schluss sein, da der jährliche Sturm der Touristen vor der Tür steht und ich bald wieder den ganzen Tag lang mit Besuchern beschäftigt sein werde. Wenn wir jedoch unsere Ideen für das neue Museumsprogramm weiterhin so schnell umsetzen können, wird dieser Sommer vielleicht schon anders als in den Jahren zuvor. Wir sind auf jeden Fall dabei uns von einer kleinen Druckerei, mit viel Charme und ein paar alte Druckerpressen, in ein sehr modernes Museum zu verwandeln, das Wissen aufbereitet und spielerisch vermittelt.
Bilder: Mana Kaasik
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