IRLAND | Freiwillig in Cork
Europas Vielfalt zeigt sich auch im Umgang mit Behinderung. Brigis erzählt, welche Unterschiede zwischen Irland und Deutschland herrschen.
Mit einigen Turbulenzen bei der Fluglandung auf Cork konnte ich mich so richtig auf das Abenteuer Freiwilligendienst in Irland einstellen. Ein halbes Jahr raus aus Köln, das war für mich ein Traum, der nun in Erfüllung ging. Und ich war sehr gespannt auf diese Zeit.
Bereits nach kurzer Zeit lebte ich mich gut ein und bewohnte mit Thea, einer Freiwilligen aus Dänemark, ein Apartment im St. Laurence Cheshire Home, das ein wenig außerhalb von Cork liegt.
Mit weiteren Freiwilligen aus ganz Europa unterstützten wir die „Residents“ des Wohnheims für Menschen „with special needs“, behinderte Erwachsene, die auf Unterstützung angewiesen sind. Ich begleitete die Residents bei regelmäßigen Ausflügen und zum Einkaufen. Im „Activity Room“ halfen wir bei allgemeinen Freizeitbeschäftigungen wie Handarbeiten, Backen, Briefe und E-Mails schreiben, kleinere Geschenke basteln und Feiertage vorbereiten. Regelmäßig unterstützten wir geschulte Lehrer und Therapeuten von externen Organisationen und Schulen bei Kursen im St. Cheshire Home. Diese Kurse werden immer gerne von den Residents in Anspruch genommen, denn sie sind sehr lehrreich. Auch für uns Freiwillige war das oft so. Die Kurse beinhalteten beispielsweise Malerei, Kunst im Sinne einer Skulptur für das Cheshire Home, Musiktherapie, Meditation, Theater, Hauswirtschaft, kreatives Schreiben. Bei manchen Kursen dienten wir Freiwilligen mehr als Statisten, aber oft wurden wir voll mit einbezogen, indem wir etwa Bildentwürfe mit den Residents entwarfen oder selber kleinere Rollen im Theaterstück übernahmen.
Jeder Tag war gefüllt mit vielfältigen Angeboten. Besonders beliebt war das Bingospielen, bei dem die Residents kleine Preise gewinnen konnten. Bingo ist eine Art Lotto, welches sehr beliebt ist bei den Iren und oft in riesigen Hallen mit mehreren hundert Teilnehmern gespielt wird. Wir haben es allerdings nur auf maximal zwanzig Spieler gebracht.
Da ich bereits einige Erfahrungen im Zusammenleben mit Menschen mit Behinderungen in Deutschland hatte, konnte ich nun in Irland einige Vergleiche anstellen: Im Allgemeinen ist die Situation ähnlich, obwohl man in Irland mittlerweile viel mehr Einrichtungen finden kann, die mit Rollstühlen zugänglich sind. Leider ist es aber auch heute noch in manchen Familien so, dass die Behinderung eines Familienmitglieds als Wertminderung der Familienehre gesehen wird und die Betroffenen in Heime abgeschoben werden. Ich denke, in Deutschland ist man im privaten Bereich toleranter mit Behinderungen, nur im öffentlichen Bereich werden die besonderen Bedürfnisse noch zu selten erkannt. Vielleicht liegt es aber auch an der Tatsache, dass die meisten öffentlichen Gebäude (Opera House, Shopping Centre, etc.) noch relativ jung sind im Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen zum Beispiel in Köln.
Die Lebenshaltungskosten in Irland sind ziemlich hoch, die billigste Zahnpaste war noch recht teuer. Letztlich war der Geschmack für mich ausschlaggebend, aber dafür musste ich dann auch schon 3,00 Euro bezahlen. Erstaunlicherweise waren jedoch die Preise beim Ausgehen, wie für 1Pint (560ml) Guinness wesentlich günstiger als die vergleichbare Menge Kölsch in Köln. Ein Einkaufstipp für alle sind sicherlich die Second Hand Shops und Discounter. Dort kann man sehr schöne Andenken besorgen. Ich persönlich habe zwei dicke Kisten mit Büchern mit nach Hause genommen.
Beim „On-Arrival-Training” (dem Einstiegslehrgang) in Dublin lernte ich andere europäische Freiwillige kennen, die zur gleichen Zeit in ganz Irland im Freiwilligendienst waren. Dieses Training und auch das „Mid-Term-Training“ (eine Halbzeitbilanz von den Freiwilligen) waren für mich eine besondere Bereicherung, da ich so auch hinter die Kulissen der Einsatzstellen der anderen Freiwilligen schauen konnte. Und dort bekam ich auch ein wenig Hilfe durch die anderen, als ich Probleme hatte. So wie ich auch anderen helfen konnte, ihre Probleme zu lösen. Außerdem hatten wir in diesen Tagen gute Möglichkeiten, auch ein wenig mehr von der irischen Kultur mitzubekommen. Auf dem Programm des Trainings standen unter anderem Besuche in einem Moorgebiet, einem sozialen Randgebiet in Dublin, einer irischen Tanzrunde und natürlich jeder Menge Pubs.
Einige der Freiwilligen wohnten ebenfalls in Cork. So konnten wir uns regelmäßig zu einem Schnupperkurs in irischem Tanz oder zum Bummeln in Cork mit anschließendem Besuch im irischen Pub treffen. Da mein 21. Geburtstag in meinen Freiwilligendienst fiel, konnte ich zum zweiten Mal meine Volljährigkeit mit meinen neuen Freunden feiern.
Meine Zeit in Irland konnte ich auch nutzen, um einen Englischkurs an der Uni zu besuchen und das „First Cambridge Exam“ zu machen. Dieser Sprachkurs gab mir eine weitere Möglichkeit, Leute kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen.
Die Arbeit im St. Laurence Cheshire Home hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe viel für mich und meine Zukunft gewinnen können. Mit einigen der Residents schreibe ich noch regelmäßig Briefe und EMails, auch wenn es leider seltener ist als ich mir ursprünglich vorgenommen habe.
Auch in Zukunft möchte ich bei meiner beruflichen Orientierung mit Menschen mit Behinderung arbeiten, und ich konnte dafür für mich persönlich viele Erfahrungen aus dem Cheshire Home mitnehmen.
Alles in allem war es für mich eine gelungene Zeit, ich habe viele Kontakte zu Menschen aus ganz Europa und besonders zu Menschen in Irland aufgebaut. Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse verbinden auch über die Zeit des Freiwilligendienstes hinaus. Anderen Interessierten am Freiwilligendienst in Cork gebe ich gerne weitere Tipps. Ich denke, jeder der die Möglichkeit hat, den Freiwilligendienst zu nutzen, sollte diese Chance wahrnehmen.
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