Im Zentrum der einsamen Stadt
vom sich Finden und Verlassen...
Für's Lesen: Miles Davis: http://www.youtube.com/watch?v=N090STPx-2M
Stell dir vor, du triffst jemanden zum ersten Mal in deinem Leben und abends sitzt ihr zusammen in einem dunklen Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut mit gespannt weit aufgerissenen Augen Control an und wippt mit den Füßen, wenn Joy Division ihre Takte durch die Lautsprecher schmettern und ihr hört gespannt auf das, was da kommen mag und am Ende seid ihr sprachlos und nackt und trotzig glotzt der hell erleuchtete Blütenmond durchs Fenster und mit traurigen Augen verschwindet sein Kopf hinter einer großen Wolke und ihr haltet euch an den Händen ohne viele Worte sagen zu müssen.
Und stell dir mal vor, du triffst jemanden zum ersten Mal, und ihr trinkt ein Bier an einem warmen Frühlingstag in einer überfüllten Fußgängerzone und schaut den wild hetzenden Leuten hinterher. Da ist die Frau, die mit zu großen Einkaufstaschen viel zu schnell durch die Masse flitzt und hübsche junge Mädchen lachen im Gleichschritt schreitend aus voller Kehle, weil es Monatsanfang ist und sie ihr Taschengeld endlich in einen der tausend Läden ausgeben konnten und den Rest der Woche werden sie jetzt ihre Eltern anbetteln, weil alles, was man kaufen kann, viel zu teuer ist. Und ihr beiden lässigen blauäugigen Biertrinker, wovon du einer bist, ihr versteht euch gut und am Abend sieht man sich wieder, in einem dunklen Club in einem fremden Keller und da spielt er mit schöner Stimme seine Lieder und am Ende packt er seinen Gitarrenkoffer und verschwindet kurz, wie er sagt, und kommt dann nicht wieder.
Und stell dir mal vor, du triffst jemanden zum ersten Mal, der spielt mit Trompete nachtigallenartige Chöre von Miles Davis und du holst endlich deine ganzen Freunde zusammen und gemeinsam offenbart sich euch allen dieser unglaublich magische Kosmos tief ins Knochenmark reichender Jazzmusik, dieses Temperament einer Schlange, die sich durch die Gassen der Großstadt windet, und im Nichtraucherlokal rauchen trotzdem alle und das schummrige Licht wird noch mehr gedimmt, so dass nur noch der nach außen gebogene Ausgang der Trompete glänzt wie ein großes goldenes Ohr eines Pharao. Der Zigarettenrauch legt sich wie eine seidene Decke über jeden Ton und verharrt unglaublich hartnäckig auf diesem Schallwellenteppich. Und am Ende traut sich niemand zu klatschen.
Und stell dir mal vor, du sitzt an der Mole des stinkenden Großstadhafens und plötzlich kommt ein Boot aus dem Nebel vorbei und all die Leute, die du kennst und magst und mit vollem Herzen liebtest sitzen an Deck und winken dir zu und rufen dir Adieu und du kannst nichts machen, außer sie wieder im Nebel verschwinden zu lassen und stumm begreifen zu müssen, wie sie ihren Weg gehen. Und wie du deinen Weg gehst, das interessiert niemanden mehr.
Jeder Held hat seine Lieblingsfarbe, jeder Schurke seine Mutter, die er liebt, jeder Abend ein großes phantastisches Omen an all die Talente einer überfüllten, niemals ruhenden, im dreckigen Laternenlicht gaunernden Stadt, jeder Morgen die Wiederbelebung einer längst verloren geglaubten Wahrheit und eines längst vergessenen Gutdenkens. Und dann wieder Menschen, die du magst, Fremde, in vertrauten Klamotten, Vertraute mit fremden Gerüchen, alle vereint in dieser Stadt.
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