Kerzen im Dunkeln oder "Und wie viele Paar Socken trägst du?"
Bald weihnachtet es sehr! Zumindest gab es schon einen tollen Start in den Weihnachtsmarkt der NGOs in Litauen. Und es schneit auch noch...
"Tamara, ich spüre meine Füße nicht mehr"
-"Ich auch nicht."
Es war ein toller Start in den Weihnachtsmarkt der NGOs (non-governmental organisations) letzten Sonntag!
Wie jedes Jahr, zumindest hat Gediminas, ein Mitarbeiter der Lietuvos Caritas, es uns so erzählt, werden am zweiten Advent im Hof des Palastes der Präsidentin Spenden gesammelt, indem kleine Werke von kleinen Künstlern von Kinderorganisationen verkauft werden, Weihnachtskarten, oder etwa verpackte Caritas Kerzen.
Bei minus zehn Grad sind wir um zwölf Uhr mittags mit dem weißen Caritas-Bus, der aussieht, als hätte er beide Weltkriege nur knapp überlebt, nach Vilnius gescheppert, eine Stunde später fing dann das große Frieren an.
Auch wenn die Litauer bei solchen Wintertemperaturen noch lachen, war es für mich ein großes Abenteuer, meine Füße nicht mehr spüren zu können, wenn man eine Stunde lang auf derselben Stelle steht, um Prospekte zu verteilen. Ja, der Winter steht nicht nur vor der Tür, er ist ohne anzuklopfen ins Haus gerauscht!
Seit guten drei Wochen liegt Schnee auf den Straßen, pustet dir Schnee ins Gesicht, wird dir ins Gesicht geseift, lässt dich Schnee und Eis in Pfützen ausrutschen. Als es das erste Mal weiße Flocken vom Himmel rieselt stehe ich gerade mit der acht Monate alten Akvilė im Arm, die Tochter einer Klientin, am Fenster im neunten Stock. Mit riesigen blauen Augen starrt sie auf die Puderzuckerwelt und streckt ihre Hand zum Fenster hin. Kurze Zeit später bekomme ich vom sizilianischen Freiwilligen hier in Kaunas eine SMS: "Snow!!" Und für beide war es der erste Schnee in ihren Leben.
Leider hatte ich in der letzten Zeit kaum Kontakt zu meinen Klientinnen, da ich beim Verpacken der Kerzen helfen musste, und die Woche darauf mit Fieber im Bett lag.
Der Dezember hat sich sehr ruhig vorgestellt. Nach der Arbeit wird das ein- oder andere Mal in der Stadt herumgewandert, der unglaublich kitschige Weihnachtsbaum am Rotušės aikštė wird ausgelacht, wir bewerfen uns mit Schneebällen, balancieren auf Parkbänken, und bleiben vor allem viel zuhause beim gedimmten Kerzenlicht der aussortierten Caritas Kerzen.
Weihnachtszeit ist immer die seltsamste Zeit ist man im Ausland, oder sonstirgendwo weg vom Zuhause. Und doch schafft sich irgendwie eine schöne Stimmung, hört man sich ewig alte Weihnachtslieder an und trifft sich zum Kekse backen. "Ich habe noch Butter, hast du noch Mehl? Ich bin in einer halben Stunde da!"
Nachdem ich also viel zu faul in der Wohnung rumlag mit meiner Erkältung möchte ich mir jetzt wieder vornehmen, aktiver zu werden.
Die nächsten Wochenenden sind schon in meinem Kopf, die restliche Zeit des Jahres 2010 so gut wie verplant. Auch letztes Wochenende war es so, wie ich es am liebsten mag. Freitag habe ich nette Litauer auf einer Feier kennengelernt, Samstag war ich mit anderen Freiwilligen im Čiurlionis Museum, dem wohl bekanntesten litauischen Künstler, um Sonntag dann schließlich stolz, mit leuchtend rotem T-shirt Caritas in Vilnius zu vertreten.
Seit wann ist das eigentlich so, dass ich so unzufrieden bin, wenn ich bloß zuhause bin anstatt die Stadt zu erkunden? Es hängt bestimmt auch damit zusammen, dass ich mich in unserer jetzigen Wohnung nicht allzu wohl fühle. Aber wir machen Fortschritte in unserer Wohnungssuche, die sich natürlich leider nicht so leicht entpuppt, wie man es sich wünscht. Wir warten auf das hoffentlich baldige Weihnachtswunder, unsere Koffer packen zu dürfen um dann die neue Wohnung zum ersten Mal mit Keksduft füllen zu können. Das wäre schön.