ke rui na oder Mona?
Mein erstes Monatsresümee. Wie lebt es sich im Unbekannten?
Der erste Monat ist rum. Vergeht die Zeit hier schnell? Ich habe in diesem einen Monat so viel gelernt, interessante Gespräche geführt und bin an erste Ecken und Kanten gestoßen. In dieser Hinsicht kommt es mir vor, als wäre ich schon ein Quartal hier, so viel habe ich zu erzählen. Dennoch bin ich mich immer noch „die Neue“. Jeder kleiner Fortschritt der ersten Tage, vom ersten Einkauf über die erste Veranstaltung bis hin zu meinen Chinesisch-Kenntnissen, freut mich und macht mich stolz. Dennoch liegen noch so viele Herausforderungen vor mir und an meiner Stirn hängt weiterhin das Schild „Ausländer im Anmarsch“. Hinzu kommt: Ich bin die Jüngste hier. Und in wenigen Momenten spüre ich das auch. Deshalb denke ich, dass ich noch lange, wenn nicht während meines gesamten Aufenthaltes, „die Neue“ bleiben werde oder zumindest das Schild an meiner Stirn haften bleibt.
Mir wurde vor der Ausreise oft gesagt, ich solle alles auf mich zukommen lassen, es würde eh anders laufen als gedacht. Natürlich konnte ich mir vorher keine Vorstellungen von dem Alltag hier machen. Allerdings merke ich doch, dass es definitiv sinnvoll und für mich persönlich richtig war zu versuchen mich auf das Unbekannte vorzubereiten. Nun vor Ort lasse ich mich auf das Unbekannte ein, lerne es kennen. In einigen Bereichen stütze ich mich auf mir Vertrautes, in anderen erfinde ich mich neu. Im Philosophie-Unterricht haben wir damals über Universalismus und Relativismus gesprochen. Hier spüre ich (Kultur-)Relativismus am eigenen Leib und jeden Tag. Ich genieße die vielen Eindrücke und möchte alle Angebote, die ich von neuen Bekannten und Freunden bekomme, annehmen. Der Schlüssel zu einer Kultur sind nicht Bücher oder die Weitergabe von Berichten, sondern Menschen und Begegnungen. Das ist etwas, das ich hier erkenne und lerne. Meiner Meinung nach mindert das allerdings nicht die Sinnhaftigkeit der Bücher oder meiner eigenen Berichte. Meine Erfahrungen füllen nun die Worthülsen (aus der Zeit vor meiner Ausreise) mit Empfindungen, mit Dankbarkeit, Neugier und Freude, mit Angst und Verwunderung. Ich hoffe, dass meine Worthülsen euch meine Empfindungen näher bringen und euch dazu ermutigen, sie mit euren eigenen Erfahrungen und Empfindungen füllen zu wollen.
Eine weitere Erkenntnis, die ich bisher immer wieder hatte: Egal, wie groß die Unterschiede in Denkmustern, Verhaltensregeln, Essgewohnheiten, im Verkehr, in Definitionen von „Freundschaft“ oder „Interesse“ auch sein mögen: Am Ende sind wir alle Menschen. Im Konzert, bei der Eröffnungsfeier des Semesters, in der Oper, bei vielen Gesprächen und im Hinblick auf Glückssymbole und traditionelle Feste: Ich entdecke trotz wahnsinnig großer kultureller Unterschiede immer wieder die Liebe zur Familie, die Sehnsucht nach Gewöhnung und Sicherheit, der Wunsch nach Glück und Erfolg und der Glaube an etwas Größeres. Zum Beispiel gibt es auch hier (wie z.B. die Hohenzollern-Brücke aus Köln) eine Brücke, an die Schlösser gehangen werden, die ewiges Glück bringen sollen. Die Menschen können noch so unterschiedlich sein, aber, ich denke, im Innersten sehnen wir uns alle nach den gleichen unfassbaren Dingen. Daher rührt auch der Sinn für Nächstenliebe und Unterstützung, die ich hier erfahre.
Um nach diesen Gedanken wieder auf mein Monatspensum an Eindrücken zurückzukommen: An alle besorgten Familienmitglieder, Bekannte und Freunde: Mir geht es gut. Ich fühle mich wohl. Es warten viele Herausforderungen auf mich, viele Chancen und viele großartige Menschen. Ich bin nicht einsam und auch nur selten allein. Natürlich vermisse ich mein Zuhause, das deutsche Essen, gute Luft, mein Klavier und den Rhein. Doch ich lebe hier gut und ich kann mir vorstellen, die kommenden Monate weiterhin gut zu leben, gut zu essen(!), viel zu lernen, alleine zu wohnen und an Ecken und Kanten zu stoßen. Ich im Reich der Mitte, auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage „Ke rui na oder Mona?“.
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