Kleiner Ferienbericht
Was ich mit meinen ersten Urlaubstagen seit meiner Ankunft hier so angestellt habe...
Schwups, so schnell kann das gehen und schon sind meine Ferien vorbei und ich bin wieder voll im Camphill Leben involviert. Die Residents haben mich sichtlich vermisst, ich persönlich hätte auch noch mit ein paar weiteren Wochen Freizeit leben können, nicht unbedingt der "Erholung" wegen, sondern einfach weil es ein schönes Gefühl ist, komplett frei bestimmen zu können wo, mit wem und wie man den Tag verbringen möchte. Trotz einer Wetterlage, die sich von ganz besonders "irischer" Seite zeigte, habe ich meine ersten Ferien seit ich im November hier ankam (schon irgendwie krass, in Schulzeiten hätte ich nie so lange ohne Pause durchgehalten!) ziemlich gut ausgenutzt wie ich finde, mit zahlreichen Tagestrips in die nahe und fernere Umgebung und genügend Chilltagen dazwischen.
Zwischen einer langen Wanderung an der rauen Nordküste, einem Spaziergang in einem für seine atemberaubenden Wasserfälle bekannten Wald, einem Roadtrip entlang der malerischen Ostküste und Ausflügen in die Hauptstadt Belfast war alles dabei. Ich liebe es mit immer unterschiedlichen Konstellationen von Leuten unterwegs zu sein, denn immer ist die Energie eine etwas andere, man spricht über unterschiedliche Themen und hört vollkommen verschiedene Musikrichtungen. Manchmal kann eine halbe Stunde schweigendes Genießen des Momentes dann auch genauso intensiv sein wie acht Stunden nonstop spannende Konversation. Interessant finde ich es auch immer mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Im Moment ist die Insel (Covidbedingt) von Touristen noch ziemlich verschont und so hat jeder den man auf einer Wanderung nach dem Weg fragt eine ganz eigene Geschichte zu erzählen und ganz unterschiedliche Gründe gerade an diesem Ort zu sein. In einem Punkt erinnern mich diese Begegnungen ganz stark an Gespräche aus dem letztjährigen Familienurlaub in Südengland: sobald das Gespräch auf unsere Herkunft fällt, fangen die meisten Nordiren sofort an Brocken ihres lange nicht mehr benutzten Deutschwortschatzes herauszukramen und fast jeder hier schien schonmal mit dem Militär im Schwarzwald oder sonstwo stationiert gewesen sein und kann so manche lustige Anekdote zum Besten geben.
Letztes Wochenende haben wir auch gleich die Gelegenheit auf etwas Kulturbildung genutzt und den Sankt George Markt in Belfast besucht, der für seinen kunterbunten Mix an Waren, Personen und Gerüchen bekannt ist und wo an Wochenenden normalerweise Live Musik gespielt wird. Die Stände waren wirklich so wild zusammengewürfelt wie im Reiseführer beschrieben, mit dem Verkäufer von altem Schind und Trödel zwischen dem jungen Streetfood Startup Unternehmer und dem älterlichen Kunsthandwerksweibchen. Nur mit der Musik war nichts drin und dass man sein Essen natürlich nicht in der großen Halle mit Maskenpflicht genießen konnte, sondern sich dafür raus in den irischen Regen stellen durfte minderte die Gemütlichkeit der ganzen Aktion etwas. Kein Wunder also, dass wir uns danach erstmal in einem kleinen Café nahe des botanischen Gartens aufwärmen mussten. In diesem Stadtteil Belfasts liegt auch die "Queens University", eine der zwei größten Hochschulen der Stadt und das ganze Viertel ist für seine hippe Studentenathmosspäre bekannt. Noch nie ist mir bisher so stark der Kontrast zwischen der generellen Athmosspäre aufgefallen die einen erwartet, wenn man aus der Zugstation tritt! Wahrscheinlich könnte man mit geschlossenen Augen feststellen, an welcher Station man jetzt gerade ausgestiegen ist... Der Vibe in Botanic ist auf jeden Fall ein sehr angenehmer und lädt zum Verweilen und Trödeln ein.
Apropos trödeln: auch die berüchtigten Charity Shops haben die letzte Woche über endlich ausgiebig von uns Besuch bekommen! Jetzt kann ich den Enthusiasmus verstehen mit welchem alte Freiwillige mir hier bei meiner Ankunft im Winter davon erzählt haben... Mal ganz ehrlich, ich verstehe nicht, warum es das nicht in diesem Ausmaße auch in Deutschland gibt. Klar findet man in größeren Städten vielleicht den ein oder anderen Oxfam Shop, aber an Häufigkeit, Diversität des Wohltätigkeitszweckes, Umfang der Ware und perfekter Sortierung kann man das gar nicht vergleichen. Wenn kaum ein Kleidungsstück, von Tshirts über Hosen bis hin zu Kleidern und Einteilern, aber auch Büchern und Haushaltsgegenständen mehr als vier Pounds kostet und man obendrein weiß, dass das Geld einem Kinderhospiz, der Krebsforschung oder dem Schutz von Artenvielfalt in Afrika zukommt, fällt einem die Entscheidung zum Kauf nicht schwer und ich habe selber schon ein paar hübsche Teile ergattern können. Genauso spannend ist es aber auch sich einfach alles anzuschauen, vielleicht ein paar lustige Schuhe anzuprobieren und sich über groteske Handtaschen und Filzmäntel lustig zu machen.
Wenn ich nicht gerade irgendwo die Umgebung unsicher gemacht habe war ich die letzte Woche viel mit den Vorbereitungen eines Workshops zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, den ich zusammen mit einer anderen Freiwilligen letzten Mittwoch im Rahmen des Foundation Course organisiert habe. So richtig zeitaufwändig war die ganze Aktion eigentlich hauptsächlich, weil wir wirklich jedes kleine Detail irgendwie mit der Thematik in Verbindung bringen wollten. Das fing schon die Woche zuvor an als wir in aller Heimlichkeit begonnen täglich den Müll (Recycling und Restmüll) in der Küche zu einzusammeln und in zwei riesige Pappkartons in unserem selten benutzten Musikzimmer im Princesstower zu kippen, um die Kursteilnehmer dann im Rahmen der Aktion dorthin zu führen. Über die Woche hat sich wirklich ein ganz schön erschreckender Berg an Müll angesammelt und aufgrund des "sehr interessanten" Geruchs in dem Raum mit geschlossenem Fenster nannten wir es spaßhalber eine volle "5D Erfahrung" ;)
Ebenfalls Teil der 5D Erfahrung war beispielsweise, dass alle Teilnehmer ganz zu Beginn des Workshops mit einem Wollfaden an Hand- und Fußgelenken kreuz- und quer zusammengebunden wurden um am eigenen Leib zu erfahren, dass alles und jeder irgendwie Teil eines größeren Gefüge ist und jede Eigenhandlung einen Effekt auf alle anderen hat. Man kann sich vorstellen was für lustige Videos entstanden sind, als sich die ganze Gruppe beispielsweise die Wendeltreppe in den Turm hinaufzuqutschen versucht hat...;) Abgenommen durfte diese doch sehr einschränkende Verlinkungen dann erst zur Teepause mit Fairtrade Tee und Kaffee und süßen Teilchen, die wir am Abend zuvor aus altem Toastbrot, Äpfeln and Zimt angefertigt hatten. Außerdem hatte jeder der Anwesenden ein Objekt mitgebracht, das für ihr einen Teil von Nachhaltigkeit oder auch deren Abwesenheit symbolisiert, was dazu geführt hat, dass wir teilweise während dem Genuss unserer Teepause über die Sinnhaftigkeit von Plastikwindeln diskutiert haben...
Der zweite Teil des Workshops bestand dann noch aus zwei verschiedenen DIY Projekten, von denen sich unsrer Mitfreiwilligen und Mentoren eines aussuchen durften. Während meine "Kollegin" in der Küche Hilfestellung bei der Herstellung von veganem Nutella aus möglichst wenigen Zutaten gab, stellte ich im Nebenraum mit dem anderen Teil der Grupppe Bienenwachstücher zum Abdecken und frisch halten von Lebensmitteln her. Nicht alle Ergebnisse unserer Projekte sahen so perfekt aus wie die Photos auf den Blogs von denen wir unsrer Insprirationen her hatten, aber wir hatten viel Spaß und konnten hoffentlich ein wenig mehr Bewusstsein für verschiedene Dinge verbreiten und das ist ja die Hauptsache!
So langsam bekomme ich hier an meinem Schreibtisch Hunger, die Küche ruft, aber man hört sicher bestimmt bald mal wieder von mir, bis dann ;)