Kurdische Diaspora
Es gibt eine Sache, die mich sehr interessiert, über die aber nicht wirklich geredet ist: Kurden und Kurdinnen in der Türkei. In Deutschland lebt ein Großteil der kurdischen Diaspora, aber unter welchen Umständen und wie sehen sie die deutsch-türkische Politik?
Tatsächlich erweist es sich als gar nicht so leicht, über die kurdische Diaspora zu recherchieren – Es beginnt damit, dass es sich um eine staatenlose Diaspora handelt, weil Kurden und Kurdinnen die weltweit größte Ethnie ohne eigenen Nationalstaat darstellen. Also gibt es keine verlässlichen offiziellen Zahlen, wie viele Kurden*innen es überhaupt gibt, so ist die Zahl in der Diaspora auch nur geschätzt: Circa 1 bis 1,5 Millionen Menschen kurdischer Angehörigkeit sollen heute in Europa leben, zumindest ist dies der Anteil der Menschen mit Kurdisch als Muttersprache. Dazu kommen aber noch die unzähligen undokumentierten Migranten, häufig Flüchtlinge aus Krisengebieten wie dem Irak, der Türkei, Syrien oder dem Iran.
Fern ihrer Heimat, in der sie häufig Unterdrückung und Diskriminierung erfahren, könnten Kurden*innen in der Diaspora ihre Kultur, Tradition und Identität offen ausleben, und sind damit viel sichtbarer als beispielsweise hier in der Türkei. Diese Freiheit ist ein häufiges Motiv der Migration, nach der Forschung der Nahost-Expertin Bahar Baser ist die kurdische Migration der letzten 30 Jahre aber auch Folge von struktureller Diskriminierung gerade auf dem Arbeitsmarkt, Überfällen mit genozidaler Absicht und schwerwiegende politische Verfolgung. Auf dieser Erfahrung von Marginalisierung und Unterdrückung beruht auch das politische Engagement in der Diaspora, die weltweiten Netzwerke werden zur Organisation des Widerstands genutzt.
Das Leben in der Diaspora ist eins zwischen Tradition und Heimatkultur, aber auch starker Integration und politischer Einflussnahme. Denn viele Menschen haben erkannt, welche Chancen die liberaleren, demokratischen Gesellschaften bieten: Die, sich in der Gesellschaft einzubringen, Menschenrechte für sich aber auch für die Zurückgebliebenen in den Herkunftsländern einzufordern und Druck auf die Regierungen auszuüben.
Das sieht man insbesondere in Deutschland: Wegen Deutschlands machtvoller Position in der Europäischen Union und den starken ökonomischen und politischen Beziehungen zu der Türkei versucht der kurdische Aktivismus hier einen Machthebel zu bedienen. Das führt auch zu beträchtlichen Spannungen: Zwischen türkischstämmigen und kurdischstämmigen Migrant*innen und durch das Bestreben der Türkei, ausländischen kurdischen Aktivismus einzudämmen was sich letztlich auch in den deutsch-türkischen Beziehungen niederschlägt.
Die Diaspora bietet bei all ihren Nachteilen auch viele Freiräume und gerade in Bezug auf transnationale Konflikte ist sie ein großes Machtmittel. Doch gerade in Deutschland spitzt sich die Lage für kurdische Organisationen langsam zu: Die Flagge der YPG, der einer syrischen kurdischen Befreiungsbewegung, ist ein verbotenes Symbol in Deutschland, ebenso wie alle Symbole der PKK. Tatsächlich wird auch gegen Menschen polizeilich ermittelt, welche mit kurdischen Freiheitsbewegungen sympathisieren und diese Symbole verwenden. Auch Facebook zensiert diese Inhalte ( aus fraglicher Motivation) und sperrt und behindert beispielsweise Kerem Schamberger, einen jungen Wissenschaftler der täglich Bericht erstattet zur Situation im Südosten der Türkei ( https://www.facebook.com/kerem.schamberger).
Wegen dieser undemokratischen Situation in Deutschland des kurdischen Aktivismus ist es absolut notwendig, dass sich junge Menschen der Situation staatenloser Diaspora wie der von Kurden, Palästinenser oder Tamilen bewusst machen und sich ebenso für ihre Rechte einsetzen!
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/256424/kurdische-diaspora
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/ypg-flagge-kurden-fahne-auf-facebook-gepostet-und-schon-im-visier-des-staatsschutzes-1.3888437