Konzert, Karneval und Krimi
Bianca hat in den letzten zwei Monaten so viel erlebt, von der Reise nach Nizza bis zu einem beinahe-Krimi in ihrer Jugenherberge, dass sie wirklich weit ausholen muss. Eine literarische Reise durch Frankreich.
Salut mes amis !
Ich muss ein bisschen ausholen dieses Mal, um ein bisschen von meinen Erlebnissen zu berichten. Wir schreiben den 14. Februar 2006. Valentinstag und gleichzeitig Matthieus Geburtstag. Gut, dass Valentinstag war habe ich nicht sonderlich gespürt, aber die Tatsache mit dem Geburtstag hat mich Mathieu anrufen lassen. Das wiederum führte dazu, dass er mich Freitag zu einem Konzert in Tulle einlud, an dessen Anschluss er ein bisschen im kleinen Kreis feiern wollte.
Das Konzert war genial! Es handelte sich um eine kleine Band (zehn Mann), aber das Niveau war 1A! Jeder dieser zehn Leute spielte mindesten zwei Instrumente, so dass der Klang sehr facettenreich war. Es gab Piano, Akkordeon, akustische Gitarre, E-Gitarre, Bass, Kontrabass, Schlagzeug, Trompete, Posaune, Saxophon, Laute, Geige, Kongos… Es war wirklich toll! Gerade die instrumentalen Stücke haben mir sehr gut gefallen, ich habe noch nie eine vergleichbare Zusammenstellung gehört.
Die Vorgruppe allerdings war gewöhnungsbedürftig. Zwei Musiker, die sich das Image ehemaliger Konservatoriumsmusiker zugelegt hatten und sich „Violon profond“ nannten. Sie haben einfach ein Cello mittels Effekt-Gerät elektrifiziert. Na ja. War nicht so mein Fall!
Anschließend sind wir nach Egletons gefahren, zu Romain, der dort ein Appartement bewohnt. Es ist ein wirklich schönes Haus, alt, aber gepflegt, aus grobem Stein gemauert und mit einer breiten Treppe aus dunklem Holz. Wieder einmal ein Abend voll spannender Diskussionen, Scherze, Chips, ein wenig Alkohol… eben alles, was zu einem guten Geburtstag dazu gehört. Wir waren zu fünft zum Übernachten da, was dazu führte, dass ich mich neben Mathieu auf dem Kanape wiederfand… Mmh, ja…,okay… Verdammt, ich glaube die Batterien meines Alarmsystems sind leer!
Nein, es ist nichts passiert, Mathieu hatte ausreichend getrunken um friedlich neben mir einzuschlafen, aber ich hatte trotzdem ein komisches Gefühl. Die Situation an sich war irgendwie… komisch. Und am nächsten Morgen hat er mich auf die Wange geküsst. Er wird doch nicht noch immer an mir interessiert sein? Ich dachte, ich sei in diesem Punkt deutlich gewesen. Donnerstag darauf, wir haben den 22. Februar. Der Tag, an dem Sonia ihren Geburtstag bei mir in der Jugendherberge gefeiert hat. 20 Jahre ist meine kleine Schwester alt geworden! Wir waren circa 30 Leute und haben uns köstlich amüsiert. Es war das erste Mal, dass alle meine Freunde in der JH vereint waren. Wir haben diskutiert, getanzt und einfach Spaß miteinander gehabt. Die Gäste der JH waren allerdings nicht so begeistert, dass wir den Fernsehsaal ausgerechnet bei einem Fußballmatch bevölkerten. Einige haben uns ganz schön angemacht. Die „Rechtslage“ war aber eindeutig: der Saal ist in erster Linie zum Vermieten gedacht, denn das bringt der JH Geld ein. Logisch. Nur wenn er eben nicht gemietet wird, steht er den Gästen zur freien Verfügung. Das musste ich erst mal mit einer Engelsgeduld erklären. Um Mitternacht haben sich Mathieu und Benjamin ihre Gitarren geschnappt und zusammen ein bisschen geklimpert. Acht Personen blieben über Nacht. Ich habe mich gegen zwei Uhr morgens ins Bett verzogen, da ich am nächsten Tag eine lange Reise vor mir hatte: Nizza.
Nizza, Monaco und St. Tropez
Gegen Mittag des folgenden Tages, nachdem sowohl Paul als auch ich unsere Arbeit beendet hatten, stand der Abreise nichts mehr im Wege. Den ersten Teil der Strecke bis zur Autobahn übernahm Paul, da er die Gegend kannte. Ich konnte so die Landschaft genießen. Über Rodez und Millau haben wir die Autobahn im Süden erreicht, wo ich das Steuer übernahm.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Zwei Stunden bin ich brav den Schildern Richtung Nice gefolgt, auf einer Raststätte hinter Marseille haben wir dann unser Abendbrot eingenommen: Thunfisch-Nudelsalat, Käse und Milchreis. Lecker! Das Steuer habe ich dann wieder abgegeben, denn Nice nahte und ich war zum Navigieren innerhalb der Stadt abkommandiert. Das war ein Chaos! Inzwischen zeigte die Uhr Mitternacht, auf den Straßen war Gott sei Dank nicht mehr so viel los, aber sich in Nice zurechtzufinden, dass ist in etwa so leicht wie in München: kaum Straßenschilder, dafür eine Menge Einbahnstraßen und Baustellen mit Umleitung wohin man schaut.
Wir haben die Autobahn in Richtung Zentrum verlassen, denn laut Karte sollte sich die JH irgendwo dort in der Gegend befinden. Zunächst sind wir der berühmten „Promenade des Anglais“ gefolgt, einer wunderschön erleuchteten, breiten Allee direkt am Meer, wo ich das erste Mal Palmen in natürlicher Umgebung gesehen habe. Irgendwann sind wir links Richtung Zentrum abgebogen. Nachdem wir zwei Mal eine Tour um das fragliche Viertel gemacht hatten, ist uns klar geworden dass sich die JH in einer Fußgängerzone befindet, so dass wir uns unweit einen netten Parkplatz gesucht haben und mit Sack und Pack die wenigen Schritte durch die Nacht marschiert sind.
Das Einchecken war relativ schnell erledigt und wir sind mit dem Aufzug zu unserem Zimmer gefahren, dass wir uns mit zwei Japanern teilten. Leise haben wir uns eingerichtet und sind auch sofort eingeschlafen, denn die Strecke war lang und ermüdend gewesen. Am nächsten Morgen stand eine Entdeckungstour von Nice auf dem Programm. Zunächst haben wir auf einen Sprung im Office de Tourisme vorbeigeschaut und uns Karten für den Blumenumzug am Nachmittag sowie den Karnevalsumzug am folgenden Tag geholt. Danach sind wir die mehrere Kilometer lange Promenade des Anglais in Teilen zu Fuß abgelaufen, haben uns am Strand eine kleine Pause gegönnt, dem Meer gelauscht und sind anschließend auf einen kleinen Berg hinter der Altstadt geklettert, an dessen Fassade sich eine wunderschöne Kaskade befand.
Von dort oben konnte man die ganze Stadt überblicken! Es war eine richtige kleine Oase inmitten der Stadt. Ich habe Oliven- und Orangenbäume gesehen, noch mehr Palmen und eine gelbblühende Pflanze, die man hier als „Mimosin“ bezeichnet. Wieder einmal hat mich die Romantik dieses Landes gepackt und ich habe bestimmt eine Viertelstunde dort oben zugebracht. Unten konkurrierte das türkisblaue Meer mit den mediterranen Farben der Stadt. Rot, Braun, Orange, Gelb, Ocker, Terrakotta, ergänzt mit einem kräftigen Grün der kleinen Parks innerhalb der Stadt. Ein harmonisches Bild! Allerdings wird für dieses Image auch einiges getan: so transportiert die Stadt beispielsweise die Obdachlosen und Bettler bevor die Touristensaison beginnt in Busen aus Stadt, weit genug entfernt, dass sie sie zu Fuß nicht wieder so ohne weiteres erreichen können.
Nachmittag: der Blumenumzug! Der Umzug, für den Nice relativ bekannt ist. Eine Stunde lang dauert die Parade mit kleinen Musikumzügen und vielen Themenwagen, die allesamt aus Blumen hergestellt sind. Es ist eine wahre Augenweide, eine Farbenpracht und es liegt ein ganz besonderer Duft über diesem Umzug. Von den Wagen herab werden Blumen ins Publikum geworfen (vorrangig eben jene gelbblühende Pflanze namens Mimosin) und wenn man Glück hat, hat man am Ende einen wirklich schönen Strauß beisammen. Ich hatte gerade mal ein Pflänzchen abbekommen :-(
Gegen 17 Uhr war der Zauber auch schon wieder vorbei und Paul und meine Wenigkeit wollten, nachdem wir die Altstadt schon von oben bewundert hatten, dort eine kleine Runde machen. Das war eine wirkliche gute Idee, denn dort fand ich jene besondere Atmosphäre der kleinen verträumten Viertel, wie man sie auch in Paris und Rennes entdecken kann. Die Altstadt besteht aus vielen kleinen, verwinkelten Straßen, links und rechts Häuser in diesen wunderbar warmen Farben, an deren Fassade man hier und dort zum Trocknen aufgehängte Wäsche sieht. Ab und zu sieht man Gebäude im Art-Deko Stil, der hier genauso hinzugehören scheint, wie die warmen Farben und die Palmen.
Touristen verirren sich seltener in diese Wohnviertel. Ich empfand ein Gefühl tiefsten Glücks, als ich durch diese kleinen Straßen spazierte, die Leute auf ihren Terrassen beobachtete oder wie sie sich von Fenster zu Fenster unterhielten. Als die Nacht hereinbrach, sind wir in die JH zurückkehrt, müde vom vielen Laufen. Wir haben uns ein schnelles „Steak haché“ in die Pfanne gehauen und sind wie am Vortag einfach ins Bett gefallen.
Früh am nächsten Morgen klingelt der Wecker. Monaco erwartete uns! Ich hatte zwar kein Visum beantragt, aber man ließ mich trotzdem in den Kleinststaat einreisen. Dass Monaco zu Recht den Ruf besitzt, Stadt der Reichen zu sein, kann man nicht nur an den Jachten im Hafen ablesen, sondern ähnlich wie auf Sylt auch an den Autos, die dort verkehren: Rolls Royce, Lamborghini, Porsche, Jaguar… Mit unserem Renault Scénic kamen wir uns irgendwie klein dagegen vor. Um eine kleine Runde im Stadtkern zu drehen habe ich meine Sonnenbrille gezückt, um mich ein bisschen an die lokale Bevölkerung anzupassen ^^.
Ich habe das Casino gesehen (von außen, da ich immer noch nicht 21 bin) und den Palast. Königliche Hoheiten sind mir allerdings nicht über den Weg gelaufen. Gegen Mittag waren wir zurück in Nice, denn um 14 Uhr sollte der große Umzug stattfinden, mit den „normalen“ Wagen, die kritisch politische und soziale Fragen in den Mittelpunkt stellen. Den Anfang der Parade machte der „Roi des Dupes“, der König der Angeschmierten. Der Karneval von Nizza hat jedes Jahr eine riesige Symbolfigur, der das Thema des jeweiligen Jahres vorgibt. Am Ende wird der König im Meer verbrannt, um im nächsten Jahr aus der Asche in einem neuen Gewand wieder aufzuerstehen. Es war gut, dass Paul dabei war. Er konnte mir die politischen Anspielungen, die sich natürlich hauptsächlich auf die französische Gesellschaft bezogen, erklären.
Wir haben im Anschluss an den Umzug eine kleine Runde im Stadtkern gedreht, wo mir ein Gebäude besonders gefallen hat: die Bibliothek. Architektonisch ist die nämlich eine echte Sensation! Sie hat die Form eines Kopfes. Im Endeffekt könnte man sie als begehbares Kunstwerk bezeichnen. Den Abend haben wir noch mal in der Altstadt ausklingen lassen, die uns so verzaubert hat. Dort haben wir uns auf den Stufen vor dem Palais de la Justice niedergelassen, vor dem sich ein begrünter Platz mit kleinen Cafés an beiden Seiten befand.
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass mitten auf dem Platz ein Pianist sein Klavier aufgestellt hatte und ein Stück nach dem anderen spielte, manche in einer derart schwindelerregenden Geschwindigkeit, dass ich mich fragte warum er noch keine Knoten in den Fingern hat. Es war eine unglaubliche schöne Atmosphäre, eine kleine Menschentraube hatte sich um diesen doch etwas außergewöhnlichen Straßenmusiker gebildet und es wurde kräftig applaudiert. Bis zum Sonnenuntergang harrten wir dort aus und sogen die Eindrücke in uns auf. Danach suchten wir uns ein nettes kleines Restaurant um den letzten Abend voll auszuschöpfen.
Montagmorgen. Früh machen wir uns auf den Rückweg, denn wir wollten nicht die direkte Route nehmen, sondern zunächst an der Côte d’Azur entlang fahren, das heißt über St. Tropez, Toulon und dem Massif de l’Esterelle sind wir irgendwann wieder auf die Autobahn gestoßen. Es war unglaublich, die Sonne schien wie an einem Sommertag und ich habe unglaublich viele verschiedene Facetten der Côte d’Azur kennen lernen können. Das Massif ist ein wunderschöner Flecken Erde, roter Fels fließt dort in das herrlich blaue Mittelmeer hinab und wird von grünen Pflanzen farblich noch bereichert.
In St. Tropez am Strand haben wir unser Picknick eingenommen und ich konnte es nicht lassen, zumindest meine Füße in das noch kalte Mittelmeer zu tauchen – das hat mir vermutlich den Schnupfen eingebracht, den ich nach dieser Reise bekam, aber das war es wert! Nach dem Essen haben wir uns noch einen Tee in der Kleinstadt gekönnt, denn das ist St. Tropez letztendlich. Ich war echt überrascht! Es scheint sogar kleiner als Brive zu sein, aber trotzdem schön und nur wegen des Filmfestivals versnobt und vollkommen überteuert.
Gegen Mitternacht sind wir in Brive angekommen und ich bin nur noch ins Bett gefallen, denn am nächsten Tag hieß es wieder arbeiten! Die Woche vom 28. Februar bis zum 03. März war mit der Aussicht auf das Seminar in der Bretagne in der Folgewoche auch gleich halb so kurz.
Seminar in der Bretange
Am Wochenende habe ich schon wieder meine Koffer packen können, obwohl sich eigentlich die Arbeit auf meinem Schreibtisch zu stapeln anfängt, da mein Projekt von der Europäischen Kommission bewilligt worden war und ich um 7000 Euro reicher nun Einiges in Angriff nehmen konnte (Piano leihen, Kostenvoranschlag vom Busunternehmen, Personen für Vorträge einladen, Parner suchen…). Aber jetzt hieß es erst nochmal für eine Woche abschalten.
Die Strecke bis nach Paris zog sich wie üblich, da zwischen Brive und Paris kein TGV (Train de grande vitesse) verkehrt. Vier Stunden… Ich glaube, ich habe den Grossteil der Zeit verschlafen, was sollte ich auch sonst großartig machen? In Paris am Bahnhof kam dann wirklich echtes Seminarfeeling auf, denn nachdem ich einige Zeit allein auf einer Bank auf meinen Zug gewartet habe, entdeckte ich irgendwann Amos, den ich noch vom ersten Seminar kannte. Er war nicht alleine, bei ihm standen drei weitere deutsche Freiwillige, die in der Gegend um Straßbourg und Niederbronn arbeiteten. Unter ihnen war auch Nora, die ich über den youth-reporter im Internet kennen gelernt habe und nun das erste mal en direlt sah.
War schon irgendwie komisch soviel über jemanden gelesen zu haben und sich dann wirklich gegenüber zu stehen ^^. Jedenfalls war die restliche Zugfahrt trotz einiger Verzögerungen wesentlich weniger langweilig. Während eines längeren Stops habe ich mich lange mit Nora unterhalten (dummerweise saßen wir alle woanders), und am Bahnhof in St. Brieuc habe ich noch einige bekannte Gesichter vom ersten Seminar wiedergesehen.
Dieses Mal waren die Freiwilligen in einem Gîte nahe Quintin untergebracht, einer Art Ferienhaus, und in diesem besonderen Fall handelte es sich um ein echtes Manoir mit großem Kamin, einen langen Esstisch, der selbst einem König zur Ehre gereicht hätte und einfach einer urgemütlichen Atmosphäre. Das war wesentlich besser als eine Herberge wie letztes Mal, denn wir konnten selber kochen und es gab keine Regeln. Ersteres führte zu unglaublich liebevoll zubereiteten (landestypischen) Gerichten, im Speziellen frisch zubereiteten Nudeln mit Pasta von einer Italienerin und einem komplett griechischen Festmahl mit Ouzo, Feta und allem was dazu gehört.
Zweiteres hingegen führte zu enormen Schlafmangel, denn ich war in einem 10-Bett-Zimmer mit dem Großteil der Mädels und wirklich ruhig war es eigentlich nie. Aber lustig ^^! Insgesamt war es wieder eine sehr informationslastige Veranstaltung, aber die Animateure haben den Inhalt gut verpackt, so dass die Zeit in meinen Augen wirklich wie im Flug vergangen ist. So standen neben den Infos um Capital Avenir und Fragen rund um den Europäischen Frewilligendienst auch wieder nette Aktivitäten auf dem Programm. Wir haben einen Sport namens Kinball kennen gelernt, der ein wirklicher Manschaftssport ist, bei dem man zusammen arbeiten muss. Man spielt nämlich mit einem Ball von 1,20m Durchmesser, denn man alleine auch nicht wirklich halten kann. Wir haben einen Ausflug an die Atlantikküste gemacht, wo ich wieder mal ewig lange vor mich hingeträumt habe. Und ganz nebenbei haben wir noch ein bisschen was von der bretonischen Kultur mitbekommen. Nun weiß ich, was Kouign-amann, Chouchen, Gallettes und Far breton sind und kann Prost, Hallo, Willkommen und Auf Wiedersehen auf Bretonisch sagen. Nicht schlecht für knappe vier Tage, oder?
Zurück in Brive
Kaum zurück hatte ich eine wirklich arbeitsintensive Woche vor mir, in der ich die detaillierte Beschreibung meines Projektes zumindest in zwei Sprachen übersetzt habe, so dass die Einladung in ihrer endgültigen Form in Französisch, Englisch und Deutsch vorliegt. Ich habe auch ein wenig an der Internetseite weitergebastelt, kann ja auch nicht ewig liegen bleiben. Freitag habe ich mich mit meinen Studenten getroffen, einen Statusbericht abgegeben und wir haben die verschieden Aufgeben unter uns aufgeteilt. Diese Treffen geben mir jedes Mal neuen Schwung, das tut wirklich gut!
Am Wochenende war ich schließlich in Toulouse, weil ich eigentlich meinen Eltern diese Stadt zeigen wollte. Toulouse, la ville rose, ist ebenfalls zum Großteil aus einem charakteristischen Stein konstruiert. Viele Straßenschilder sind sowohl in Französisch als auch in „Occitan“ geschrieben, einer alten Sprache, die man früher hier im Süden gesprochen hat. Ich habe mir eine Fotoausstellung im Château d’Eau angeguckt, einer umfunktionierten Wassermühle, die in früheren Zeiten Wasser in die Haushalte gepumpt hat und bin durch die Innenstadt spaziert, habe mir „La Capitole“ angesehen, die Markthallen, die Kirche St Etienne und manche kleine Oase entdeckt. Toulouse ist noch begrünter als Nizza und sehr jung was die Bevölkerung angeht. Da waren unglaublich viele Studenten! Eine negative Seite ist allerdings der so genannte „vent d ‘autan“, ein herber Wind, der vom Meer her weht und die ganze Stadt aufwirbelt. Entweder es ist windig oder es regnet. Eine Bauernweisheit aus der Gegend. Man kann sagen dass ich mit dem Wind noch Glück hatte, obwohl es mit der Zeit wirklich ermüdend ist, sich gegen ihn aufzulehnen.
Unter der Woche hat Vianney mich wegen der Einladungen zu meinem Projekt kontaktiert und mich ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurück geholt, von wegen es sei alles ziemlich kurzfristig und ich sollte mir nicht zu viele Hoffnungen machen. Außerdem hat uns das Conseil Général angerufen und ein Treffen vorgeschlagen, ebenfalls in Bezug auf mein Projekt. Es bewegte sich Einiges!
In der Nacht von Donnerstag, den 23.03., auf Freitag allerdings kam (schon wieder) ein Einbruch meiner Gesundheit. Gegen Mitternacht: Bauchschmerzen! Eigentlich dachte ich, ich würde bis zum nächsten Morgen aushalten, aber im Endeffekt habe ich gegen vier Uhr morgens klein beigegeben und bin wieder mal in der Notaufnahme gelandet. Kurz vor der Ankunft meiner Eltern. Aber da war nicht viel zu machen, erstmal hieß es Blutabnahme und Röntgen bevor man mir per Infusion eine erleichternde Dosis Schmerzmittel gab, damit ich wenigstens noch ein bisschen schlafen konnte.
Am nächsten Tag Besuch vom Arzt, wir müssen eine Darmpassage machen, was soviel heißt wie Magensonde legen und Kontrastmittel einfüllen. Ich habe ausgehandelt, dass ich die Untersuchung ambulant machen lasse, ich wollte erst mal meine Eltern in Empfang nehmen. Ich möchte wirklich gerne wissen, was das ist! Ich dachte, es ginge besser. Na ja, jetzt bin ich erst mal wieder auf Diät und was weiter geschieht, kann ich noch nicht genau sagen.
In Brive angekommen hat das Navigationsgerät meiner Eltern total verrückt gespielt und hat sie immer im Kreis rumgeschickt. Daraufhin haben sie mich leicht in Panik angerufen : „Wir finden die JH nicht, wo müssen wir lang… ?“ Ich war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden und habe in der Apotheke Medikamente geholt. Nach einer längeren Diskussion („Wir sind an einem Kreisverkehr“ hilft in Frankreich nicht wirklich als Ortsangabe) habe ich die beiden an einem Einkaufszentrum aufgelesen und zur JH geleitet, wo sie sich erst mal ausgeruht haben, wie ich auch.
In der Nacht von Freitag auf Samstag lief hier noch mal ein richtiger Krimi ab: Pascale hatte am Mittwoch einen kleinkriminellen Jugendlichen, der aus Resozialisierungsgründen eine Ausbildung unweit der JH machte und deswegen von seinen Erziehern hier untergebracht worden war, rausgeworfen. Er hatte Feuer in zwei Rauchmeldern gelegt und so den Alarm ausgelöst, ein Handy geklaut, einen Einbruch in seinem Zimmer inszeniert, ein Fenster kaputt gemacht und Pascale als Arschloch bezeichnet. Kein Wunder, dass sie irgendwann genug hatte! Jedenfalls tauchte er mitten in der Nacht hier auf, Pascale kam gerade mit ihrem Freund nach Hause. Sie hat ihn nochmals vor die Tür geschickt und Robert, ihr Freund, meinte, er habe hier nichts mehr verloren und wenn er sich noch einmal hier blicken lasse, dann…
Pascale war in der Zwischenzeit ins Büro gegangen, um eine Nachricht für die Frühschicht zu lassen, als sie von draußen einen gellenden Schrei vernahm. Sie hechtete nach draußen und fand Robert verletzt auf dem Bürgersteig wieder. Trouchon, der Kleinkriminelle, war nicht alleine gewesen und hatte Robert mit einem Baseballschläger das Bein gebrochen sowie den Kopf verletzt. Ein anderer Gast der Jugendherberge half, den verletzten Robert aufs Kanapee am Empfang zu transportieren, bevor Pascale die Polizei und den Sanitäter rief. Ich war noch so K.O. von der vorangegangenen Nacht, dass ich von all dem nicht wirklich was mitbekommen habe und erst am nächsten Tag erzählt bekam, was passiert war. Gut, dass ich bald umziehe! Hoffentlich.
Die letzten Wochen hat Pascele mich nämlich echt genervt. Einerseits sagt sie, ich müsse in der Hauptsaison (die bald anfängt) mein Zimmer räumen, da ich in einem der wenigen Behindertenzimmer bin und das benötigt wird, andererseits ist sie aber nicht bereit, mir ein Appartement zu bezahlen, wie es mir laut Vertrag zusteht. Ich hatte sogar schon was gefunden, da Sonia ab April nach Spanien geht… Innenstadt, keine fünf Minuten zu Fuß, 350 Euro warm. Nun weiß ich noch nicht, was ich mache. Ich möchte ja auch das Arbeitsklima nicht vergiften und auf mein Recht pochen… Mal sehen, ich lasse das alles erst mal auf mich zukommen.
Sonntagvormittag war ich dann mit meinen Eltern in Sarlat, einer mittelalterlichen Stadt, deren älteste Gebäude aus dem 12 Jahrhundert stammen. Das war echt toll! Die Straßen sind total schmal und man kann sich vorstellen, dass da wirklich nur jeweils ein Pferd durchgepasst hat. Mein Vater hat sich einen Spaß daraus gemacht, mich mit einer Ritterrüstung zu fotografieren und meine Mum hat sich in einer kleinen Boutique eine Hexe mitgenommen, die sie im Büro aufhängen will… ohne jegliche Anspielung natürlich ;-) Es war soo warm! 23 Grad Celsius und praller Sonnenschein, meine Eltern hatten einen echten Klimaschock zu überwinden, denn sie kamen ja aus frostig kalten - 6 Grad! Anschließend haben wir eine Partie Minigolf gespielt, bei der mein Vater mich um einen Punkt geschlagen hat! Auf den letzten drei Bahnen! Ich war noch nie so nah an einem Sieg dran gewesen. Aber es hat nicht sollen sein!
Sonntagabend waren wir dann bei Paul zum Essen eingeladen, was für mich in eine Heidenübersetzungsarbeit ausartete! Mein Vater konnte es nämlich nicht lassen, sich über Politik, Geschichte und überhaupt alles mögliche mit Paul auszutauschen, was ich dann gezwungenermaßen übersetzen durfte. Manchmal habe ich noch nicht mal die Zeit zum essen gefunden, war echt schlimm!
Dabei gab es so ein gutes Menu: Aperitif: Muscat, Pineau und einen Mandellikör Entrée: Salat mit geraspelten Möhren, Gurken, Tomaten, Eiern, Foie Gras in getrocknetem Magret de canard und mit FoieGras gefüllte Feigen, dazu ein milder Weißwein Hauptspeise: Paupiette (= Mit Gehacktes gefüllte Kalbsschnitzel) mit Bohnen, dazu rin 2002er Bordeaux Käse: Corrèze, Brebis und Camembert Dessert: Birnenkuchen Nachher sind wir geplatzt und ich war leicht angetrunken. Aber es war so lecker!
Und damit bin ich auch „schon“ am Ende meine Berichtes angelangt. War doch gar nicht sooo lang, oder? Bis zum nächsten Mal, je vous embrasse très fort
Bianca J.