Jeder für jeden?
Bringen Ereignisse wie die EM 2016 Nationen sich gegenseitig näher - oder ist das Gegenteil der Fall?
Die Fußball-Europameisterschaft 2016 ist vorbei. Portugal hat den Gastgeber Frankreich im Finale geschlagen und damit den Titel geholt. Ein Monat mitfiebern und anfeuern geht damit zu Ende. Für manche. Manche sind auch einfach nur erleichtert nicht mehr ständig von Kommentaren zur Europameisterschaft genervt zu werden – ob von Zeitung, Radio oder Mitmenschen. 24 Nationen nahmen an der diesjährigen EM teil. Fans aus aller Welt sind nach Frankreich gereist, um die Spiele aus nächster Nähe verfolgen können. Bei einem Sportereignis wie diesem stellt sich die Frage: Sorgen internationale Sportereignisse wie beispielsweise die EM und WM eigentlich dazu, dass sich verschieden Länder besser verstehen? Oder wird im Gegensatz der Konkurrenzgedanke gestärkt und Hass auf andere Nationen geschürt?
Gerade zu EM Zeiten ist viel vom sogenannten „Party-Patriotismus“ die Rede. Bei vielen entsteht ein Nationalgefühl, dass sie normalerweise gar nicht in dieser ausgeprägten Form haben. Klar, alle (oder zumindest die meisten) feuern dieselbe Mannschaft an, fiebern bei den selben Spielen mit – und wenn die Nationalmannschaft gewinnt, ist es ganz egal dass man nicht selbst auf dem Platz stand – man fühlt sich ebenfalls als Gewinner. Dies alles verbindet und lässt ein Land näher zusammenrücken.
Fußballspiele werden aber auch gerne als Anlass genommen, alte Ressentiments gegen andere Länder auszupacken oder zu schüren. Der italienische Spieler foult? Typisch! Der französische Spieler foult? Typisch! Der deutsche Spieler foult? Kann ja mal passieren – und so ein taktisches Foul gehört zum Fußball ja dazu.Viel häufiger geht es aber nicht einmal unbedingt gegen bestimmte Spieler, sondern gleich um das ganze Land oder aber zumindest aber um die Fans. Presseartikel wollen uns mit reißerischen Titeln weißmachen, andere Nationen seien wahlweise
"absolut sicher ihr Nationalteam würde die anderen 'plattmachen'"
"höhnisch grinsende Gewinner"
"nachtragende Verlierer die den Sieg für unverdient erklären"
Die Fußballnationalmannschaft eines Landes repräsentiert dieses für einen großen Teil der Welt – dies stimmt aber ebenso für die Fans. Ein Fall wie der der russischen Hooligans, der später sogar zum Politikum wurde, ist sicher eher die Ausnahme, solche oder ähnliche Geschichten fallen aber zwangsläufig auf ein Land zurück und bilden mit das Bild, das sich Menschen von ihm machen. Dies gilt allerdings auch im positiven Sinne. War Island vor der EM noch ein Land, zu dem die wenigsten Menschen eine Meinung hatten, fällt einem jetzt als erstes das unglaublich motivierte isländische Team und seine begeisterten Fans ein, die es bereits für ein Unentschieden gegen Portugal so feierten als hätte es die EM gewonnen. Der Fakt, dass 10% der isländischen Bevölkerung in Frankreich waren, das typische Wikinger-„HUH“, welches der Anfeuerungsruf der Isländer war – all dies bleibt positiv im Gedächtnis. Auch Deutschland kennt diesen Effekt – von 2006. Auch wenn sie nicht die WM gewannen, genoss Deutschland in diesem Jahr, aufgrund der ausgelassenen Stimmung und begeisterter Fans, die auch den dritten Platz feierten, gewissermaßen eine „Imagekorrektur“.
Es lässt sich also nicht pauschal sagen, Sportereignisse haben nur positive oder negative Auswirkungen auf die internationale Verständigung. Die Antwort liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte.