Justizreformen in Polen
Die polnische Regierung versucht verschiedene Reformen des Rechtssystems durchzuführen. Die Frage ist, ob sich diese noch im Rahmen der europäischen Rechtsordnung bewegen.
Nicht nur die Regierung Rumäniens (mein letzter Artikel) versucht gerade verschiedene Justizreformen durch zu setzten, auch in Polen sorgen die Pläne der Regierung für Empörung. Auch hier ist die Sorge um die Aushöhlung der Gewaltenteilung groß. Auch wenn ein Teil der Reform erstmal nicht ihre Wirkung entfalten wird, da der polnische Präsident Andrzej Duda gegen diese nach großen Protesten von allen Seiten (vor allem der eigenen Bevölkerung und der Europäischen Union) sein Veto eingelegt hatte.
Die aktuelle nationalkonservative Regierung ist in Polen seit 2015 an der Macht. Die Partei Prawo i Sprawiedliwość (Kurzbezeichnung PiS; deutsch: Recht und Gerechtigkeit) hat in beiden Parlamentskammern, im Sejm und im Senat, die absolute Mehrheit. Beschrieben wird Partei vermehrt als eine Variante des „Law-and-Order-Populismus“. Sie sei „europaskeptisch, aber nicht antieuropäisch“ und „traditionalistisch, nicht aber radikal antimodern“. Der Osteuropa-Experte Kai-Olaf Lang sieht sie als Vertreterin eines „weichen Populismus“ wobei ihr Verhältnis zum Rechtspopulismus durch aus umstritten ist. Sie weist einige Merkmale der „normalen“ christdemokratischen Parteien der Europäischen Union auf, ist aber sehr viel rechter und nationalistischer eingestellt, als beispielsweise die CDU/ CSU in Deutschland.
Das Gesetz, welches in der Sommerpause in Kraft trat, sieht unter anderem vor, dass Justizminister Zbigniew Ziobro künftig Richter ohne Grund entlassen und ohne Rücksprache mit Juristen durch neue Kandidaten austauschen kann. Die Angst seiner Kritiker ist, dass er dadurch die Posten mit Anhängern der eigenen Partei besetzen könnte und somit die Kontrolle über die Justiz übernehmen würde. Strittige Punkte sind zudem, dass die Reform verschiedene Pensionsalter für Männer (65 Jahre) und Frauen (60 Jahre) vorsieht. Die Regelung verstoße, laut der EU-Kommission gegen die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Im Vergleich zu Rumänien hat sich die Europäische Union in Polen aber schon deutlich eingemischt. Bereits im Juli wurde von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Sie sieht durch die durchgeführten und geplanten Gesetze die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Polen gefährdet. Sie befürchtet, dass diese Gesetze die "Unabhängigkeit der polnischen Gerichte untergraben". Bisher hat die polnische Regierung auf die Verfahren und Drohungen der Europäischen Union vor allem mit Trotz reagiert. Das Verfahren wäre unbegründet und die EU solle sich nicht in die polnische Innenpolitik einmischen, ist die Meinung der polnischen Regierung.
Wie auch in Rumänien werden die Proteste gegen die Justizreform vor allem von der jüngeren Bevölkerung getragen. Die jungen Menschen sind mit den Freiheiten und Vorzügen der Demokratie aufgewachsen und realisieren gerade, dass eben diese Werte nicht selbstverständlich sind, auch in einem Land, welches seit ein paar Jahren Mitglied eines Wertebündnisses ist, welches sich dem Schutz der demokratischen Werte verschreiben hat. Es finden sich Aktivistengruppen an Universitäten zusammen und über die sozialen Netzwerke spricht man sich ab. Die Verbindungen über das Internet geben den jungen Leuten wieder das Gefühl etwas bewirken zu können und machen ihnen deutlich, dass auch ihre Stimme zählt. Jedoch lassen sich auch viele Studenten und junge Leute von der Europakritik der Regierung anstecken. Die rechtsextremen Parteien oder NGOs haben hohen Zulauf und auch sie sind sehr präsent in den Universitäten. Das alte Argument, dass die Regierung die Wirtschaft wieder angekurbelt habe, die Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit langem nicht mehr ist und mehr Sozialhilfen ausgezahlt werden als früher sind die Standartargumente solcher Befürworter der Regierung (die gleichen Argumente nutzen beispielsweise auch Reegierungsbefürworter in der Türkei). Wie schon so oft stellt sich auch hier die Frage ob die Stärkung der Wirtschaft, die Einschränkung der Grundfreiheiten und die Anschneidung der Rechtsstaatlichkeit rechtfertigt.