In vollen Zügen
Die Bahn kommt - auch in Rumänien. Die Züge sind hier vielleicht nicht so adrett wie in Deutschland. Dafür kann man viel erleben.
Zug Fahren ist eine interessante Sache in Rumänien, vor allem, weil das hier noch so viele Menschen machen. Das Kursbuch ist nur ungefähr 300 Seiten stark, kostet wenig und jeder versteht nach einer Weile, wie man findet, was man sucht. Fahrkarten gibt es grundsätzlich erst drei Stunden vor der Abfahrt, manchmal auch erst eine Stunde vorher. Es sei denn, man geht in jene speziellen Reiseagenturen, da gibt’s die auch schon früher. Und bald (irgendwann) wird es an allen Bahnschaltern auch Computer geben! Noch sieht man jedes Mal beim Fahrkartenkauf die Schalterfrau Zahlen kritzeln und durchstreichen – das sind die Platzreservierungen, die es bei jeder Fahrkarte dazu gibt. Ich habe keine Ahnung, wie das ganze System ohne Computer funktioniert, aber es funktioniert.
Die Personalzüge sind die abgewracktesten. Ob es da ein Klo gibt, weiß ich gar nicht. Aber auch beim Accelerat, dem nächstschneller- und teureren Zug stehen schon mal die Zugtüren offen während der Fahrt. Dafür sind sie aber pünktlich. Eine Freude ist vor allem das Einsteigen in die einfachen Personalzüge (es gibt auch doppelstöckige), denn diese sind so gebaut, dass selbst junge Leute kaum die hohen Stufen erklimmen können.
Im Winter kann man Wetten darauf abschließen, ob die Heizung im Zug funktionieren wird oder nicht. Wenn nicht – friert man natürlich ziemlich arg. Wenn ja - auch schlecht, die Regulierung funktioniert nämlich nie und es ist immer viel zu heiß. Macht man dann eine Tür oder ein Fenster auf, wird es sofort wieder – na? – genau, schweinekalt.
Die Schaffner sind mufflig und lassen sich auch gerne mal bestechen. Das geht so schnell, das sieht man gar nicht. Übung ist anscheinend alles. Es sein denn, es gibt Supra-Kontrollen. Kontrolleure, die die Kontrolleure kontrollieren. Billig fahren nur die Studierenden – immer zum halben Preis.
Schön ist, dass man so oft ins Gespräch kommt. Rumänische Zugfahrer sind anscheinend von Natur aus neugierig (oder sind es die Rumänen? Oder die Zugfahrer?). Zwischendurch kommen Getränkeverkäufer, Zeitungsverkäufer oder auch mal Leute vorbei, die stumm in Plaste verpackte Kleinigkeiten wie Stifte, Geldbörsen, Taschenlampen, Notizbücher und Nähsets auf die Sitze legen, weitergehen und nach einer Minute zurückkommen und alles wieder einsammeln. Ich habe nur zweimal jemanden etwas kaufen sehen und einer davon war ein Tourist.
Ich finde, mit der Bahn durch’s rumänische Land zu reisen, ist eine der schönsten Sachen. Ich schaue hinaus, Gedanken und Landschaften fliegen oder zuckeln vorbei (je nachdem). Jetzt im Sommer sieht man auch manchmal halbnackte Menschen nahe den Gleisen, nur außerhalb der Stadt gibt es Wiese, wo man (so) liegen darf, auf städtischem Grün ist es nämlich strikt verboten!.
Außer in Bukarest gibt es noch überall an den Bahnschaltern diese kleinen Pappkärtchen. Mit einer schweren gusseisernen Maschine wird auf die Rückseite das Datum eingeprägt und vorn auf den Aufdruck mit Kuli der neue Preis darauf geschrieben – so alt sind diese Kärtchen schon. Überhaupt erinnert noch Vieles an die DDR. Wenn jemand also wissen will, wie’s damals war – auf nach Rumänien! Und auch wer’s nicht wissen will – Rumänien ist allemal eine Zugfahrt wert!