Je schlechter, desto besser!
Rattentod schnuppert in seiner ersten Woche in verschiedene Projekte hinein und fragt sich, wo er eingesetzt werden mag. Zwischen der Arbeit mit Obdachlosen und Kindern hat er bereits einen Favoriten gefunden.
Das war die erste Woche Niederlande. Ganz schön viel passiert zwischendurch. Und ich kann mich wohl so langsam nicht mehr davor drücken, hier das eine oder andere zu Papier oder "zu Bildschirm" zu bringen.
Hm... Vielleicht eine kleine Liste zu Beginn?
Wem jetzt "Malte-Witze" durch den Kopf schießt, der hat Recht und sollte vielleicht gleich zum Fließtext übergehen.
- annähernd demolierte "Treat them like your wife"-Fahrräder: 1 ["Malte, do you treat your wife like this?!"]
- eingedrückte Glasscheiben von Badeschränkchen: 1
- mit Kindern gemalte Bilder: 1
- getrunkene Tassen Tee: ungezählt
- gefühlte gefahrene Kilometer: 20.000
- gefühlter Anteil der Regentage: 80%
- geschriebene Briefe: 4
- gewonnene Kicker-Spiele: 3
- verlorene Kicker-Spiele: 1 (sry, war mit "Team")
- Erkältungen: 1
- gekochte Mahlzeiten: 1 (jaha! nur der Salat war ein Reinfall)
Und ansonsten?
Eigentlich waren wir dauernd in irgendwelchen Projekten. Wir schauen uns die erst mal an und entscheiden dann am Monatsende, wo wir überall eingesetzt werden möchten. Klar: Man kriegt nur ganz wenig mit an solchen Tagen. Ich will mir nicht anmaßen, jetzt einen Eindruck oder Überblick der dort geleisteten Arbeit zu haben. Aber es gab trotzdem ein paar Sachen, die einem in Erinnerung bleiben. Weil sie irgendwie ganz anders sind als das, was man bisher kennengelernt hat. Anders als das Leben in meinem kleinen Dorf, ist man versucht zu sagen. Aber die Probleme, die die Leute hier haben, gibt es auch in Berne – da bin ich mir recht sicher. Vielleicht nicht unbedingt die Heroin-Abhängigen. Aber Alkohol, Gewalt, Vereinsamung, Frustration und Ähnliches. Nur sieht man das nicht so.
An dem einen Tag hatten wir einen Obdachlosen, der ziemlich ausgeflippt ist. Hat Kaffeebecher auf den Boden gepfeffert, die Betreuer angeschrieen und uns als Nazis beschimpft (Hatte mich schon gewundert, dass ich drei Tage unbescholten davongekommen bin, die Klischees müssen doch gepflegt werden). Es war keinesfalls eine gefährliche Situation oder so, die haben das immer gut unter Kontrolle. Uns wurde auch klargemacht, dass die Klienten untereinander sehr darauf achten, dass alles nach den Regeln läuft. Keiner möchte eines dieser letzten Rückzugsgebiete verlieren. Und ebenso, dass solche Ausbrüche nicht gegen uns oder die Sozialarbeiter gerichtet sind. Da kommt einfach ziemlich viel hoch, was sich in den Tagen und Wochen auf der Straße so anstaut ohne Schlaf, Essen und warme Sachen.
Dann gab es auch sehr einprägsame, sehr gute Momente. Ein anderer Obdachloser oder Client, wie sie in den Einrichtungen genannt werden, durfte während unseres Besuches seinen neuen Personalausweis präsentieren. Der war total aus dem Häuschen, jeder musste sich das Bild anschauen und ihm zustimmen, dass er darauf ein richtiges Verbrechergesicht habe. Immer wieder wurde das Plastikkärtchen aus der Tasche gezogen. Hat sich wie ein Kind gefreut, das kann man so ohne Weiteres gar nicht nachvollziehen. Für uns ist das Teil nun mal relativ unwichtig. Okay, vielleicht nicht unwichtig. Aber zumindest austauschbar und ohne tiefere Bedeutung für unser Selbstverständnis. Für den Mann ist es viel mehr.
Auf einem anderen Level war der Tag mit den Kindern. Das war zwar nett, die Kinder sind superlieb und fassen sofort Vertrauen. Ich durfte Limonade machen (Wasserhahn auf, Wasser rein, Sirup rein, fertig), Eisenbahn spielen (Hurra!) und als Reitpferd durch den Raum flitzen (Brrrrr!). Ganz uneigennützig, klar. Aber natürlich ist das was ganz anderes als die Obdachlosen-Einrichtungen. Ach ja: Immer hieß es "meneer, meneer", also "Sir, Sir!". So alt bin ich noch gar nicht, Ihr kleinen Wichte!
Am besten hat mir bisher das Projekt von gestern gefallen: Die Seemannsmission. Wir wurden von einem anfänglich etwas wortkargen Mann ("Let me get my coffee first.") von einer Bahnstation abgeholt und dann in den Hafen gefahren, wo wir die ausgesprochen peniblen Sicherheitsvorkehrungen der Behörden erleben durften. Die waren fast so gut wie die Kontrollen am Berner Bahnhof. Ja. Wenn wir wenigsten "Are you Nazi/terrorist?" gefragt worden wären... Na ja.
Seemannsmission, das war das Thema. Unsere dortige Arbeit würde darin liegen, auf die Schiffe zu gehen und mit der Besatzung ins Gespräch zu kommen, ihnen Telefonkarten zu verkaufen etc., etc. Die können heutzutage ja nicht mehr wirklich von ihren Pötten runter. Die romantischen Zeiten der Seefahrt sind vorbei, wenn es die überhaupt je gab.
Dementsprechend könnte es für einige der Freiwilligen wohl etwas desillusionierend gewesen sein, zumal wir auf einem ziemlich alten und reparaturbedürftigen Seelenverkäuf... äh Schiff waren. Aber ich mochte es. Will dort auf jeden Fall arbeiten, zumal meine Sprachkenntnisse kein Hindernis darstellen: "The worse your English is, the better."
So, jetzt reicht das aber auch. Heute stehen noch ein paar andere Sachen an. Davon gibt es dann vielleicht auch Bilder.
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